Am 18. Oktober stellen die Schweizerinnen und Schweizer den Nationalrat für die nächsten vier Jahre zusammen. Wahltag ist jeweils auch Zahltag: Im Hinblick auf die Wahlen hat der K-Tipp untersucht, wie die wiederkandidierenden Volksvertreter in der bald endenden Legislatur bei 22 für Konsumentinnen und Konsumenten wichtigen Geschäften abgestimmt haben. Dabei ging es unter anderem um Bahntarife, Versicherungen, Telefongebühren, Renten, Lebensmittelpreise und Deklarationsvorschriften (siehe Unten).
Das Abstimmungsverhalten im Ständerat wurde nicht erfasst. Denn die Mitglieder dieser Kammer stimmen erst seit dem Frühjahr 2014 elektronisch ab. Und erst seit diesem Zeitpunkt lässt sich eruieren, wer wie abgestimmt hat. Entsprechend war die Zahl der auswertbaren konsumentenrelevanten Geschäfte noch zu gering.
Ergebnis der Auswertung: Die Bedürfnisse der Konsumenten sind der Mehrheit des Nationalrats egal: Sie zeigte der Bevölkerung in 18 von 22 Abstimmungen die kalte Schulter. Konsumentenfreundlich entschied der Nationalrat nur gerade in vier Fällen:
- Beibehaltung der Kompetenzen des Preisüberwachers
- Senkung der Gebühren fürs Telefonieren im Ausland
- Erhöhung der gesetzlichen Garantie nach einem Warenkauf und
- Verbot von lästiger Telefonwerbung durch Krankenkassen.
Unter den 153 Wiederkandidierenden, die während der ganzen zu Ende gehenden Wahlperiode im Nationalrat sassen, gibt es niemanden, der bei allen 22 ausgewählten Vorlagen im Interesse der Konsumenten abstimmte (siehe Anhang). Der Höchstwert liegt bei 19 konsumentenfreundlichen Entscheiden. Er wurde von neun Ratsmitgliedern erreicht, die alle der SP angehören.
SP-Nationalräte meist für die Konsumenten
Die Sozialdemokraten dominieren auch unter jenen 21 Ratsmitgliedern, die immerhin 18- oder 17-mal im Interesse der Konsumenten stimmten. Nur gerade zwei in dieser Gruppe stammen nicht aus ihren Reihen: die Grünen Louis Schelbert (LU) und Christian van Singer (VD).
Am häufigsten gegen die Konsumenten stimmten Parlamentarier aus den bürgerlichen Parteien: 26 Ratsmitglieder taten dies bei 18 bzw. 17 der 22 Abstimmungen. Sie kommen aus der SVP (18), der CVP (6) und der FDP (2). Eine Tabelle mit dem Abstimmungsverhalten der 153 Nationalräte bei jeder einzelnen der 22 Vorlagen gibts hier.
Der K-Tipp hat die 26 konsumentenfeindlichsten Nationalräte zur Stellungnahme eingeladen. 17 äusserten sich nicht. Die anderen argumentieren mehrheitlich, sie bekämpften staatliche Eingriffe und Bürokratie «zugunsten einer starken Schweizer Wirtschaft». Das komme den Konsumenten zugute und helfe Arbeitsplätze zu schaffen.
Der SVP-Präsident Toni Brunner sagt: «Mehr staatliche Eingriffe, mehr Regulierung, mehr staatliche Kontrollen und Bürokratie sind nicht im Interesse der Konsumenten.» Viele der ausgewerteten Geschäfte würden aber zu genau diesen Effekten führen.
SP-Präsident Christian Levrat wiederum betont: «Für die SP bedeutete Wirtschaftspolitik schon immer Politik im Interesse der Konsumenten oder der Versicherten – und nicht Politik im Interesse der Konzerne und Grossverdiener.»
