Versteckspiel um Käfigeier
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K-Tipp 8/2002
17.04.2002
Glaces, Saucen, Back- und Teigwaren: Welche Nahrungsmittel Käfigeier enthalten, ist unklar
Eipulver in Nahrungsmitteln besteht meist aus Käfigeiern. Wer darauf verzichten will, hat es schwer: Bei Fertigprodukten muss die Herkunft der Eier nicht deklariert sein.
Pia Seiler pseiler@ktipp.ch
Seit zehn Jahren sind Lege-Batterien hierzulande verboten: Hennen dürfen in der Schweiz nicht zu tausenden in engen Käfigen dahinvegetieren.
Trotz...
Glaces, Saucen, Back- und Teigwaren: Welche Nahrungsmittel Käfigeier enthalten, ist unklar
Eipulver in Nahrungsmitteln besteht meist aus Käfigeiern. Wer darauf verzichten will, hat es schwer: Bei Fertigprodukten muss die Herkunft der Eier nicht deklariert sein.
Pia Seiler pseiler@ktipp.ch
Seit zehn Jahren sind Lege-Batterien hierzulande verboten: Hennen dürfen in der Schweiz nicht zu tausenden in engen Käfigen dahinvegetieren.
Trotzdem enthalten unzählige Fertigprodukte immer noch vorwiegend Eier von ausländischen Käfighennen. So essen wir laut Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) rund 350 Millionen Käfigeier pro Jahr - etwa in Back- und Teigwaren.
«Konsumentinnen und Konsumenten aber wollen auch im Zopf, in Ravioli, Saucen und Glaces keine Käfigeier mehr», sagt SKS-Präsidentin Simonetta Sommaruga.
Ärgerlich: Bei Fertigprodukten hat man beim Einkaufen häufig keine Wahl. Enthalten Nahrungsmittel Käfigeier, muss das auf der Verpackung nicht deklariert sein.
Sommaruga fordert deshalb vom Bundesrat eine Deklarationspflicht, wie sie auch bei Schaleneiern existiert.
Inländische Hersteller haben teils umgestellt
Welche Fertigprodukte enthalten nun Käfigeier, welche nicht? Das ist meist nur über Umwege zu erfahren.
Eine Möglichkeit: Achten Sie auf Eipulver. Enthält das Produkt diesen industriellen Ei-Rohstoff, muss er auf der Zutatenliste deklariert sein. Eipulver stammt in der Regel aus dem Ausland und wird aus Eiern aus Lege-Batterien produziert.
Viele Saucen, Glaces und alle weiteren Produkte mit Eipulver sind also mit Käfigeiern hergestellt.
Das gilt auch für im Ausland produzierte Nahrungsmittel wie Biskuits, Cakes, Mayonnaise und Eierteigwaren. Auch hier erfahren die Konsumenten nichts von Käfigeiern. Immerhin muss aber das Herstellungsland auf der Verpackung angegeben sein - und das ist wiederum ein deutlicher Hinweis auf Batterieeier.
Bei einigen inländischen Nahrungsmittel-Herstellern ist mittlerweile mehr Rücksicht auf Kundenwünsche auszumachen: Sie haben auf Bodenhaltungseier umgestellt.
Tierschützer kritisieren allerdings, dass auch Bodenhaltung nicht das Gelbe vom Ei ist. Die Tiere können sich zwar bei dieser Haltungsart am Boden einer Halle oder eines Stalls frei bewegen, zwischen mehreren Etagen herumfliegen und sich auf Sitzstangen ausruhen. Wintergarten oder gar Weiden sind jedoch nicht Pflicht. Die Hennen dürfen also nie ins Freie.
Einzige vorgeschriebene Möglichkeit zur Beschäftigung ist Einstreu. Zudem steht 6 bis 10,2 Hühnern lediglich ein Quadratmeter Fläche zur Verfügung und die Herde darf bis zu 12 000 Hühner gross sein.
Dennoch ist die Umstellung mindestens auf Bodenhaltung ein wichtiger Schritt hin zu tiergerecht produzierten Nahrungsmitteln - wobei nicht alle grossen Firmen gleich weit sind:
- Coop setzt für Eigenmarken und Backwaren aus Coop-Bäckereien nach eigenen Angaben keine Käfigeier mehr ein. Laut Sprecher Jörg Birnstiel werden «zu über 99 Prozent nur noch Eier aus Bodenhaltung oder sogar aus Freilandhaltung» verwendet.
Coop deklariert die Bodenhaltung auch - aber erst bei einzelnen Produkten wie Gala-Teigwaren. «Mit der Neuproduktion von Verpackungsmaterial wird die Deklaration laufend ergänzt», sagt Birnstiel.
- Nicht ganz so weit ist die Migros. Umgestellt habe man bei den in der Schweiz produzierten Nahrungsmitteln - «also bei Teigwaren, Mayonnaise, Kaltsaucen und Spätzli», so Migros-Sprecher Urs-Peter Naef. «Ebenso bei einem Grossteil der Backwaren, Glaces und Biskuits.» Die Migros deklariert den Einsatz von Bodenhaltungseiern nicht.
