Finde den falschen Buchstaben im Wort ‹Schuxe›». Oder: «Du gibst einem Kunden 5 Prozent Rabatt auf den Preis von 500 Franken. Berechne den neuen Preis.» Solche und andere Aufgaben finden sich im «Multicheck» für angehende Lehrlinge – hier für den Bereich Detailhandel/Service.
Bei diesem Test handelt es sich um eine Eignungsanalyse, die von vielen Firmen für die Bewerbung verlangt wird. Der Grund: Viele Betriebe erachten die Abschlusszeugnisse wegen der unterschiedlichen Schulsysteme als zu wenig aussagekräftig.
50 bis 100 Franken pro Test
Rund 30 000 Lehrstellensuchende müssen die Eignungsanalsyse jedes Jahr durchmachen. Je nach Berufszweig kostet der «Multicheck», der von der gleichnamigen Firma stammt, zwischen 50 und 100 Franken. Die Jugendlichen absolvieren den Test unter Aufsicht eines Multicheck-Mitarbeiters in einem von der Firma zur Verfügung gestellten Raum. Stossend: Die Jugendlichen müssen die Tests selber bezahlen. Das ist ein gutes Geschäft für die Multicheck AG in Bern: Die Firma macht laut eigenen Angaben einen Umsatz von 2,3 Millionen Franken pro Jahr.
Die Gewerkschaft Unia geht von einem jährlichen Gewinn der Multicheck AG von rund 2,1 Millionen Franken aus. Sie rechnet bei einem Test für 100 Franken mit rund 70 Franken Gewinn. Multicheck-Geschäftsführer Adrian Krebs dementiert: «Je nach Test verdienen wir zwischen Fr. 2.60 und 4.20. Zudem haben wir den Gewinn investiert – beispielsweise in das kostenlose interaktive Lehrstellenportal Gateway.»
Die Kosten für die Lehrlinge sind das eine. Doch sind die Eignungstests überhaupt aussagekräftig? Laut einer Masterarbeit lautet die Antwort: Nein. Verfasst wurde die Studie von Michael Siegenthaler an der Forschungsstelle für Bildungsökonomie an der Uni Bern. Er hat die Daten von 334 Jugendlichen ausgewertet, die eine Lehre als Verkäufer absolvieren. Siegenthaler kommt zu vier Schlussfolgerungen:
- Der Test ist unnötig: Die Resultate gehen nicht über das hinaus, was bereits aus den Schulnoten ablesbar ist.
- Der Test ermöglicht keine Prognose, wie gut sich ein Lehrling in der Berufsschule bewährt.
- Der Test gibt keine Anhaltspunkte darüber, wie hoch die Wahrscheinlichkeit unentschuldigter Berufsschulabsenzen ist. Hintergrund: Viele Lehrlingsbetreuer beklagen sich über zahlreiche Absenzen.
- Gute oder schlechte Testergebnisse haben keinen Einfluss auf einen möglichen Lehrabbruch.
Siegenthalers Schlussfolgerungen: «Es scheint, als ob der Multicheck die relevanten schulischen und kognitiven Fähigkeiten nicht oder nur fehlerhaft misst.»
Adrian Krebs kritisiert: «Durch die geringe Anzahl Stichproben ist der Erkenntnisgewinn für uns eher bescheiden.»
Das sieht man bei der Genossenschaft Migros Aare anders: Sie verzichtet seit 2011 auf die bis dahin obligatorischen Eignungsanalysen. Die Migros bemängelt, dass der «Multicheck» die Berufseignung nicht zu messen vermöge. «Jetzt rücken wir die Persönlichkeit des Lernenden während einer fünftägigen Schnupperlehre in den Vordergrund – und bewerten ihn nicht über eine einmalige Prüfungssituation», sagt Mediensprecherin Andrea Bauer.
Tests bereits fürs Schnuppern
Einige Firmen verlangen bereits fürs Schnuppern Multicheck-Eignungsanalysen. Daniel Reumiller, Leiter der Be- rufsberatung des Kantons Bern, sagt dazu: «Das schreckt wegen der Kosten eher vom Schnuppern ab.» Und: Es werde eine weitere Hürde zum falschen Zeitpunkt eingebaut. Schnuppern sei für den Prozess der Berufswahl ein wichtiges Element und helfe Lehrabbrüche verhindern.