Über den Wolken ist die Fluggesellschaft frei
Es gibt ihn, den Kindersitz für Flugzeuge. Doch die Airlines sträuben sich gegen die Einführung - und delegieren die Sicherheit der jungen Gäste weiterhin an deren Eltern.
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K-Tipp 14/2005
07.09.2005
Otto Hostettler - otto.hostettler@ktipp.ch
Die Sicherheit der Passagiere, so beteuern alle Airlines, sei ihr oberstes Gebot. Doch was für Erwachsene selbstverständlich ist, bleibt für Kleinkinder ein frommer Wunsch. Sie sind mit den Gurten nur ungenügend gegen Turbulenzen während des Fluges oder gegen brüskes Bremsen auf der Start- und Landebahn gesichert.
Der TÜV Rheinland, der im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Verkehr die Problematik untersuchte, kam zum Schluss: «Die Sicherheit von Kindern in Flug...
Die Sicherheit der Passagiere, so beteuern alle Airlines, sei ihr oberstes Gebot. Doch was für Erwachsene selbstverständlich ist, bleibt für Kleinkinder ein frommer Wunsch. Sie sind mit den Gurten nur ungenügend gegen Turbulenzen während des Fluges oder gegen brüskes Bremsen auf der Start- und Landebahn gesichert.
Der TÜV Rheinland, der im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Verkehr die Problematik untersuchte, kam zum Schluss: «Die Sicherheit von Kindern in Flugzeugen kann durch die Verwendung von Kindersitzen verbessert werden.» Passiert ist trotzdem nichts: Bislang verwiesen die Fluggesellschaften darauf, dass es gar keinen Hersteller von Kindersitzen gebe, der die Anforderungen der Luftfahrt - etwa in Bezug auf Brennbarkeit - erfülle.
Doch dieses Argument zählt nun nicht mehr: Der Hamburger Flugzeug-Innenausstatter Innovint hat mit seinem «Sky-Kids» einen Sitz für Flugzeuge entwickelt und bietet diesen den Airlines an. Dieser Sitz wurde mit 16-facher Erdbeschleunigung getestet und das deutsche Luftfahrt-Bundesamt hat die Zulassung erteilt.
Schweizer Airlines nicht interessiert
Auch das schweizerische Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) stellte dem deutschen Produzenten für den Kindersitz einen «Letter of Acceptance» aus. Und weil Innovint inzwischen die brasilianische TAM als weltweit erste Fluggesellschaft beliefern kann, hat deren Flugzeughersteller Airbus den Kindersitz unter die Lupe genommen - und ebenfalls zugelassen.
Trotzdem wollen die Airlines von den Spezialkindersitzen nichts wissen. Bei den Schweizer Fluggesellschaften Belair, Edelweiss, Hello und Helvetic sind die neuen Kindersitze kein Thema. Nur gerade Swiss arbeitet eigenen Angaben zufolge an einem «Vorprojekt». Möglich, dass der hohe Stückpreis von 3000 Franken die Airlines bis anhin vom Kauf der Spezialsitze abschreckte. Allerdings müsste den Fluggesellschaften die Sicherheit der künftigen Kunden mehr wert sein.
Im Einsatz ist der Flugkindersitz erst in den Ambulanzjets der schweizerischen Rettungsflugwacht (Rega), bei der Lufttransportstaffel der britischen Royal Airforce sowie einigen Charterfirmen. Anders gesagt: Innovint blieb auf ihrem Kindersitz hocken. Mehr als 100 Stück wird der Hamburger Flugzeug-Innenausstatter dieses Jahr wohl nicht verkaufen, so die Auskunft von Geschäftsführer Manfred Gröning.
Immerhin - einige Fluggesellschaften thematisieren die Sicherheit der Kinder, andere reagieren sensibel, wenn sie auf die Sicherheit ihrer jüngsten Passagiere angesprochen werden: Seit Anfang August stellt British Airways für Langstreckenflüge 1000 Babysitze zur Verfügung. Dies wohl auch im Wissen darum, dass die 280 000 jährlich beförderten Kinder dereinst als erwachsene Kunden zurückkommen könnten.
Swiss stellt Eltern für ihre Säuglinge ebenfalls Babyschalen - sie werden an der Vorderwand aufgehängt - zur Verfügung. Paradoxerweise dürfen die Babyschalen aber ausgerechnet während Start und Landung nicht benutzt werden.
Eltern nehmen ihre Autokindersitze mit
Weil die Fluggesellschaften die Spezialkindersitze nicht anbieten, kommen immer mehr Eltern selbst für die Sicherheit ihrer Kinder auf - und bringen eigene Autokindersitze oder Babyschalen mit.
Diese Praxis wird von einigen Airlines auch toleriert. Darunter befinden sich Air Berlin, Edelweiss, Helvetic, Lufthansa und Swiss. Alle verweisen aber darauf, dass es keine Garantie dafür gebe, den Sitz mit an Bord nehmen zu können. Denn möglicherweise passt der Autokindersitz gar nicht auf den Flugzeugsessel. Einige Fluggesellschaften - unter anderem Air Berlin und Lufthansa - setzen voraus, dass die Autositze das TÜV-Label «For use in Aircraft» (= für den Gebrauch an Bord) tragen.
Flugtaugliche Autokindersitze
Folgende Autokindersitze wurden vom TÜV Rheinland für den Gebrauch im Flugzeug freigegeben («For use in aircraft»):
Babyschalen
- Maxi Cosi Citi/Mico Nachfolgemodell: Maxi Cosi Cabrio, Fr. 249.-
- Storchenmühle Maximum, Fr. 209.-
- Römer Baby Safe, Fr. 219.-
Kindersitze
- Römer King, Fr. 329.-
- Luftikid, ca. Fr. 230.- (nur bei www.luftikid.de)
Preise für alle Babyschalen und Sitze je nach Ausführung