Die Zürcherin Amany Salah (Name geändert) erhielt im Mai 2016 unerwartet ein Schreiben von Intrum (früher «Intrum Justitia»). Die Inkassofirma verlangte von ihr rund 3000 Franken für einen alten Verlustschein, den Intrum von der Inkassofirma Credita AG übernommen hatte. Ein Verlustschein bescheinigt, dass ein Gläubiger in einem Betreibungs- oder Konkursverfahren nur einen Teil seiner Forderung oder gar nichts erhalten hat.
Der Verlustschein der Zürcherin war 1990 ausgestellt worden. Damals war die gebürtige Ägypterin von der Credita AG im Auftrag der Firma Aral betrieben worden. Wie es dazu kam, weiss die 68-Jährige heute nicht mehr. Sie war damals alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern, sprach kaum Deutsch und lebte von der Sozialhilfe. Rechtsvorschlag erhob Salah nicht – deshalb lief die Betreibung weiter.
Nachdem Salah das Schreiben von Intrum bekommen hatte, fragte ihre Tochter bei Intrum nach Belegen für die Forderung. Auskunft erhielt sie nicht – Intrum antwortete im Oktober 2016 mit einer Betreibung. Die Tochter stoppte diese mit einem Rechtsvorschlag. Gestützt auf den Verlustschein, verlangte Intrum ein Jahr später vor dem Bezirksgericht Zürich die Beseitigung des Rechtsvorschlags – und bekam Recht. Denn in diesem sogenannten Rechtsöffnungsverfahren muss der Richter nur kontrollieren, ob der Gläubiger einen gültigen Verlustschein vorlegen kann.
In der Zwischenzeit hatte Salahs Tochter den Rechtsanwalt Reto Sutter eingeschaltet. Er klagte im November 2017 vor dem Bezirksgericht Zürich auf Aberkennung der Forderung. Die Inkassofirma müsse die Forderung darlegen und beweisen. Intrum konnte aber weiterhin nur den Verlustschein als einziges Beweismittel vorlegen. Das genügt nicht, urteilte das Gericht. Der Gläubiger müsse mehr vorlegen, um seine Forderung zu beweisen. Also hiess das Gericht im April dieses Jahres die Klage gut. Die Inkassofirma akzeptierte das Urteil. Salah musste die 3000 Franken nicht bezahlen.
Intrum sagt dazu: «Ein Verlustschein ist ein Indiz dafür, dass eine Forderung besteht.» Daher habe man entschieden, den Fall durch das Gericht beurteilen zu lassen.
So gehen Sie bei Verlustscheinen vor
Verlustschein prüfen: Fordert eine Inkassofirma von Ihnen die Bezahlung eines Verlustscheins, schulden Sie nur den im Schuldschein aufgeführten Totalbetrag. Zusätzliche Zinsen oder ein Verzugsschaden sind nicht zulässig. Verlustscheine verjähren nach 20 Jahren – ausser die Frist wurde zum Beispiel mit einer Betreibung unterbrochen.
Auskunftsgesuch: Das Inkassobüro muss den Verlustschein mit weiteren Unterlagen belegen. Verlangen Sie schriftlich Einsicht in alle betreffenden Akten. Dieses Recht steht Ihnen gemäss Datenschutzgesetz zu.
Verhandeln: Weist das Inkassobüro Unterlagen vor, können Sie ihm vorschlagen, einen Teil der Forderung zurückzuzahlen. Das funktioniert in der Regel, wenn der Verlustschein sehr alt ist und Sie gleich eine bestimmte Summe bezahlen können. Wichtig: Die Inkassofirma muss die Zahlung quittieren und den Verlustschein herausgeben.
Keine Unterlagen: Kann die Inkassofirma keine Unterlagen vorweisen, teilen Sie ihr schriftlich mit, dass der Verlustschein als einziges Beweismittel nicht genüge. Schreiben Sie auch, dass Sie sich gegen eine Betreibung mit einer Aberkennungsklage wehren würden.
Rechtsvorschlag und Aberkennungsklage: Falls das Inkassobüro Sie betreibt, stoppen Sie die Betreibung mit einem Rechtsvorschlag. Anschliessend kann die Inkassofirma provisorische Rechtsöffnung verlangen. Diese gewährt das Gericht in der Regel. Danach haben Sie 20 Tage Zeit, um eine sogenannte Aberkennungsklage beim Gericht an Ihrem Wohnsitz einzureichen. Dabei prüft das Gericht, ob die Forderung tatsächlich besteht. Die Gerichtskosten müssen Sie vorschiessen. Lassen Sie sich vorher von einem Anwalt beraten. Oder wenden Sie sich an die Rechtsberatung des K-Tipp (Tel. 044 253 83 83).