Der Discounter Denner warb im Herbst auf Schweizer Internetportalen wie Blick.ch, Zattoo.ch und Bluewin.ch mit einem Werbespot für frisches Gemüse. Die Werbekampagne war sehr erfolgreich: «Converto findet für Denner Neukunden mit einer rekordverdächtigen Kampagne», verkündete Kleinreport, ein Newsletter der Kommunikationsbranche, im Februar.
Worin bestand der Erfolg? Wer den Werbespot zum Beispiel beim Surfen auf Blick.ch angeschaut hatte, fand bald einen Gutschein von Denner im Briefkasten. Das gelang der Zürcher Werbeagentur Converto, ohne dass die Internetsurfer ihre Postadresse hinterlassen hatten. Sie wussten nicht, dass sie sich allein durch ihr Surfverhalten identifiziert hatten – also ohne dass sie auf den Denner-Spot klickten oder sich auf einer Internetseite registrierten.
Adressen kamen von der Post
Doch wie gelangt die Werbeindustrie an die Postadresse, wenn jemand im Internet einen Werbespot anschaut, ohne dabei seine persönlichen Daten einzugeben? Der K-Tipp recherchierte, wie diese Identifizierung möglich wird. Eine Spur lieferte die Post. Sie frohlockte im Dezember in ihrem Marketingmagazin «Direct Point»: «Kunden, die persönlich angesprochen werden, kaufen mehr.» Dank Überwachungswerkzeugen (Tracking-Tools) im Internet sei «immer mehr möglich».
Im Fall der Denner-Werbung arbeiteten die Werbeagentur Converto und die Post zusammen: Converto registrierte, wer per Handy, Tablet oder Computer die Internetseiten aufrief, auf denen das Denner-Werbevideo platziert war. Das gelingt mit Hilfe der IP-Adresse des Geräts, mit Cookies – kleinen, durch die besuchte Website ins Gerät implantierten Dateien – und einer eindeutigen Identifizierung, dem sogenannten UID (Unique Identifier). Dabei handelt es sich um ein Persönlichkeitsprofil des Handy- oder Computerbenutzers. Dieses Profil wird unter anderem erstellt aus den Surfgewohnheiten, den Aktivitäten im Internet über Einkäufe, Facebook-Einträge, Google-Suchanfragen und Ferienbuchungen.
Die Post verknüpfte dann das von Converto gelieferte UID-Profil mit dem Namen und der Wohnadresse des Internetsurfers. Der Werbefachmann der Converto schreibt in einer Offerte für einen potenziellen Kunden, die dem K-Tipp vorliegt: «In der Datenbank der Post mit mehr als 4 Millionen Personen befinden sich neben den Informationen wie Vorname, Nachname, Adresse, E-Mail usw. auch Cookie/Fingerprint-Informationen von Converto. So können wir den Benutzer identifizieren.» Im Gespräch mit dem K-Tipp bestätigte er: «Wir können, ohne dass sich jemand anmelden oder registrieren muss, unsere Daten mit der Adressdatenbank der Post abgleichen.» Anders gesagt: In enger Zusammenarbeit zwischen der Werbefirma und der Post entstehen aus anonymen Persönlichkeitsprofilen von Internetsurfern schliesslich konkrete Namen und Adressen.
23 000 Leute erhielten Post von Denner
So konnten Converto und die Post nach eigenen Angaben 225 000 Internetsurfer mit Namen und Adresse identifizieren. Aus der Datenbank der Post ergab sich, dass 168 700 davon höchstens fünf Kilometer von der nächsten Denner- Filiale entfernt wohnen. Von diesen Internetnutzern fanden 23 000 Leute darauf eine persönlich adressierte Postkarte von Denner mit einem Rabattgutschein in ihrem Briefkasten.
