Die Ausstrahlung von TV-Sendungen via Antenne heisst heute «Digital Video Broadcasting – Terrestrial», kurz: DVB-T. Den sperrigen Begriff braucht man sich aber nicht mehr zu merken. Denn mit der Übertragung über die Luft und via Antenne aufs Fernsehgerät ist am 3. Juni Schluss. Das teilt die SRG mit einer Laufschrift am unteren Bildschirmrand all jenen Zuschauern mit, die ihre Programme noch mit DVB-T empfangen.
Betroffen sind mehr als 50 000 Haushalte
Fernsehzuschauer reagieren verärgert. Eine Leserin schreibt dem K-Tipp: «Ich habe mit Leuten gesprochen, die wie ich über Antenne fernsehen. Alle empfinden die Abschaltung als Zumutung und Frechheit.»
Die SRG behauptet, nur noch 1,4 Prozent der Haushalte würden das DVB-T-Signal nutzen. Der Bundesrat hielt allerdings vor drei Jahren fest, dass die Zahl der «reinen» Antennenhaushalte zwar gering sei, aber «die Nutzung von DVB-T über Zweit- und Drittgeräte sowie in Ferienhäusern und Wohnwagen sehr beliebt». Zählt man alles mit, dürften deutlich mehr als 50 000 Haushalte in der Schweiz vom Aus für DVB-T betroffen sein.
Seit kurzem gehört das Antennensignal auch nicht mehr zum Grundversorgungsauftrag der SRG. Die neue SRG-Konzession, die Anfang Jahr in Kraft trat, hält in Artikel 42 fest: «Das Recht und die Pflicht der SRG, Fernsehprogramme über DVB-T zu verbreiten, erlöschen spätestens am 31. Dezember 2019.»
Interessant: Im Entwurf zur neuen Konzession war dieser Artikel noch nicht enthalten. Wie kam er plötzlich da hinein? Francis Meier, Sprecher des Bundesamts für Kommunikation (Bakom), kennt die Antwort: Ausschlaggebend sei unter anderem «der zunehmende Spardruck seitens der SRG» gewesen. SRG-Sprecher Edi Estermann bestätigt: «Die entsprechende Bestimmung in der Konzession erfolgte in Abstimmung mit der SRG.»
Mit der Abschaltung des Antennenfernsehens spart die SRG nach eigenen Angaben 10 Millionen Franken im Jahr. Das sind gerade mal 0,6 Prozent ihres jährlichen Betriebsaufwands. Er betrug letztes Jahr knapp 1,64 Milliarden Franken.
UKW muss weichen – trotz vielen Hörern
Umstellen müssen auch Radiohörer: Spätestens im Jahr 2024 soll nämlich der letzte UKW-Sender vom Netz gehen. Wer Radio trotzdem noch über die Luft empfangen will, muss sich dann ein DAB+-Gerät kaufen.
Haupttreiber der Umstellung auf DAB+ ist die Arbeitsgruppe Digitale Migration. Sie wurde von der SRG und privaten Radioveranstaltern gegründet. Auch das Bakom ist vertreten. Im Dezember 2014 legte die Gruppe ihren Fahrplan fest. Sie gab der Umstellung von UKW auf DAB+ zehn Jahre Zeit. Bakom-Sprecher Meier präzisiert aber: «Der Abschaltzeitpunkt für UKW wurde mit ‹spätestens› 2024 festgelegt. Das bedeutet, dass die Abschaltung auch früher stattfinden kann.» Genaueres soll Ende August bekannt gegeben werden.
In der Zwischenzeit preist die Radiobranche die angeblichen Errungenschaften von DAB+ an. Wer mit einem DAB+-Gerät Radio höre, profitiere von einem vielfältigen Programm, vorzüglicher Tonqualität und störungsfreiem Empfang, heisst es auf dem SRG-Portal Broadcast.ch. Doch der Branche geht es nicht primär um eine gute Empfangsqualität für die Hörer. So stand im Bericht der Arbeitsgruppe Digitale Migration Ende 2014: «Die Arbeitsgruppe ist überzeugt, dass der Umstieg auf Digitalradio insbesondere den Radioveranstaltern dient. Sie erhalten eine kostengünstige, energieeffiziente und für künftige Entwicklungen und Ansprüche geeignete Broadcasttechnologie.»
Begeisterungsstürme hat DAB+ bislang nicht ausgelöst. Das Publikum muss vielmehr für teures Geld dazu gebracht werden, DAB+ als Ersatz für UKW zu akzeptieren: Die zweijährige, vom Bakom im Februar 2017 lancierte Infokampagne «Radio zieht um auf DAB+» kostete rund vier Millionen Franken, finanziert von der Bevölkerung aus der Radio-und-TV-Abgabe. Für die Folgekampagne sind weitere 7,5 Millionen veranschlagt.
Der Erfolg hält sich in Grenzen: Gemäss einer Umfrage des Forschungsinstituts GfK im Herbst 2018 hörte die Bevölkerung 33 von 100 Radiominuten über DAB+ – eine Minute weniger als ein Jahr zuvor. UKW war mit 36 Minuten beliebter, aufs Internet entfielen 31 Minuten.
Kommentare zu diesem Artikel
Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar hinzuzufügen
Sind Sie bereits Abonnent, dann melden Sie sich bitte an.
Nichtabonnenten können sich kostenlos registrieren.
Besten Dank für Ihre Registration
Sie erhalten eine E-Mail mit einem Link zur Bestätigung Ihrer Registration.
wieder eine amtliche Katastrophe
Habe mir vorerst einen DAB Autoradio angeschafft. Aber das läuft leider nicht sehr gut. obschon es an der Hörqualität eigentlich nichts zu bemängeln gibt. In vielen Regionen funktioniert der DAB Empfang jedoch nicht wobei das beim Mobilfunk keine Probleme bietet. Es fehlt also an Sendeantennen und der Verbreitung von vernetzten multikulturellen Sendungen. DAB bewältigt heute vorerst Lokalübertragungen in bescheidenem Ausmass. Man will hier wieder eine unreife Sache verkaufen wie damals beim Fernsehen - auch da war es eine Schikane und ein unnotwendiger FLOP !! Es werden der Allgemeinheit private Interessen aufgezwungen mit Unterstützung von Bundesbern.
Absolut unverständlich
Unglaublich: Während andere Länder wie Deutschland den Empfang via DVB-T pushen, stellt die Schweiz diesen Dienst, der für viele \"Kunden\" die einzige Möglichkeit ist die schweizer Programme zu empfangen, ein. Dies sind notabene jenen Programme für die seit anfang Jahr Zwangsgebühren entrichtet werden müssen! Das ist Service Public vom feinsten.
Und wen DAB+ nicht geht
Dort wo ich lebe (Zentralschweiz) geht DAB+ nicht. Bei meiner Arbeit habe ich schon lange ein solches Radio, das ist im Flachland. Da funktioniert es gut. Nun wohne ich auf 700 Meter und habe absolut keinen Empfang. Generell ist der Empfang neben den Ballungszentren noch schlecht. Also zuerst verbessern und danach abschalten.