Es war nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Medien Alarm schlagen würden. Am 20. März war es so weit: «Schweizer Pensionskassen, was nun?», titelte das Internetportal Finews.ch. Der «Tages-Anzeiger» mahnte gleichentags, die Vermögen der Pensionskassen seien seit Jahresbeginn schon um zehn Prozent geschrumpft. Ein paar Tage später berichtete auch die NZZ von «massiven Kursverlusten bei Aktien und anderen Anlagen» in der zweiten Säule. Überschrift: «Pensionskassen erleiden ‹Corona-Schock›».
In allen Berichten kamen Vertreter von Beratungsfirmen der Pensionskassen ausführlich zu Wort. Sie prophezeiten anhaltende Wertverluste nicht nur für Aktien-, sondern auch für Obligationen- und Immobilienanlagen. Und sie orakelten, bis Ende Jahr könnten viele Kassen in starke Unterdeckung geraten.
Kassen: Kein akuter Handlungsbedarf
Was auffällt: Bei den Pensionskassen selber fragte niemand nach. Der K-Tipp holte dies nach. Er wollte von 25 grossen Kassen wissen: Rechnen sie damit, in naher Zukunft Wertpapiere verkaufen zu müssen, um genügend flüssige Mittel zu haben? Halten sie eine grundsätzliche Änderung ihrer Anlagestrategie für erforderlich? 22 der 25 Kassen beantworteten die Fragen – und keine einzige sieht akuten Handlungsbedarf.
So schreibt etwa die PKE Vorsorgestiftung Energie, man habe «im guten Anlagejahr 2019 eine bedeutende Wertschwankungsreserve aufbauen» können. Diese erlaube es jetzt, die Kursschwankungen an den Finanzmärkten aufzufangen. «Wir sind somit nicht gezwungen, Wertpapiere notfallmässig zu verkaufen», so die Vorsorgestiftung.
Ganz ähnlich argumentieren die anderen Kassen. Und fast alle erklären, an ihrer langfristigen Anlagestrategie mit Investitionen in Aktien, Obligationen, Immobilien und alternativen Anlagen festzuhalten.
Die Gelassenheit der Pensionskassen kommt nicht von ungefähr. Zwar sind ihre Anlagerenditen seit Jahresbeginn gesunken. Das zeigt der Blick auf den gebräuchlichen Vorsorgeindex BVG 2015-25 der Genfer Privatbank Pictet, der auf einem Aktienanteil von 25 Prozent beruht. Die Schweizer Pensionskassen haben im Durchschnitt 25 bis 30 Prozent ihres Vermögens in Aktien angelegt. Der Index BVG 2015-25 sank bis Ende März um knapp 7 Prozent.
Doch das Minus bereitet den Kassen keine grossen Bauchschmerzen. Denn der Rückgang an der Börse führte nur zu Buchverlusten auf dem Papier. Real Geld verlören die Kassen nur, wenn sie im dümmsten Moment Wertschriften zu tiefen Preisen verkaufen müssten. Das müssen sie aber nicht. Ihre Jahr für Jahr steigenden Vermögen erlauben es ihnen, die Aktien auf lange Sicht zu behalten. Steigende Börsenkurse werden ihre Papierverluste kompensieren.
Schwankungsreserven mehr als verdoppelt
Dazu kommt: Die Kassen können auf ein sehr erfolgreiches Anlagejahr 2019 zurückblicken. Das zeigt der jüngste «Pensionskassen-Monitor» von Swisscanto, einer Tochtergesellschaft der Zürcher Kantonalbank. Die meisten Kassen erzielten 2019 eine Rendite von über 10 Prozent. Ihre Wertschwankungsreserven konnten sie mehr als verdoppeln. Anfang 2020 beliefen sich diese Reserven demzufolge auf über 100 Milliarden Franken. Sie konnten den Kurssturz an den Börsen von Mitte Februar bis Mitte März für die Kassen gut abfedern.
Börsenentwicklung «nicht beängstigend»
Der Pensionskassenverband kam denn auch vor rund drei Wochen zum Schluss: «Für die einzelne Pensionskasse ist die Börsenentwicklung zwar unerfreulich, aber nicht beängstigend.»
Übrigens: Kurz vor Redaktionsschluss am vergangenen Freitag lag der wichtigste Schweizer Börsenindex SMI bereits wieder 12,7 Prozent oder 1045 Punkte über dem Stand vom 16. März.