Konkurrenz unter den Läden schützt die Konsumenten vor zu hohen Preisen. Deshalb sollte die Wettbewerbskommission (Weko) eigentlich von der Fair-Preis-Initiative begeistert sein. Das Volksbegehren will dafür sorgen, dass Schweizer Unternehmen Produkte bei ausländischen Herstellern und Importeuren zu gleichen Preisen wie die Firmen im Ausland einkaufen können (K-Tipp 19/2016). Das soll Wettbewerbsnachteile für Schweizer Betriebe beseitigen. Und es soll den Schweiz-Zuschlag auf Importgütern zum Verschwinden bringen.
Trotzdem wird die Fair-Preis-Initiative von der Weko nicht begrüsst. Das Volksbegehren schaffe zu hohe Erwartungen, welche die Weko nicht erfüllen könne, hielt Präsident Vincent Martenet jüngst fest.
Die Zurückhaltung der Weko im Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz ist nicht überraschend. Denn in der Behörde sitzen Vertreter mehrerer Wirtschaftsverbände, die an tieferen Preisen wenig bis gar nicht interessiert sind. Aktuell sind dies Rudolf Minsch vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, Henrique Schneider vom Gewerbeverband, Martin Rufer vom Bauernverband und Daniel Lampart vom Gewerkschaftsbund.
«Interessenvertreter wollten ihre Pöstchen»
2014 scheiterte im Nationalrat eine Kartellgesetzrevision. Es war u.a. vorgesehen, dass die Verbandsvertreter aus der Weko ausscheiden. Sie sollte in ein unabhängiges Kartellgericht oder in ein professionelles Expertengremium umgewandelt werden. Bundesrat Johann Schneider-Ammann setzte sich für die Reform der Weko ein: «Die Glaubwürdigkeit leidet, wenn in einer unabhängigen Behörde, die Bussen in Millionenhöhe sprechen kann, mehrere Verbandsvertreter Einsitz nehmen können.» Es nützte nichts. Ex-Preisüberwacher Rudolf Strahm weiss warum: «Die Interessenvertreter der Wirtschaftsverbände wollten ihre Weko-Pöstchen nicht räumen.»
Konfrontiert mit Zweifeln an der Unabhängigkeit, hält der stellvertretende Direktor Patrik Ducrey fest: «Die Weko versteht sich und entscheidet als unabhängige Behörde gemäss dem Kartellgesetz.»
Überrissene Preise: Die Bundeskasse profitiert
15 bis 20 Milliarden Franken: Auf diese riesige Summe beläuft sich der Schweiz-Zuschlag, den ausländische Hersteller und Importeure mittels überhöhter Preise jährlich einkassieren.
Aber auch der Bund profitiert – dank der Mehrwertsteuer: Deren Satz beträgt für gewisse Güter des täglichen Bedarfs 2,5 Prozent, für die meisten Waren aber 8 Prozent. Die Einnahmen aus dem Schweiz-Zuschlag könnten für die Bundeskasse über eine Milliarde Franken pro Jahr betragen.
«Es ist richtig, dass der Bund mit der Mehrwertsteuer wegen der Hochpreisimporte mehr verdient», bestätigt der Ökonom Rudolf Strahm. Davon müsse man aber die Ausfälle abziehen, die der Einkaufstourismus durch die unverzollten Importe verursache. Im privaten Grenzverkehr können Waren bis zu einer Wertgrenze von 300 Franken pro Person zoll- und mehrwertsteuerfrei in die Schweiz gebracht werden.
Wie hoch diese Ausfälle sind, weiss die Zollverwaltung nicht. Doch geht man zum Beispiel davon aus, dass die Hälfte der Privatimporte mehrwertsteuerfrei in die Schweiz kommt, dann betrugen die Ausfälle im Jahr 2015 maximal 440 Millionen Franken – und damit wohl deutlich weniger als die Mehrwertsteuereinnahmen aus dem Schweiz-Zuschlag.
Trotzdem heisst es bei der eidgenössischen Steuerverwaltung, der Bund profitiere «höchstens marginal». Denn wegen des Schweiz-Zuschlags auf Importwaren könnten die Konsumenten in der Schweiz weniger andere Güter kaufen. Den höheren Mehrwertsteuereinnahmen bei Importprodukten stünden daher tiefere Einnahmen bei anderen Gütern gegenüber.