Velos werden zur Mangelware» und «Bald gehen der Schweiz die Velos aus»: So titelten «NZZ am Sonntag» und «20 Minuten» Anfang Februar. Die Velobranche nennt verschiedene Gründe für die Verknappung: Zum einen sei die Nachfrage wegen der Corona-Pandemie gestiegen. Zum anderen gebe es Lieferengpässe für Velos aus China und Taiwan.
Tatsache ist: Wer in den Internet-Shops stöbert, findet zwar verschiedene Velos, die als «nicht lieferbar» oder «ausverkauft» bezeichnet werden. Doch auch in den vergangenen Jahren gab es immer wieder einzelne Modelle, die kurz nach Saisonbeginn ausverkauft waren. Eine Stichprobe des K-Tipp Anfang März beim Internet-Händler Bikester.ch zeigt, dass Kunden zurzeit aus fast 1500 verschiedenen Modellen wählen können. Bei der Migros-Kette Bikeworld waren rund 230 unterschiedliche Varianten im Angebot, und beim E-Bike-Spezialisten M-way rund 70 verschiedene Velos. Die Läden waren ebenfalls voll – ob Fachgeschäfte wie Velocorner in Zug, Cubestore in Chur, Baumärkte wie Jumbo und Coop Bau+Hobby oder Velodiscounter-Läden von Velomaerkte.ch. Das zeigten Besuche vor Ort und telefonische Abklärungen.
Identische Velos, teils saftige Aufpreise
Von einem Mangel an Velos kann also keine Rede sein. Was aber auffällt: Viele Preise sind im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Das zeigt ein K-Tipp-Vergleich von Preislisten und Katalogen für die vergangene und die aktuelle Saison. Resultat: Viele aktuelle Modelle sind mehrere Hundert Franken teurer, ohne dass es in Ausstattung oder Konstruktion wesentliche Änderungen gab. Einige Beispiele:
Mountainbike Rockhopper Comp 2x von Specialized: Die beiden Modelle von 2020 und 2021 haben gleiche oder ähnliche Komponenten. Der Unterschied liegt beim Preis: Das aktuelle Modell kostet 849 Franken, das Vorjahresmodell nur 799 Franken.
Rennvelo Terra H30 1X von Orbea: Fast gleich ausgestattet sind auch hier die Modelle von 2020 und 2021. Unterschiede beim Preis gibts aber sehr wohl. Waren es vergangenes Jahr noch 2099 Franken, sind es aktuell 2199 Franken.
Noch um einiges grösser sind die Preisunterschiede bei teureren Velos:
Mountainbike Oiz M-LTD von Orbea: Das aktuelle Top-Modell ist identisch mit dem Velo der vergangenen Saison – bis auf die preislich nicht ins Gewicht fallenden Reifen und die Farbe. Doch der Preis stieg auf den Frühling hin um 500 Franken – von 8999 auf 9499 Franken.
City-Elektrobike Turbo Como 4.0 von Specialized: Das aktuelle Modell ist im Vergleich zum letztjährigen weder in seiner Konstruktion noch in seiner Ausstattung verändert. Alle wichtigen Teile wie Rahmen, Motor und Akku sind gemäss Beschrieb identisch. Das aktuelle Modell kostet aber neu 300 Franken mehr – 3899 statt 3599 Franken.
Elektro-Pendlervelo Lhasa E R750i von Centurion: Motor, Batterie und Display – das neue Modell hat die gleichen Ausstattungsteile wie das alte. Aber der Preis stieg um 200 Franken – von 4599 auf 4799 Franken.
Specialized gibt zu, die Preise wegen des gegenwärtigen Velobooms und gestiegener Lieferkosten generell um 7,5 Prozent erhöht zu haben. Die Importeure von Centurion und Orbea-Bikes machen ebenfalls gestiegene Lieferkosten aus Asien für den Preisanstieg verantwortlich. Orbea erhöhte die Preise für dieses Jahr Mitte Februar im Durchschnitt um rund 5 Prozent.
