Wer die Zutatenliste des Familia-Champion-Original-Müesli studiert, dem wird beinahe schwindlig. Aufgelistet sind nämlich 19 Zutaten – und weitere 50 Zutaten, die für die Herstellung der genannten 19 Zutaten verwendet worden sind. Allein Gerstenmalz kommt in der Liste viermal vor.
Laut Gesetz müssen «sämtliche Zutaten in mengenmässig absteigender Reihenfolge» angegeben werden. Aber Fertigprodukte sind zu komplex, als dass der Konsument in der Lage wäre, die Übersicht zu behalten.
Wasser in der Konfi, Zucker im Hackfleisch
Trotzdem sollten sich die Konsumenten nicht entmutigen lassen. Denn die Zutatenlisten zeigen allerlei Erstaunliches. Zum Beispiel bei der Prix-Garantie-Salatsauce von Coop: Als erste Zutat ist Wasser aufgelistet. Wer die Sauce kauft, schleppt also nicht primär Öl oder Essig nach Hause, sondern Wasser.
Der K-Tipp hat sich durchs Sortiment der beiden grössten Schweizer Detaillisten, Coop und Migros, gearbeitet und dabei viel Unerwartetes gefunden:
- Die Migros gibt Wasser in die Kirschenkonfitüre der Billiglinie M-Budget. Laut Migros sind es rund zehn Prozent.
- In den Subito-Hackfleischbällchen, ebenfalls von der Migros, hats vier Arten von Zucker: Traubenzucker, Milchzucker, Glukosesirup und Fruchtzucker. Doch wie viel Zucker in den Feischbällchen steckt, steht nirgends.
Zwar druckt die Migros freiwillig eine Nährwerttabelle auf die Verpackung. Laut Gesetz sind aber zwei Versionen zulässig: eine grosse mit acht Nährwerten und eine kleine mit deren vier. In der kleinen Tabelle ist der Zucker nicht aufgeführt. Und genau diese kleine Version verwendet die Migros bei den Fleischbällchen.
Trotzdem sind die Nährwerttabellen – Coop nennt sie Foodprofil, die Migros Food-Facts – manchmal sehr aufschlussreich:
- Die Léger-Paprika-Chips der Migros sind nicht nur salzig, sondern auch zuckerreich. 5 Prozent enthalten sie. Da Kartoffeln von Natur aus praktisch zuckerfrei sind, heisst das: Fast aller Zucker ist zugesetzt.
- Im Betty-Bossi-Rotkraut von Coop hats 10 Prozent Zucker. Wie viel aus dem Rotkraut stammt und wie viel aus den Zutaten Fruktosesirup und Zucker, steht nirgends. Laut Coop werden 6 Prozent zugesetzt.
Noch mehr Zucker als in Salzigem hat es logischerweise in Süssem. Ein krasses Beispiel ist der Getreidestängel Farmer-soft, Apfel: Die Migros bezeichnet ihn als «gesunde Ballaststoffquelle». Der K-Tipp findet eher: ungesunde Zuckerbombe. Denn der Zuckeranteil beträgt 45 Prozent.
Die Migros sagt dazu, ein grosser Teil des Zuckers stamme aus den Früchten. Zudem sei Zucker als Kleber nötig. Seltsam ist aber, dass gewisse Farmer-Getreidestängel mit halb so viel Zucker auskommen.
Hersteller rechnen oft mit Mini-Portionen
Neuerdings drucken viele Hersteller neben der Zutatenliste und der Nährwerttabelle auch «% RTZ» oder «% GDA» auf. RTZ heisst: Richtwert für die Tageszufuhr.
GDA ist die englische Abkürzung. Der RTZ bezieht sich auf den Bedarf einer erwachsenen Europäerin. Wer gross und schwer ist, braucht mehr. Wer körperlich hart arbeitet, ebenfalls.
An sich eine praktische Sache. Wer zum Beispiel in der Migros nach der Anna’s-Best-Pizza Casa Romagnola greift, sieht gleich, dass er es besser sein liesse.
Denn die Pizza enthält 162 Prozent der maximal empfohlenen täglichen Salzzufuhr. Das heisst: Wer die Pizza essen möchte, sollte an den Tagen davor und danach weitgehend auf Salz verzichten.
Andere Hersteller schönen die Angaben, indem sie von unrealistisch kleinen Portionen ausgehen:
- Auf den Classic-Cornflakes der Migros sind die RTZ-Angaben aufgrund einer 30-Gramm-Portion berechnet. Doch wer sich zum Frühstück mit einer 30-Gramm-Portion Cornflakes zufriedengibt, ist am Mittag halb verhungert. Wer hingegen 100 g isst, erreicht über 30 Prozent seiner maximalen täglichen Salzzufuhr. Aber diese Information geben die Hersteller den Konsumenten nicht.
- Die Angaben auf dem Migros-Knusperbrot beziehen sich auf eine Scheibe. Auch das gäbe ein karges Frühstück. Wer zwei Brotscheiben isst, erreicht schon fast 30 Prozent der maximalen Salzzufuhr.
- Coop geht bei der Glace von «2 (kleinen) Kugeln (50 g)» aus, die Migros von «2 Kugeln, 100 ml». 50 g oder 100 ml ist einerlei. Doch beides ist unrealistisch: Die Eisportionierer von Coop und Migros sind nämlich so gross, dass zwei Kugeln nicht 50 g, sondern 70 bis 120 g wiegen.
- Erstaunlich auch die Linzerschnitte der Migros: Sie wiegt 360 g und ist in fünf Stücke geschnitten. Das heisst: Ein Stück wiegt 72 g. Dennoch gibt die Migros die RTZ-Angaben für «1 Stück (ca. 50 g)» an. Das ist irreführend. Denn so erhält der Kunde den Eindruck, er decke mit einem Stück nur 18 Prozent seines Zuckerbedarfs. In Tat und Wahrheit sind es aber 26 Prozent.
- Der Mini-Choco-Cake von Coop wiegt 100 g – eine handliche Zwischenverpflegung. Coop geht bei den Angaben davon aus, dass der Kunde nur den halben Cake isst. Das ist zwar unrealistisch, wäre aber besser. Denn der ganze Mini-Cake enthält 60 Prozent der maximalen Menge an gesättigten Fettsäuren, die pro Tag empfohlen wird.
Immerhin: Es geht auch anders. Familia gibt auf dem erwähnten Müesli die Nährwerte für eine richtige Portion an: 100 g Müesli und 200 ml teilentrahmte Milch. Wenigstens ein Hersteller, der mit realistischen Portionen rechnet.
Coop und Migros hingegen halten sich weitgehend an die Vorgaben der europäischen Branchenverbände, die gerne mit kleinen Portionen rechnen.