Sowohl Migros wie Coop verwenden in ihren Restaurants laut eigenen Angaben «ausschliesslich Eier und Eiprodukte aus Bodenhaltung».
Keine Käfigeier hats in Knospe-Produkten
- Auch der Lebensmittelkonzern Nestlé verzichtet laut Pressesprecher Philippe Oertlé bei einigen Produkten auf Käfigeier - und zwar bei Thomy-Produkten wie Mayonnaise und bei jenen Nahrungsmitteln von Frisco-Findus, die in Rorschach hergestellt werden.
- Konsequent ist die Grossbäckerei Hiestand, die Restaurants, Hotels, Grossverteiler und Bäckereien beliefert. «Wir haben schon seit Jahren auf Bodenhaltungseier umgestellt», sagt Bäckerei-Chef Alfred Hiestand.
- Alle Lebensmittel mit dem Bio-Label Knospe sind mit Eiern aus Bio-Freilandhaltung hergestellt. Das ist in den Richtlinien von Bio Suisse so vorgeschrieben.
Einer der Hauptlieferanten von Eiprodukten ist Rudolf Schmid. Seine Firma Lüchinger + Schmid verarbeitet rund 150 Millionen ausländische Eier pro Jahr zu Flüssigei, einem weit verbreiteten Ei-Rohstoff in der Nahrungsmittelindustrie.
Die Umstellung der Grossverteiler Coop und Migros habe die Entwicklung Richtung Bodenhaltung «wesentlich beschleunigt», sagt Schmid. «Mittlerweile konnte unsere Firma den Anteil an Bodenhaltungseiern auf 90 Prozent erhöhen.»
Die Bodenhaltungseier, die Lüchinger + Schmid verarbeitet, stammen aus dem Ausland - vor allem des Preises wegen: Ein Schweizer Bodenhaltungsei kostet im Grosshandel 24 Rappen, ein ausländisches lediglich 10 bis 15 Rappen - je nach Herkunftsland. «Diesen Preisunterschied ist kaum jemand bereit zu zahlen», sagt Rudolf Schmid. Auch Coop und Migros nicht.
Schmid bezieht die Eier aus Betrieben in Deutschland, Holland und Tschechien, die nach Kat-Normen produzieren - also nach Vorschriften des deutschen Vereins für kontrollierte, alternative Tierhaltungsformen.
Kat-Normen hin oder her - Alois Mettler bezweifelt, dass ausländische Bodenhaltungseier auch wirklich immer aus Bodenhaltung stammen. Mettler ist Geschäftsführer von Gallo-Suisse, der Vereinigung der Schweizer Eierproduzenten.
Technisch - so Mettler - sei es unmöglich, in der Flüssigei-Masse, die in Schlauchbeuteln angeliefert werde, Käfig- von Bodenhaltungseiern zu unterscheiden.
Ein Käfigei kostet im Grosshandel 3 Rappen
Für Alois Mettler ist daher der ausländische Eierhandel «Vertrauenssache», zudem «ein knallhartes Geschäft». Ein Käfigei ist heute schon ab 3 Rappen zu haben. «Und wenn Geld im Spiel ist, ist das Vertrauen zumindest gefährdet», sagt Mettler.
Der Aargauer Grossbäcker Alfred Hiestand, der vor allem durch seine Gipfeli-Produktion bekannt wurde, teilt diese Zweifel. Er bezieht seine Eier konsequent nur vom Geflügelhof von Euw in Oberglatt ZH.
«Am billigsten, bequemsten und günstigsten wäre zwar Eipulver aus Käfigeiern», sagt der Grossbäcker. Doch das könne er nicht verantworten, «wenn man weiss, dass Frankreich und Deutschland bis vor kurzem noch Klärschlamm ins Futter von Lege-Batterien mischten, und wenn man diese Bilder von tausenden von Hennen in engen Käfigen sieht».
Forderung des Konsumentenschutzes - Käfigeier im Zopf sollen deklariert werden
Käfigeier in Teigwaren, Biskuits und Zopf sollen auf der Verpackung deklariert werden: Das fordert Konsumentenschützerin und SP-Nationalrätin Simonetta Sommaruga vom Bundesrat.
Heute gilt die Deklarationspflicht nur für Schaleneier. Stammen sie aus Lege-Batterien, muss auf der Packung stehen: «Aus in der Schweiz nicht zugelassener Käfighaltung.»
Sommarugas Vorstoss ist auf breite Zustimmung gestossen. Der Nationalrat hat ihre Motion Anfang März mit 128 zu 35 Stimmen überwiesen. Gewerbekreise jedoch lehnen die Deklarationspflicht ab. Für Christian Speck, SVP-Nationalrat und Bäckermeister in Oberkulm AG, ist die Deklaration «zu aufwändig».
Und Pierre Triponez, Direktor des Gewerbeverbandes, warnt wie üblich vor kostspieligen Folgen für Konsumentinnen und Konsumenten.