Andere Hersteller heben Preise nicht an
Dass es auch anders geht, zeigt der deutsche Hersteller Stevens mit Sitz in Hamburg: Ob Mountainbikes, City- oder Kindervelos – die meisten Preise sanken auf diese Saison. Beim neuen Rennvelo Izoard Pro Disc sind die wichtigsten Ausstattungsteile wie Laufräder, Bremsen oder Schaltgruppe gleich. Es kostet jedoch 200 Franken weniger als das Vorgängermodell – 2799 statt 2999 Franken.
Auch bei der österreichischen Marke KTM gibt es Velos, deren Preise kaum gestiegen sind. Die Firma Tour de Suisse mit Sitz in Kreuzlingen, die Stevens-Velos in die Schweiz importiert, schreibt dem K-Tipp: «Unsere Velos werden grösstenteils in der EU produziert. Dies und der günstige Euro-Franken-Wechselkurs führten dazu, dass wir die diesjährigen Preise für die Kundschaft senken konnten.»
So sparen Sie beim Velokauf viel Geld
Nach Vorjahresmodellen fragen: Oft unterscheiden sich diese von aktuellen Velos der gleichen Marke und des gleichen Typs nur in Details. Sie sind aber deutlich günstiger.
Weniger bekannte Hersteller berücksichtigen: Velos von kleineren Produzenten wie zum Beispiel Commencal und Stevens schneiden in den Praxistests der Fachzeitschriften oft gut bis sehr gut ab. Sie haben auch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Velos aus dem Direktvertrieb kaufen: Deutsche Velofirmen wie Canyon, Radon und YT verkaufen ihre Produkte im Internet. Der Direktvertrieb erlaubt ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Nachteil: Solche Velos eignen sich in erster Linie für Kunden, die keine Beratung brauchen. Und sie setzen ein gewisses handwerkliches Geschick beim Zusammensetzen voraus.
E-Bikes: Verkäufer verschweigen Gewicht
Das Gewicht von E-Bikes ist sehr unterschiedlich: Sie wiegen zwischen 17 und rund 30 Kilogramm. Das bemerkt man spätestens dann, wenn man das Elektrovelo in den Zug oder auf den Autoträger hieven muss. Die meisten Velofahrer bevorzugen deshalb ein leichtes E-Bike. Doch eine Stichprobe des K-Tipp zeigt: Bei der Mehrheit der Velos fehlen in den Läden Angaben zum Gewicht. Bei Ochsner Sport an der Europaallee in Zürich war es bei 5 von rund 50 E-Bikes angeschrieben, bei M-Way an der Zollstrasse in Zürich nur bei 8 von rund 100 Modellen. Im Jumbo in Dietlikon ZH fehlte bei allen der rund 20 ausgestellten Elektrovelos eine Gewichtsangabe. Es geht aber auch anders: Bei Veloplus in Winterthur ZH waren alle E-Bikes korrekt angeschrieben. Bei Bike World von SportXX (Migros) in Winterthur war dies immerhin bei 85 von rund 100 Modellen der Fall.
Bei Ochsner Sport begründeten die Verantwortlichen die mangelnde Transparenz damit, dass man noch auf die Gewichtsangaben der Hersteller warte. Bike World erklärte, die Angaben der Herstellter seien irreführend. Die einen würden den Motor und den Akku bei der Gewichtsangabe einbeziehen, andere nicht. Ein Mitarbeiter von Jumbo meinte zum K-Tipp, das Gewicht sei «nicht wichtig». Dem widersprach die Medienstelle und kündigte an, künftig das Gewicht der E-Bikes in den Läden zu deklarieren.
Auf der Website von Jumbo lassen sich bereits jetzt alle technischen Details der Velos abrufen, inklusive Gewicht. Auch bei den anderen Firmen sind die Angaben im Internet vorhanden, allerdings nicht bei allen Modellen.
Tipp: Velo vor dem Kauf im Laden wägen lassen.