Die Prämien für die Grundversicherung steigen im kommenden Jahr um durchschnittlich 6,6 Prozent. Bundesrat Alain Berset rechtfertigte den Prämiensprung an der Pressekonferenz Ende September so: «Nun zeigt sich, dass die im letzten Jahr gezahlten Krankenkassenprämien nicht kostendeckend waren. Ein Nachholprozess 2023 ist zwingend erforderlich.»
Mehr Einnahmen als Ausgaben
Allerdings: Die Aussage des Gesundheitsministers ist nicht korrekt. Denn die Kassen nahmen im Jahr 2021 in der Grundversicherung mehr Prämien ein, als sie für Behandlungen ausgaben. Das zeigt ein Blick in die Statistiken des Bundesamts für Gesundheit.
Demnach beliefen sich die durch die Krankenkassen finanzierten medizinischen Leistungen im letzten Jahr auf 3627 Franken pro Versicherten. Im gleichen Jahr nahmen die Kassen pro versicherte Person aber 3788 Franken an Prämien ein. Jeder Versicherte zahlte letztes Jahr also 161 Franken mehr, als die Kassen ausgaben. Insgesamt nahmen die Versicherungen 32,8 Milliarden Franken an Prämien ein, für medizinische Leistungen zahlten sie nur 31,4 Milliarden Franken. Daraus resultiert ein Überschuss von 1,4 Milliarden Franken.
In dieser Rechnung nicht berücksichtigt sind die Verwaltungskosten der knapp 60 Krankenkassen. Sie betrugen 2021 rund 1,7 Milliarden Franken. Unter dem Strich fehlten also 300 Millionen Prämienfranken.
Prämien müssten nur um 0,8 Prozent steigen
Um diesen Fehlbetrag auszugleichen, bräuchte es eine Prämienerhöhung von nur 0,8 Prozent – und nicht von 6,6 Prozent.
Die Krankenkassen hatten aber 2021 noch weitere Einnahmen – zum Beispiel Kapitalerträge aus den Reserven. Dank ihnen schrieben die Krankenkassen im Geschäft mit den Grundversicherungen schwarze Zahlen: Sie nahmen insgesamt 76,8 Millionen Franken mehr ein, als sie ausgaben.
Der Bundesrat präsentierte der Öffentlichkeit auch sonst ein viel zu düsteres Bild der Situation: Er sprach von einem «starken Anstieg» der Gesundheitskosten um 4,5 Prozent im letzten Jahr auf 36,3 Milliarden Franken. Dabei rechnete der Bund allerdings zu den tatsächlichen Ausga-ben der Krankenkassen von 31,4 Milliarden Franken die von den Versicherten selbst bezahlten Behandlungskosten hinzu.
Franchise und Selbstbehalt machten letztes Jahr 4,9 Milliarden Franken aus. Pro versicherte Person sind das 564 Franken. Das ist viel: Seit 1995 zahlten die Versicherten noch nie so hohe Behandlungskosten aus der eigenen Tasche wie 2021. Dazu sagt das Bundesamt für Gesundheit: Der Bund addiere immer alle Gesundheitskosten, wenn er «Trends» analysiere.
Reserven doppelt so hoch wie gefordert
Das Jahr 2021 war übrigens kein Ausreisser: Seit 1995 zahlten die Versicherten in der Grundversicherung fast immer mehr Prämien ein, als die Kassen für medizinische Behandlungen ausgaben. Das zeigt die Statistik der obligatorischen Krankenversicherung des Bundesamts für Gesundheit. Ausser 2009 zahlten die Versicherten stets zu viele Prämienfranken ein – jährlich bis zu 11 Prozent.
Das Finanzpolster der Krankenversicherer wuchs denn auch kräftig an: Ihre Reserven waren Anfang 2021 mit 12,4 Milliarden Franken doppelt so hoch wie gesetzlich vorgeschrieben. Ende 2021 betrugen die Reserven noch immer 12,1 Milliarden Franken.