Es passierte Anfang 2012: Der 37-jährige Sven Schott (Name geändert) aus Zürich wollte bei der Mittelstation Furgg in Zermatt VS die Bindung seines Snowboards öffnen. Er rutschte aus und geriet in eine Abschrankung. Das Netz kippte um, und Schott landete auf dem Trassee der Gondelbahn. Eine Gondel rammte ihn von hinten, die Bahn musste gestoppt werden. Schott trug starke Prellungen und Schürfungen davon, die erst nach mehreren Wochen heilten.
Gondelbenutzer waren nicht gefährdet
Der Vorfall sollte ihn aber noch jahrelang belasten. Denn: Die Zermatt Bergbahnen AG machte Strafanzeige gegen ihn wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs. Und verlangte rund 27 000 Franken Schadenersatz – unter anderem wegen Getränkegutscheinen für die knapp 200 blockierten Fahrgäste.
Für Schott war die Strafanzeige unverständlich: «Ursache des Unfalls war die mangelnde Pistensicherung – und trotzdem wurde gegen mich ermittelt.»
Zwei Jahre nach dem Vorfall erhob der Oberstaatsanwalt Anklage. Doch das Bezirksgericht Visp sprach Schott frei. Wegen Störung des öffentlichen Verkehrs mache sich höchstens strafbar, wer «Leib und Leben von Menschen in Gefahr» bringe. Das Bezirksgericht verneinte eine solche Gefährdung.
Denn die Bergbahn hält bei einem Notstopp nicht abrupt an, sondern läuft noch einige Meter aus. Eine Gefährdung der Gondelinsassen oder Dritter ist damit nicht verbunden. Das bestätigte der stellvertretende technische Leiter der Bahn.
Der Staatsanwalt und die Zermatt Bergbahnen AG als Privatklägerin akzeptierten das Gerichtsurteil nicht. Mehr als vier Jahre nach dem Unfall bestätigte aber das Kantonsgericht Wallis den Freispruch.
Kanton übernimmt Verfahrenskosten
Auch für den Kantonsrichter war die Gefährdung von Leib und Leben «offensichtlich» nicht gegeben: «Würde der Notstopp die Benutzer der Gondel – wie von der Staatsanwaltschaft behauptet – gefährden, so würden bei täglich einer Abschaltung im Laufe der Wintersaison mehrere Tausend Schneesportler gefährdet. Wäre dies der Fall, müsste der Betrieb der Gondelbahn umgehend eingestellt und ein Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der Privatklägerin eröffnet werden», heisst es wörtlich im Entscheid des Kantonsgerichts. Das Verfahren kostete die Steuerzahler etwa 15 000 Franken. Diese Kosten übernimmt laut Urteil vollumfänglich der Kanton Wallis.
Übrigens: Die Bahn hat die Unfallstelle nach dem Vorfall mit einem doppelt so hohen und fest verankerten Zaun abgesichert.