Umstrittene Mammografie

1300 Frauen sterben in der Schweiz jährlich an Brustkrebs. Jetzt will der Kanton St. Gallen alle Frauen zur Mammografie bewegen. Der Nutzen ist aber höchst umstritten.

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K-Tipp 14/2009

29.08.2009

Letzte Aktualisierung:
02.09.2009

Wolfgang Wettstein, Daniel Jaggi

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Jede zehnte Frau erkrankt in ihrem Leben einmal an Brustkrebs. Pro Jahr erhalten 5000 Frauen in der Schweiz diese Diagnose. Brustkrebs ist bei älteren Frauen die häufigste Todesursache. In der Deutschschweiz müssen Frauen die Röntgenuntersuchung selber bezahlen. Grund: Anders als in den welschen Kantonen fehlt ein sogenanntes Screening-Programm. Damit wird die von den Krankenkassen geforderte Qualität der Mammografie-Vorsorge sichergestellt: Zugelassen sind nur Radiologen, die jährlich mehr als 5000 Beurteilungen vornehmen. Zudem muss ein zweiter Spezialist das Ergebnis überprüfen.

Als erster Deutschweizer Kanton startet St. Gallen noch dieses Jahr mit einem Screening-Programm. Frauen zwischen 50 und 69 Jahren können sich alle zwei Jahre untersuchen lassen. Die 180 Franken pro Röntgenuntersuchung zahlt die Krankenkasse. Gaudenz Bachmann, Leiter des kantonalen Amtes für Gesundheitsvorsorge, erhofft sich davon, dass im Kanton jährlich 6 bis 10 Todesfälle verhindert werden können. 25 Prozent aller Frauen, die an Brustkrebs sterben, könnten mit einem Screening gerettet werden. Das klingt dramatisch. Dennoch: Fachleute zweifeln am Nutzen von Mammografien. So nützt die Untersuchung nur 2 von 1000 Frauen, die während zehn Jahren regelmässig zur Untersuchung gehen. Statt 8 sterben 6 Frauen.

Erschreckend viele Fehldiagnosen

Gravierend hoch ist dagegen die Zahl der Fehldiagnosen. «Eine Studie in den USA zeigt, dass jede vierte Frau im gleichen Zeitraum mit einem falschen Krebsverdacht konfrontiert ist», erklärt Heiner Bucher, Leiter klinische Epidemiologie am Unispital in Basel. Bucher: «Ein solcher Befund ist traumatisierend und belastend für die Betroffenen.» Als Folge der Fehldiagnosen litten die Frauen unter Depressionen, Schlafstörungen und Partnerschaftsproblemen. Zudem werde bei mindestens 50 von 1000 Frauen unnötigerweise eine Gewebeprobe entnommen, 4 Frauen werde gar die Brust operiert. Zudem: Selbst ein guter Radiologe entdeckt nicht alle Tumoren – trotz bester Ausbildung und neuster Technik.

Der St. Galler Radiologe Peter Schmid bestreitet die Zahlen nicht, betont aber: «Es ist unsere Aufgabe, die Fehlerquote möglichst gering zu halten. Deshalb sind Sreening-Programme auch einer strengen Kontrolle unterstellt.» Die Fragwürdigkeit des Nutzens von Screening-Programmen ist vielen Frauen nicht bewusst. Laut einer neuen deutschen Studie versprechen sich 92 Prozent der Frauen zu viel von der Brustkrebsvorsorge.

Abtasten schützt nicht

Viele Ärztinnen und Ärzte raten ihren Patientinnen, die Brust einmal im Monat nach Knoten abzutasten Aber: Eine regelmässige Selbstuntersuchung trägt nicht dazu bei, dass weniger Frauen an Brustkrebs sterben. Dies ergab eine US-Studie bereits 2003. Untersucht wurden 266’000 Frauen.

Bis heute fehlen Beweise, dass eine Früherkennung die Überlebenschance verbessert. Beispiel: Eine 44-jährige Frau ertastet einen Knoten in der Brust. Diagnose: Krebs. Stirbt sie mit 50, hat sie sechs Jahre überlebt. Ohne Abtasten hätte sie die Diagnose vielleicht erst mit 47 Jahren erhalten. Das Abtasten hat ihre Leidenszeit also um drei Jahre verlängert. Ertastet werden Knoten erst ab 1 bis 1,5 cm. Bei dieser Grösse ist die Krankheit aber seit mehreren Jahren vorhanden. Entscheidend für ein Überleben ist deshalb nicht die Knotengrösse, sondern ob Metastasen gebildet wurden.

Bei Risikofaktoren sinnvoll

Eine Mammografie als Vorsorge ist sehr umstritten. In Absprache mit dem Arzt ist sie jedoch bei Frauen ab 40 Jahren mit folgenden Risikofaktoren sinnvoll:

Brustkrebs bei Mutter oder Schwester
Frauen mit Vorstufen von Brustkrebs oder mit Brustkrebs.

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