Schummeleien am Telefon
Jedermann weiss: Die Prämien für die Krankenkasse dürften nächstes Jahr massiv teurer werden. Doch Sascha Kaiser aus Röschenz BL bekam am Telefon von einer Groupe-Mutuel-Mitarbeiterin zu hören, einzig die Kassen der Groupe Mutuel müssten ihre Prämien für 2010 nicht erhöhen. Ob man einen Versicherungsberater vorbeischicken dürfe. Das sei «unglücklich formuliert» gewesen und habe deshalb zu einem Missverständnis geführt, sagt die Groupe Mutuel dazu.
Richtig ist: Die Groupe Mutuel gibt tatsächlich eine Prämiengarantie für nächstes Jahr – aber nur, wenn Kunden jetzt schon die Grundversicherung zusammen mit einem Paket aus Zusatzversicherungen abschliessen. Sollte die Grundversicherung dann teuer werden als erwartet – die Prämien sind noch nicht bekannt –, kompensiert das die Groupe Mutuel mit einem Rabatt auf den Zusatzversicherungen.
Tipp: Das ist nur einer der Tricks der Krankenkassen, um Neukunden zum Kauf von freiwilligen Zusatzversicherungen zu bewegen. Diese sind jedoch selten absolut notwendig. Prüfen Sie deshalb genau, ob Sie Zusatzversicherungen überhaupt brauchen. Bei der Groupe Mutuel kommt als Nachteil noch dazu, dass man sich bei den Zusatzversicherungen meist für fünf Jahre bindet.
Zudem: Wer gesundheitlich angeschlagen ist, kann Zusatzversicherungen nicht zu einer anderen Kasse wechseln. Damit ist auch die Prämiengarantie der Groupe Mutuel ein zweifelhaftes Angebot im Bestreben, möglichst Gesunde anzuziehen, die keine Kosten verursachen.
Krasse Beratungsfehler
Luzia Lobefaro aus Kloten ZH hatte es mit einem Groupe-Mutuel-Verkäufer zu tun. Er kündigte ihre Spital-Zusatzversicherung bei der Sanitas, obwohl die Aufnahme bei der Groupe Mutuel noch nicht bestätigt war. Prompt kam sie dort nur mit einem Gesundheitsvorbehalt unter. Und eine Wiederaufnahme bei der Sanitas wäre für sie sehr teuer geworden. Die Sanitas kennt weitere ähnliche Fälle.
Tipp: Unterschreiben Sie keine Blanko-Kündigungsformulare. Und kündigen Sie immer selber. Es ist falsch, für diesen wichtigen Schritt einen Vermittler zu beauftragen. Und noch wichtiger: Kündigen Sie Zusatzversicherungen erst, wenn Sie die schriftliche Bestätigung haben, dass Sie von der neuen Kasse ohne Vorbehalt aufgenommen werden.
Typisch in diesem Fall ist auch: Der freie Groupe-Mutuel-Vermittler war von der Firma Sales & Cooperation AG, die es heute nicht mehr gibt. Bei den Vermittlern herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, weil viele meinen, sie könnten mit Krankenkassenverkäufen das schnelle Geld machen.
Schwindeleien am Telefon
Grosse Vermittler-Organisationen beschäftigen Telefon-Agenten: Diese rufen den ganzen Tag lang wahllos Leute an, um ihnen einen Termin mit einem Vermittler schmackhaft zu machen. Dabei geben sie vor, eine neutrale Beratung anzubieten, und locken mit Prämiensparmöglichkeiten und vorteilhaften Vereinsmitgliedschaften oder Kollektivversicherungen.
Es kommen aber reine Verkäufer ins Haus, die oft nur die Krankenkassen der Groupe Mutuel im Angebot haben, weil diese die höchsten Provisionen zahlt. Solche Vermittlerorganisationen nennen sich hochtrabend «Verband schweizerischer Versicherungsnehmer und Versicherungsmakler», «Informations-Zentrum Schweizer Krankenkassen», «Versicherungs-Forum Schweiz» oder «Beraterzentrum». Besonders dreiste Agenten behaupten am Telefon, sie seien vom Internet-Vergleichsdienst Comparis.ch und würden gerne einen Berater vorbeischicken. Comparis macht aber keine solchen Anrufe.