Die Post schreibt in ihrer Werbebroschüre gleich selber, dass dieses Verfolgen der Internetnutzer vom Bildschirm bis zur privaten Haustür bares Geld wert ist: Die Denner-Kampagne sei ein «märchenhafter Erfolg». Drei Mal mehr Konsumenten als üblich hätten den Rabattgutschein eingelöst. Die Post lässt sich diesen Service teuer bezahlen: Für 200 000 Adressen verlangt sie 90 000 Franken, wie aus der Offerte hervorgeht.
Post: «Leute gaben ihr Einverständnis»
Die Denner-Werbung ist kein Einzelfall – und Converto nicht die einzige Werbeagentur, die vermeintlich anonyme Internetnutzer bis zur Haustüre verfolgt. Post und Converto sehen darin nichts Unrechtes. Sie sagen, die im Denner-Beispiel angeschriebenen Leute hätten bei Wettbewerben oder Umzugsmeldungen an die Post in der Vergangenheit ihr Einverständnis dazu erteilt, dass ihnen Werbung zugeschickt werden kann.
Anderer Ansicht ist der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte. Sein Pressechef Hugo Wyler sagt: «Ohne ausreichende Information der Betroffenen ist eine gültige Einwilligung nicht möglich» (siehe Interview).
Post-Sprecher Erich Götschi sagt dazu: «Die Post darf Adressstämme von Kunden mit ihrer zentralen Adressdatenbank abgleichen und verifizieren.» Er gibt aber zu: «Die Post gleicht Adressdaten von Geschäftskunden ab und dient als Schnittstelle zwischen der digitalen und physischen Welt.» Das habe sie auch in diesem Fall getan. 90 Prozent der Leute, die umziehen, würden ihr Einverständnis geben, dass die Post die neuen Adressen an Dritte weitergeben dürfe.
Wie viele Millionen Franken die Post mit ihrem Handel mit Adressdaten einnimmt, will der Staatsbetrieb nicht bekannt geben. Das sei «Geschäftsgeheimnis».
So gehen Sie gegen Adressmissbrauch vor
Jede Person hat das Recht, von einem Unternehmen auf Wunsch informiert zu werden, welche Daten es über sie speichert. Man kann die Löschung dieser Daten jederzeit verlangen. Das gilt auch bei Unternehmen, die Internetportale betreiben. Die Post verfügt über eine Datei mit den Adressen aller Schweizer Haushalte. Diese Adressen benötigt sie, um die Post zustellen zu können. Jede Person kann aber der Post untersagen, ihre Adresse zu Werbezwecken zu verarbeiten und weiterzugeben. Aus Beweisgründen sollte man dies schriftlich per eingeschriebenen Brief tun. Die Adresse lautet: Die Post, Contact Center Post, Wankdorfallee 4, 3030 Bern.
«Ohne ausreichende Information keine gültige Einwilligung»
Wer im Internet Werbevideos anschaut, müsse darüber informiert werden, dass seine Daten erfasst und verwendet würden. Das sagt Hugo Wyler, Pressechef des eidgenössischen Datenschützers.
Die Recherchen des K-Tipp zur Denner-Werbekampagne zeigen, dass Internetnutzer beim Surfen identifiziert werden, ohne dass sie das wissen. Ist das zulässig?
Wer das Video betrachtet, muss offen und fair darüber informiert werden, dass seine Personendaten erfasst und schliesslich für Werbezwecke verwendet werden.
Die Post und Converto sagen, die Internetsurfer hätten ihre Einwilligung zur Bearbeitung ihrer Daten gegeben.
Wenn die Internetnutzer nicht wussten, dass sie beim Anschauen des Denner-Videos identifiziert werden und ihre Haushaltsadresse anschliessend für eine Werbekampagne verwendet wird, war das Vorgehen nicht transparent. Ohne ausreichende Information der Betroffenen ist eine gültige Einwilligung nicht möglich.
Was unternehmen Sie jetzt?
Wir haben mit der Post Kontakt aufgenommen, um zu klären, welche Datenbearbeitungen bei der Post, Converto und Denner erfolgt sind.