CVP-Präsident Christophe Darbellay unterstreicht, dass seine Partei gerade auch im Interesse günstigerer Rahmenbedingungen für die Konsumenten zuweilen Kompromisse machen müsse.
FDP-Präsident Philipp Müller kommentierte die K-Tipp-Erhebung nicht.
Diese 22 Abstimmungen hat der K-Tipp ausgewertet
Wie konsumentenfreundlich sind die wiederkandidierenden Nationalrätinnen und Nationalräte? Um das herauzufinden, hat der K-Tipp abgeklärt, wie die Ratsmitglieder in den letzten vier Jahren bei folgenden 22 für Konsumentinnen und Konsumenten wichtigen Abstimmungen gestimmt haben:
- Billettpreise: Soll der Preisüberwacher bei den Tarifen des öffentlichen Verkehrs weiterhin ein gewichtiges Wort mitreden dürfen?
- Telefongebühren: Sollen verbindliche Preisobergrenzen fürs mobile Telefonieren inkl. SMS im Ausland (Roaming) eingeführt werden?
- Grundversorgung: Sollen Erhalt und Förderung des Service public mit einem Verfassungsartikel gestärkt werden?
- Cheflöhne: Sollen die Löhne in Staatsbetrieben den Lohn eines Bundesrats nicht mehr übersteigen dürfen?
- Eurolöhne: Soll es als Massnahme gegen Lohndumping verboten werden, in der Schweiz Löhne in Euro auszuzahlen?
- Widerrufsrecht: Sollen Konsumenten das Recht erhalten, bei Einkäufen im Internet den Kaufvertrag innert einer bestimmten Frist zu widerrufen?
- Versichertenschutz: In diesem Punkt ist das Versicherungsvertragsgesetz höchst mangelhaft. Soll es trotzdem – statt totalrevidiert – bloss punktuell überarbeitet werden?
- Krankenkassen: Sollen zum Schutz der Krankenversicherten und zwecks einer grösseren Transparenz Versicherungsgruppen der Aufsicht des Bundes unterstellt werden?
- Vergleichsdienst: Soll das Bundesamt für Gesundheit einen unabhängigen Gratis-Krankenkassen-Vergleichsdienst anbieten?
- Telefonwerbung: Sollen Krankenversicherer keine Telefonwerbung mehr machen dürfen?
- Versandapotheken: Sollen Einkäufe in den (oft relativ günstigen) Versandapotheken erschwert werden?
- Rentenkürzung: Sollen Parlament und Volk zu Senkungen der Pensionskassenrenten nichts mehr zu sagen haben?
- Rente oder Kapital: Soll für die Pensionskassenversicherten die Wahl zwischen Kapitalbezug und Rente eingeschränkt werden?
- Lebensmittelimport: Sollen in einem EU-Land zugelassene Lebensmittel auch in der Schweiz verkauft werden dürfen?
- Hochpreisinsel: Soll das Kartellgesetz für den Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz verschärft werden?
- Garantie: Soll die gesetzliche Garantiedauer nach dem Einkauf von Waren auf zwei Jahre verlängert werden?
- Auslandeinkäufe: Sollen der Fleischeinfuhr durch Privatpersonen engere Grenzen gesetzt werden? l Tiermehl: Soll das wegen der BSE-Krise (Rinderwahnsinn) erlassene Verbot, Tiermehl zu verfüttern, wieder gelockert werden?
- Deklarationspflicht: Soll – als Folge des Pferdefleischskandals – die Deklarationspflicht für Rohstoffe bei verpackten Lebensmitteln verschärft werden?
- Konsumentenschutz: Soll der Bund einen vergleichenden Bericht zum Stand des Konsumentenschutzes in der Schweiz und in der EU ausarbeiten lassen?
- Mehr Rechte: Sollen im Kartellgesetz die Rechte der Konsumentenschutz-Organisationen gestärkt werden?
- Fleischpreise: Soll der Importzoll für gewürztes Fleisch – und damit auch dessen Preis im Detailhandel – erhöht werden?
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