Ungenügend versichert
Forderungen von Geschädigten können in die Millionen gehen. Ist der Unfallverursacher ungenügend versichert, muss er aus dem eigenen Sack nachzahlen.
Inhalt
K-Tipp 19/2002
13.11.2002
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Das tragische Unglück geschah im August 1991. Barbara Steiner aus Ibach SZ stürzte mit dem Velo, schlug hart mit dem Kopf auf und verletzte sich dabei schwer.
Das damals 9-jährige Mädchen war mit der Schulklasse auf dem Weg ins Schwimmbad. Als zwei Mitschüler aus der korrekt fahrenden Velokolonne ausscherten und ein Wettrennen veranstalteten, liess sich Barbara anstecken und zog mit. So kam es zum fatalen Sturz.
Bleibende Schäden verschlingen Millionen...
Das tragische Unglück geschah im August 1991. Barbara Steiner aus Ibach SZ stürzte mit dem Velo, schlug hart mit dem Kopf auf und verletzte sich dabei schwer.
Das damals 9-jährige Mädchen war mit der Schulklasse auf dem Weg ins Schwimmbad. Als zwei Mitschüler aus der korrekt fahrenden Velokolonne ausscherten und ein Wettrennen veranstalteten, liess sich Barbara anstecken und zog mit. So kam es zum fatalen Sturz.
Bleibende Schäden verschlingen Millionen
Die zwei beteiligten Mitschüler beziehungsweise die mit der Velovignette abgeschlossene Haftpflichtversicherung müssen nun mit Forderungen in Millionenhöhe rechnen - obwohl das Opfer ein Stück weit mitschuldig ist.
Denn Barbara Steiners Anwalt David Husmann hat ihren Schaden genau berechnet - nicht nur die lebenslänglichen Betreuungskosten, sondern auch das, was sie in Zukunft nicht verdienen kann. Erwerbsschaden nennen das die Advokaten. Dazu kommen nicht gedeckte Arzt-, Spital- und Fahrtkosten, Spesen, Anwaltshonorar sowie Schmerzensgeld.
Der Fall geht ins Geld, weil die bleibenden Folgen fatal sind: Die erlittene Hirnverletzung hat die intellektuelle Leistungsfähigkeit schwer beeinträchtigt. Barbara Steiner wird nie mehr ein selbständiges Leben führen können, sie wird immer auf fremde Betreuung angewiesen sein. Arbeiten kann sie nur in einer geschützten Werkstätte.
Unter dem Strich kommt Anwalt Husmann auf eine Schadenersatzsumme von 10 Millionen Franken.
Klar ist: Der Deckungsumfang der obligatorischen Velovignetten genügt für einen solch teuren Fall bei weitem nicht. Er ist bei den meisten Vignetten auf eine Million begrenzt, in Einzelfällen sogar auf nur 500 000 Franken.
Zwar zahlt die Privathaftpflicht-Versicherung den Rest, falls die Vignettendeckung nicht ausreicht. Aber eine Privathaftpflicht-Versicherung ist freiwillig. Und auch deren Deckung ist beschränkt: Je nach Police liegt sie bei 2, 3 oder 5 Millionen.
Der Fall Steiner zeigt, dass auch diese Deckung ungenügend sein kann. Ein Schadenverursacher müsste für den Rest mit seinem persönlichen Einkommen und Vermögen geradestehen.
Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein fahrlässiger Skifahrer einen anderen umfährt und schwer schädigt. Handelt es sich beim Opfer um einen jungen, gut ausgebildeten Berufsmann mit Aussichten auf eine Managerkarriere, übersteigt die Schadenersatzforderung die Grenze von 5 Millionen mit grosser Wahrscheinlichkeit. Solche Fälle sind selten - aber nicht ausgeschlossen.
Damit sind die Versicherungsgesellschaften angesprochen. Sind sie bereit, den Kunden eine Haftpflichtdeckung anzubieten, die auch Extremfälle abdeckt?
Bei der Vignette ist der Trend klar: Policen mit einer Deckungssumme von nur 500 000 Franken werden immer seltener.
Die Mehrprämie ist minim. Die Mobiliar gibt an, sie erhöhe im Kanton Graubünden ab nächstem Jahr die Garantiesumme von einer halben auf eine Million. Dafür müsse der Kanton einen Aufpreis von 20 Rappen pro Vignette zahlen, wobei derzeit offen ist, ob der Kanton den Vignettenpreis entsprechend erhöht.
Die Allianz sieht noch mehr Handlungsbedarf: Eine Erhöhung bei der Vignette auf 3 oder 5 Millionen sei «sicher angezeigt». Mehrkosten: «Wenige Franken.» Die Allianz hat gemäss eigenen Angaben 3 bis 5 Fälle pro Jahr, in denen die Deckung der Vignette nicht genügt.
Die Winterthur hat übrigens im Rahmen einer vom Bundesamt für Strassen eingesetzten Arbeitsgruppe vorgeschlagen, die Garantiesumme auf 2 Millionen zu erhöhen.
Privathaftpflicht deckt meist nur 3 Millionen
Bei der Privathaftpflicht-Versicherung präsentiert sich die Situation folgendermassen:
- Bei den meisten Gesellschaften sind 3 Millionen versichert. Der Trend geht klar in Richtung 5 Millionen. Der Zuschlag beträgt im Schnitt 10 bis 20 Franken pro Jahr. Tipp: Eine solche Erhöhung ist jederzeit möglich, also auch während des laufenden Versicherungsjahres.
- Zürich und Allianz bieten jetzt schon standardmässig eine Garantiesumme von 10 Millionen an. Im Vergleich zur 5-Millionen-Variante beträgt der Aufpreis bei der Zürich unter 10 Franken, bei der Allianz 40 Franken.
Zurückhaltend geben sich hingegen die anderen der 8 vom K-Tipp befragten grossen Gesellschaften: Für sie ist die Erhöhung der Deckungssumme über 5 Millionen hinaus nicht angebracht.