Tipp: Seien Sie skeptisch, wenn Sie von unbekannten Organisationen kontaktiert werden. Typisch ist auch, dass von Nummern angerufen wird, die im Telefonverzeichnis nicht zu finden sind. Sie machen keinen Fehler, wenn Sie solche Vertreterbesuche ablehnen.
Keine saubere Identifizierung
Jeder Vermittler – ob freischaffend oder bei einer Krankenkasse angestellt – muss beim ersten Kundenkontakt ein Informationsblatt abgeben; so will es das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in Artikel 45. Das Blatt muss die Adresse des Vermittlers enthalten und aufführen, welche Kassen er vermittelt.
Tipp: Wenn Ihnen der Vermittler kein solches Blatt abgeben kann (was sehr oft passiert), sollten Sie ihn gleich wieder vor die Türe stellen. Noch besser: Lassen Sie sich das Blatt im Voraus zufaxen oder zusenden. Legen Sie es dann zu Ihren Akten.
Reine Provisionsgier
Die meisten freien Vermittler vermitteln nur diejenigen Kassen, die ihnen am meisten Provisionen zahlen. So kommt es, dass ein Vermittler ein Jahr lang die Kasse x als «die beste» verkauft, ein Jahr später ist Kasse y Trumpf. Wie zum Beispiel bei der Insuras GmbH aus Wettingen AG. Nachdem sie intensiv CSS-Versicherungen vermittelt hatte und nicht alles reibungslos ablief, setzt sie nun auf Visana-Kassen. Die Insuras hat keine Stellungnahme abgegeben.
Und die Vermittler sind nur an gesunden Kunden interessiert, denen sie auch Zusatzversicherungen verkaufen können. Deshalb bekam Peter Pfister aus Biel von einem Groupe-Mutuel-Verkäufer zu hören, er sei «leider kein interessantes Mitglied» für die Groupe Mutuel. Pfister ist 64-jährig und muss wegen zu hohen Blutdrucks Medikamente nehmen. Die Groupe Mutuel hat sich dafür bei Peter Pfister entschuldigt.
Tipp: Vermittler-Angebote sind immer mit Vorsicht zu geniessen und nicht immer im Sinne des Kunden. Bedenken Sie auch: Die Krankenkassen zahlen den freien Vermittlern jedes Jahr hohe Millionenbeträge mit Prämiengeldern, um sich gegenseitig Kundinnen und Kunden abzujagen. Helfen Sie den Kassen beim Sparen, wenn Sie diesen Leerlauf nicht mitmachen und keine Verkäufer ins Haus lassen.
Inkompetente Vermittler
Sévérine Wyss hatte es mit einem Verkäufer der Atupri-Krankenkasse zu tun, der nicht einmal den Begriff HMO (Sparmodell in der Grundversicherung) erklären konnte. Die Atupri sagt, er habe eine «mehrstündige Produkteschulung» abgeschlossen. Barbara Hübscher aus Weinfelden TG lernte einen Groupe-Mutuel-Vertreter kennen, den sie als «unverschämt, inkompetent, unprofessionell und respektlos» in Erinnerung hat. Die Begegnung sei «reine Zeitverschwendung» gewesen.
Eine Familie aus Schwerzenbach ZH hatte einen ahnungslosen portugiesischen Groupe-Mutuel-Vertreter zu Besuch, der ständig seinen «Chef Max» per Handy anrufen musste, wenn der gut vorbereitete Familienvater eine konkrete Frage hatte.
Tipp: Die Krankenkassen betonen immer wieder, wie sehr ihnen die Qualität und Kompetenz der freien Vermittler am Herzen liegt. Das ist reine Augenwischerei.