Vertrauen statt Kontrolle
Parksünder werden kontrolliert und gebüsst. Mit der Mobilfunkindustrie geht der Staat weniger rigoros um: Swisscom, Sunrise und Orange dürfen selber kontrollieren, ob ihre Antennen zu stark strahlen.
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K-Tipp 3/2007
14.02.2007
Otto Hostettler
Das Verdikt des Bundesgerichts war klar: Die Kontrolle der Mobilfunkantennen müsse besser werden. Das war im Frühling 2005. Die Bevölkerung müsse sicher sein können, dass eine Handyantenne nicht stärker strahlt als bewilligt.
Seit Anfang Jahr gilt nun eine neue Regelung: Die Mobilfunkfirmen müssen - besser gesagt dürfen - sich selber kontrollieren. Strahlt eine Handyantenne stärker als von den Behörden bewilligt oder weicht die Senderichtung von der Bewilligung ab, muss ...
Das Verdikt des Bundesgerichts war klar: Die Kontrolle der Mobilfunkantennen müsse besser werden. Das war im Frühling 2005. Die Bevölkerung müsse sicher sein können, dass eine Handyantenne nicht stärker strahlt als bewilligt.
Seit Anfang Jahr gilt nun eine neue Regelung: Die Mobilfunkfirmen müssen - besser gesagt dürfen - sich selber kontrollieren. Strahlt eine Handyantenne stärker als von den Behörden bewilligt oder weicht die Senderichtung von der Bewilligung ab, muss ein Anlagebetreiber dies spätestens nach einer Woche korrigiert haben. Für die Meldung allfälliger Überschreitungen an die Behörden kann er sich gar zwei Monate Zeit lassen.
Software überprüft die Sendleistung
Ein erstes Fazit dieser Selbstkontrolle fällt in etwa so aus, wie wenn sich Autofahrer selber bei der Polizei melden müssten, wenn sie zuvor falsch parkiert haben: Im ersten Monat der Selbstkontrolle wurde bei keiner einzigen der fast 11 000 Antennen in der Schweiz eine zu hohe Sendeleistung festgestellt, beteuern Orange, Sunrise und Swisscom.
Die neue Kontrolle basiert nicht auf Messungen. Sie nennt sich «Qualitätssicherungssystem» und wurde vom Umweltbundesamt (Bafu) initiiert. Dieses verlangt von den Mobilfunkfirmen eine Software, die einmal pro Tag die effektiv eingestellte Sendeleistung mit den bewilligten Werten vergleicht und aufzeichnet. Den Zeitpunkt der Aufzeichnung überlässt der Bund den Firmen.
Harsche Kritik am neuen Kontrollsystem
Ganz offensichtlich wollte der Bund den Mobilfunkfirmen keine unnötigen Kosten in Form einer tatsächlichen Kontrolle aufbürden. In einer Expertise, die das Bundesamts für Kommunikation (Bakom) im Vorfeld der neuen Regelung erstellte, heisst es dazu explizit: Sogenannte Hardware-Kontrollen - also Kontrollmessungen an den Sendeanlagen - würden «die Betriebskosten massiv ansteigen lassen».
Mobilfunkkritische Organisationen und verschiedene Gemeindebehörden überzeugt das neue System nicht. Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät etwa hält es für untauglich: «Das Qualitätssicherungssystem ist keine geeignete Massnahme, um den Ängsten der Bevölkerung wirksam zu begegnen.»
Die neue Selbstkontrolle der Mobilfunkfirmen hat inzwischen auch das Bundesgericht in mehreren Entscheiden gutgeheissen. Zwar könne das System eine Überschreitung der bewilligten Sendeleistung nicht verhindern, aber immerhin würden Fehler erkannt und könnten so behoben werden.
Basler messen die Strahlenbelastung
Trotz des Segens aus Lausanne hält Tschäppät an seiner Kritik fest: «Eine Selbstkontrolle erweckt den Anschein, dass die Kontrollierten die Ergebnisse zu ihren Gunsten beeinflussen können.» Die Bevölkerung habe erst Vertrauen in eine Kontrolle, wenn diese durch eine «unabhängige Instanz» vorgenommen werde.
Einen Weg zu mehr Transparenz sucht der Kanton Baselland: Mit zwei permanenten Messstationen überprüft die Baselbieter Behörde die Strahlenbelastung - also nicht die Emission eines einzelnen Senders, sondern die gesamte Belastung, der die Bevölkerung ausgesetzt ist. Ähnlich wie bei den Messungen der Luftschadstoffe veröffentlichen die Baselbieter die Werte der Strahlenbelastung nun auch im Internet (www.elektrosmog-basel.ch).