Unfall? Bitte sofort melden!
Wer im Ausland einen Unfall hat, sollte sofort die Versicherung anrufen. Diese kann sonst ihre Leistungen kürzen oder ganz verweigern.
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K-Tipp 16/2003
01.10.2003
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Es geschah schon am zweiten Ferientag: Lisa Bächtiger wollte sich im Pool des Hotels Karamana in Marsa Alam (Ägypten) abkühlen, doch sie kam nicht bis ins Wasser. Weil an einer Treppenstufe der Kantenschutz fehlte, zog sie sich zwei tiefe Schnittwunden am rechten Fuss zu.
«Es war ein grosser Schock, alles war sehr hektisch», erzählt ihr Partner Roger Bärlocher. «Wir mussten einen Arzt finden und den Transport in die Klinik organisieren. Dort wurde der Fuss während eineinh...
Es geschah schon am zweiten Ferientag: Lisa Bächtiger wollte sich im Pool des Hotels Karamana in Marsa Alam (Ägypten) abkühlen, doch sie kam nicht bis ins Wasser. Weil an einer Treppenstufe der Kantenschutz fehlte, zog sie sich zwei tiefe Schnittwunden am rechten Fuss zu.
«Es war ein grosser Schock, alles war sehr hektisch», erzählt ihr Partner Roger Bärlocher. «Wir mussten einen Arzt finden und den Transport in die Klinik organisieren. Dort wurde der Fuss während eineinhalb Stunden mit 28 Stichen genäht.»
Für den Rest der Ferienwoche musste Bächtiger einmal pro Tag in die Klinik fahren, um den Verband zu wechseln. Die übrige Zeit verbrachte sie meist im Hotelzimmer. «Mit dem Unfall waren die Ferien vorbei», sagt die Frau aus Rüfenach AG.
Blieb noch die Rückreise. Damit Bächtiger den Fuss wie vom Arzt empfohlen auch auf dem Rückflug hochlagern konnte, buchte sie der örtliche Kuoni-Reiseleiter von der Economy-Klasse in die geräumigere Comfort-Klasse um. Zusatzkosten: 150 Franken. Nach der Rückkehr bat Bächtiger ihre Reisezwischenfall-Versicherung, den Betrag zu übernehmen.
Doch die Elvia schrieb ihr, sie habe «keinen Anspruch auf Leistung», weil sie den Unfall nicht sofort der Versicherungs-Alarmzentrale gemeldet habe. «So konnten wir nicht prüfen, ob der Klassenwechsel aus medizinischer Sicht notwendig war», sagt Marcel Wild, Leiter Leistungen und Technik. Dennoch übernahm die Elvia die 150 Franken - jedoch «freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht».
Das Beispiel zeigt: Ferienreisende sollten auch in der Hektik eines Unfalls nicht vergessen, die Reisezwischenfall-Versicherung unverzüglich zu informieren. Denn die Vertragsbedingungen sind gnadenlos. Wer die Meldepflicht verletzt, dem kann die Versicherung ihre Leistungen kürzen oder ganz verweigern.
Das gilt auch für eine allfällige Krankenkassen-Zusatzversicherung, die Leistungen im Ausland erbringt. Viele Reglemente verlangen, dass der Versicherte - ausser in Notfällen - nichts unternimmt, bevor er die Notfallnummer der Kasse angerufen hat. Nicht nötig ist ein solcher Anruf hingegen bei der Krankenkassen-Grundversicherung und bei der obligatorischen Unfallversicherung des Arbeitgebers.
«Wir hatten alles andere im Kopf»
Auch dort kann sich eine Kontaktaufnahme aber lohnen. Die Versicherungen können dank ihrer weltweiten Kontakte zum Beispiel einen Deutsch sprechenden Arzt vermitteln oder den Rücktransport in die Schweiz organisieren. Deshalb: Notfallnummern von Versicherungen gehören ins Reisegepäck.
Das Paar Bächtiger/Bärlocher hatte die Nummer der Elvia zwar dabei. «Aber nach dem Unfall hatten wir alles andere im Kopf, als die Versicherung anzurufen», erzählt Roger Bärlocher. Er fragt sich deshalb: «Hätte uns nicht der Reiseleiter, der uns sonst sehr gut betreut hat, darauf hinweisen sollen?»
In der Tat. «Das gehört zum Pflichtenheft unserer Reiseleiter», bestätigt Kuoni-Sprecherin Eve Baumann. Kuoni hat sich deshalb bemüht, für die enttäuschten Kunden ihrer Tochterfirma Reisen Netto eine Lösung zu finden. Und siehe da: Lisa Bächtiger und Roger Bärlocher dürfen die Ferien wiederholen - gratis. Kuoni zahlt den Flug, das Hotel die Unterkunft.
Umstrittene Haftung für entgangenen Feriengenuss
Erleidet ein Reisender wegen eines Fehlers des Hotels oder der Transportfirma einen Unfall, haftet der Reiseveranstalter. Dieser muss dann alle Kosten übernehmen, die dem Verunfallten entstehen. Dazu gehören auch Arzt- und Spitalkosten, die allerdings meist durch die Unfallversicherung gedeckt sind.
Offen ist, ob Reiseveranstalter auch für entgangenen Feriengenuss haften. Das Bundesgericht hat diese Frage im Jahr 1989 verneint; kantonale Gerichte haben teilweise anders entschieden. In der EU ist dieser so genannte «Frustrationsschaden» zu entschädigen.
Wer eine Körperverletzung erleidet, kann unter Umständen eine Genugtuung verlangen. Hauptkriterium ist laut Bundesgericht, ob der Verletzte dauerhaft beeinträchtigt ist. «Untere Instanzen sprechen aber oft auch ohne Dauerschaden Genugtuungssummen von 1000 bis 3000 Franken zu», erklärt der Luzerner Anwalt und Haftpflicht-Spezialist Bruno Häfliger.