Fritz Holliger aus Boniswil AG ist seit rund 50 Jahren Gewerkschaftsmitglied. Der Lastwagenchauffeur trat einst der Gewerkschaft Verkauf Handel Transport Lebensmittel bei. Diese schloss sich 2004 der neu gegründeten Gewerkschaft Unia an.
Holliger blieb der Unia auch nach der Pensionierung treu. Im vergangenen September wollte der mittlerweile 74-Jährige seine Mitgliedschaft auf Ende 2022 kündigen. Diese kostet den Rentner jährlich knapp 130 Franken.
Die Unia akzeptierte seine Kündigung erst auf Ende 2023. Das ist in den Statuten so festgehalten. Dort heisst es: «Der Austritt kann nur auf das Ende eines Kalenderjahres unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mindestens sechs Monaten erfolgen. Die Kündigung muss spätestens bis 30. Juni erfolgen.»
Die Unia ist nach eigenen Angaben mit rund 180 000 Mitgliedern die grösste Gewerkschaft der Schweiz. Mitglieder bezahlen knapp ein Prozent des Bruttolohns – bei einem Monatsgehalt von 4500 Franken jährlich also knapp 520 Franken.
Warum bindet sie ihre Mitglieder mit derart langen Kündigungsfristen? Die Unia schreibt dem K-Tipp, die Statuten würden von den Mitgliedern am Kongress beschlossen. Anträge für eine Verkürzung der Kündigungsfrist hätten bislang keine Mehrheit gefunden.
Die zweitgrösste Gewerkschaft Syna sowie der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) und der Ärzteverband FMH haben dieselben Austrittsbedingungen wie die Unia. Die Mitgliedschaft bei der Syna kostet je nach Einkommen zwischen 144 und 624 Franken pro Jahr, dazu kommt ein Sektionsbeitrag zwischen Fr. 1.50 und Fr. 5.– pro Monat. Beim VPOD sind es je nach Lohn zwischen Fr. 124.80 und Fr. 654.– pro Jahr, dazu kommen auch hier Sektionsbeiträge in ähnlicher Höhe wie bei der Syna. Ärzte zahlen dem Verband FMH je nach Tätigkeit zwischen 334 und 800 Franken pro Jahr.
Frist im Vereinsrecht ist nicht zwingend
Die Syna und der Verband FMH schreiben auf Anfrage, ihre Kündigungsfrist richte sich nach dem allgemeinen Vereinsrecht des Zivilgesetzbuches. Dieses sieht eine Kündigung per Ende Kalenderjahr mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist vor. Das Vereinsrecht im Zivilgesetzbuch ist aber nicht zwingend. Es gilt nur, wenn nichts anderes vereinbart ist. Der VPOD sagt dem K-Tipp, er prüfe eine Erleichterung der Kündigungsmöglichkeiten.
Auch der SEV, die Gewerkschaft des Verkehrspersonals, sah bis 2019 nur eine Kündigung per Jahresende vor. Doch auf Druck einiger Mitglieder lockerte der SEV die Bedingungen. Jetzt ist der Austritt zwei Mal im Jahr möglich – auf den 30. Juni und den 31. Dezember. Mitglieder müssen jedoch weiterhin sechs Monate vorher kündigen.
Der Mieterverband lässt seine Mitglieder in der Regel nur per Ende Jahr gehen. Die Details legen die Kantonalverbände fest. In Zürich beträgt die Kündigungsfrist drei Monate, in Bern und Basel-Stadt nur einen Monat. Der Mieterverband rechtfertigt die Kündigungsregelung damit, dass die Mitgliedschaft eine Rechtsschutzversicherung enthalte, die jeweils für ein Kalenderjahr gültig sei.
Der Schweizerische Musikerverband zeigt, dass es auch anders geht. Dort ist ein Austritt auf jedes Monatsende möglich, mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten. Wenn ein Mitglied des Verbandes ins Ausland zieht oder den Beruf wechselt, beträgt die Frist gar nur einen Monat. Bereits bezahlte Beträge erstattet der Musikerverband pro rata.