Die Luftqualität ist weit unter dem, was noch gesund ist»: So kommentiert der Luftqualitätsexperte Michael Riediker vom Zentrum für Arbeits- und Umweltgesundheit in Winterthur ZH eine Auswertung des K-Tipp. Sie beruht auf Messungen des Bundesamts für Gesundheit. Es mass in 100 Schulzimmern den CO2-Gehalt, um sich ein Bild der Luftqualität in Schulen zu machen. Die Messungen fanden in den Heizperioden 2013/2014 und 2014/2015 in den Kantonen Bern, Graubünden sowie Waadt statt.
«Hygienisch inakzeptabel»
Das Bundesamt hielt die Messwerte und Namen der untersuchten Schulen unter Verschluss. Der K-Tipp verlangte per Öffentlichkeitsgesetz Einsicht. Eine Auswertung der Daten zeigt: In zwei Dritteln der untersuchten Schulklassen war die Luft während mehr als 10 Prozent der Unterrichtszeit «hygienisch inakzeptabel» – in zehn Klassen gar während der überwiegenden Unterrichtszeit. Der CO2-Gehalt stieg dort auf 4000 ppm oder noch höher – meist schon am Vormittag. Das Bundesamt stuft Werte über 2000 ppm als «inakzeptabel» und potenziell gesundheitsschädlich ein. Bei so schlechter Luft sinkt die Lernleistung der Kinder beträchtlich. Und sie können an Reizungen der Schleimhäute und anderen Beschwerden leiden. Dazu kommt: Auch Viren verbreiten sich bei schlechter Luft schneller.
Ein Extrem-Beispiel: In der Real-und Sekundarschule in Aarberg BE lüfteten die Lehrer an einem Tag erst gegen 11 Uhr zum ersten Mal. Bereits ab 8.30 Uhr war die Luft mit über 1000 ppm ungenügend. Ab 9 Uhr war sie «hygienisch inakzeptabel» und stieg bis 11 Uhr auf bedenkliche 4700 ppm, den höchsten in der Deutschschweiz gemessenen Wert (siehe Tabelle im PDF).
Gemäss Martin Heiniger, Leiter der Sekundarschule Aarberg, sind die Lehrer in der Zwischenzeit für das Thema sensibilisiert und alle Zimmer mit CO2-Messgeräten ausgestattet.
Auch an den Schulen Montalin in Chur, Stegmatt in Lyss BE und der Primarschule in Maienfeld GR wurden CO2-Werte über 4000 ppm gemessen. Doch nur in Lyss und Maienfeld sollen Lüftungen eingebaut werden. Experte Riediker kritisiert: «Bei solch skandalösen Werten braucht es Nachkontrollen. Die Gemeinden müssen beweisen, dass sie das Problem im Griff haben.»
Dem Bundesamt liegen die Resultate seit sieben Jahren vor. Die untersuchten Kantone erfuhren gemäss eigenen Angaben vom Bund nicht einmal, welche Schulen schlecht abgeschnitten haben. Bis heute haben die Behörden keine weiteren Messungen durchgeführt. Das Bundesamt sagt, es habe «keinen gesetzlichen Auftrag für die Überwachung der Raumluftqualität in der Schweiz». Sprich: Den Behörden ist das Wohlergehen der Kinder in stickigen Klassenzimmern egal.