Das US-amerikanische Militär setzte die Chemikalie 2,4-D im Krieg in Vietnam unter dem beschönigenden Begriff «Agent Orange» zum Entlauben des Dschungels ein. Fast 50 Jahre später verspritzen Schweizer Hobbygärtner das gleiche Gift, um Löwenzahn, Klee oder Hahnenfuss in ihren Gärten einzudämmen.
Eine K-Tipp-Stichprobe in Läden, Gartencentern und Internetshops zeigt: Viele der angebotenen Produkte zur Bekämpfung von Unkraut sind alles andere als harmlos. Sie enthalten neben 2,4-D häufig weitere Gifte wie Dicamba, MCPA, Mecoprop-P oder eine Kombination dieser Stoffe (siehe Tabelle im PDF).
Gifte sind eine Gefahr für die Gesundheit
Dem Gras können diese Pflanzengifte zwar nicht viel anhaben. Auf bestimmte Pflanzen, darunter viele unerwünschte Kräuter, wirken sie aber wie Pflanzenhormone und verhindern deren Wachstum. Das Gift schadet möglicherweise auch Menschen: Dicamba steht laut einer aktuellen Studie des National Cancer Institute in Maryland (USA) im Verdacht, Krebs in Leber und Gallengang auszulösen. Die Pflanzengifte Mecoprop, MCPA und 2,4-D stuft die Internationale Agentur für die Krebsforschung als «möglicherweise krebserregend» ein. Gemäss Warnhinweis auf der Verpackung sind viele Pflanzengifte zudem «giftig» oder «sehr giftig» für Wasserorganismen.
«Behörden prüfen Risiken zu langsam»
Der Chemiker und Umweltanwalt Hans Maurer sagt zu den Pflanzengiften in den Läden: «Viele Konsumenten verwenden die Produkte bedenkenlos, weil sie nicht fachkundig sind und die Risiken nicht verstehen.» Viele Stoffe seien schon lange auf dem Markt. «Die Risikoprüfung durch die Behörden hinkt der Realität hinterher», kritisiert Maurer.
Beispiel Mecoprop-P: Der Wirkstoff ist in insgesamt elf Produkten der Stichprobe enthalten. Eine aktuelle Studie des deutschen Umweltbundesamts belegt die schädliche Wirkung von Mecoprop-P auf grössere Wasserpflanzen, wie zum Beispiel das Tausendblatt. «Die Ergebnisse zeigen, dass die Wirkung von Mecoprop unterschätzt wurde», sagt Marion Junghans vom schweizerischen Oekotoxzentrum. «Wenn die Pflanzen aufgrund der Herbizide weniger wachsen können, verarmt der Lebensraum der Tiere», sagt Junghans.
Zwar ist es seit dem Jahr 2001 verboten, Unkrautvernichter auf versiegelten Flächen wie Strassen, Wegen, Terrassen oder Dächern zu verspritzen. Denn das Pflanzengift wird von dort leicht ausgewaschen und kann ungefiltert in die Gewässer gelangen. Aber: Viele Konsumenten kennen das Verbot nicht, wie eine Umfrage des Bundesamts für Umwelt im Jahr 2017 gezeigt hat. Oder das Verbot ist zwar bekannt, wird aber nicht befolgt. Deshalb will das Bundesamt für Umwelt Herbizide für Privatanwender ganz verbieten. Über eine Verschärfung entscheidet der Bundesrat voraussichtlich im Herbst.
Die Läden sagen gegenüber dem K-Tipp, die bei ihnen erhältlichen Unkrautvernichter seien in dieser Form zugelassen. Landi schreibt zudem: «Ausführliche Produktinformationen informieren die Kundschaft über den korrekten Einsatz.» Ähnlich äussert sich Galaxus: «Bis auf weiteres setzen wir auf die Eigenverantwortung unserer Kundinnen und Kunden.»
«Auf die Knie gehen und jäten»
Otmar Halfmann, Präsident des Schweizer Familiengärtnerverbandes, lehnt chemische Unkrautvertilger grundsätzlich ab: «Mit solchen Mitteln schwächt man auch natürlich ge-wachsene Gräser.» Es gehe ohne Pflanzengifte. «Doch wer glaubt, mit Rasen weniger Arbeit zu haben als mit anderen Kulturen, liegt verkehrt.» Denn Rasen seien keine natürliche Vegetation, sondern eine Art Kunstbotanik, die aufwendig zu pflegen sei. Gegen unerwünschte Kräuter hilft laut Halfmann nur eines: «Auf die Knie gehen und jäten!» Er rät zudem, im Frühling das Unkraut mehrmals mit einem feinen Messer mit der Wurzel zu entfernen.
Die Rasenpflege beginne schon bei der Auswahl der richtigen Sorten, sagt Halfmann. Er selber verwendete für den eigenen Rasen insgesamt 14 verschiedene Samensorten. Er empfiehlt, mehrere Samenmischungen auszuprobieren. So steigt die Chance, dass darunter Sorten sind, die mit der Bodenbeschaffenheit und der Sonnenbestrahlung gut zurechtkommen.
Vertikutieren tut dem Rasen gut
Weiterer Tipp für einen starken Rasen: Zweimal pro Jahr sollte man ihn vertikutieren – also die Grasnarbe anritzen, damit man Moos und Mulch beseitigen kann. Dazu empfiehlt es sich im Frühling, einen Wachstumsschub abzuwarten, um die Gräser nicht zu schwächen. Danach kann man auf offenen Stellen nachsäen (siehe dazu den Artikel «So spriesst der Rasen wie neu»). Und: Das Mähgut sollte man vom Rasen entfernen, da es Kräuter begünstigt.
Gärtnern ohne schädliche Chemie: Hier gibts Tipps
In folgenden Merkblättern und Broschüren finden Hobbygärtner wichtige Informationen und Tipps für die Gartenarbeit ohne giftige Stoffe.
Merkblatt «Was tu ich bloss mit ungeplantem Kraut?» Dieses Merkblatt des Bundesamts für Umwelt listet vorbeugende Massnahmen und Alternativen zum Herbizideinsatz kurz und allgemein verständlich auf. Die Empfehlungen lassen sich gratis herunterladen unter Bafu.admin.ch -> als Suchbegriff «Herbizideinsatz» eingeben -> Dokumente -> Merkblatt «10 vorbeugende Massnahmen und Alternativen zum Herbizideinsatz».
Broschüre «Familiengärten naturnah gepflegt»
Die Broschüre des Familiengärtnerverbandes gibt Praxistipps. Die gedruckte Ausgabe kostet 17 Franken, der Download ist gratis. Bestellung via Mail bei christian.rouiller@sfgv.clubdesk.com. Via Internet unter Familiengärtner.ch -> Dienstleistungen -> Dokumentationen -> Merkblätter.
«Positivliste»
Liste des Forschungsinstituts für biologischen Landbau mit Pflanzenschutzmitteln, die in biologischen Kleingärten eingesetzt werden dürfen. Zu finden unter Fibl.org -> Suchbegriff «Positivliste 2022».