Ein Verlustschein ist die amtliche Bescheinigung, dass eine Forderung am Ende des Betreibungs- oder Konkursverfahrens unbezahlt geblieben ist. Bis Ende 1996 waren Verlustscheine unverjährbar. Seit der Gesetzesänderung per 1. Januar 1997 verjähren sie nach 20 Jahren. Alle vor diesem Datum ausgestellten Verlustscheine sind am 1. Januar 2017 verjährt.
Die drohende Verjährung ist wahrscheinlich der Grund, weshalb der 80-jährige Peter Netz (Name geändert) aus Zürich kürzlich Post von Gläubigern erhalten hat. Der ehemalige Möbelhändler machte vor 40 Jahren Privatkonkurs. Damals konnte er seine Rechnungen nicht mehr zahlen, weil sich die Miete seines Geschäfts mehr als verdoppelt hatte. Rund 20 Gläubigern blieb er insgesamt etwas über 100 000 Franken schuldig. Alle erhielten einen Verlustschein. Jetzt ist Peter Netz von seiner Vergangenheit eingeholt worden: Einige Gläubiger oder von ihnen beauftragte Inkassobüros schickten ihm Zahlungsaufforderungen mit Vorschlägen für Teilzahlungen.
Was viele Schuldner nicht wissen: Wer eine Teilzahlung an einen Verlustschein macht, verlängert die Verjährungsfrist um 20 Jahre. Das Gleiche gilt, wenn jemand die Schuld mit seiner Unterschrift anerkennt – zum Beispiel, indem er eine Abzahlungsvereinbarung unterschreibt.
Sébastien Mercier ist Geschäftsführer des Verbands Schuldenberatung Schweiz. Der Jurist rät Schuldnern, sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Die Drohungen der Inkassobüros seien meistens übertrieben und die angesetzten Fristen für eine angemessene Reaktion zu kurz. Es bringe nichts, wenn der Schuldner eine Vereinbarung unterschreibe, die er gar nicht erfüllen könne. Weitere Tipps:
Existenzminimum ist geschützt
Wer kein pfändbares Einkommen oder Vermögen besitzt, hat nichts zu befürchten. Unpfändbar sind beispielsweise die AHV- oder IV-Rente und Ergänzungsleistungen. Die Höhe des betreibungsrechtlichen Existenzminimums ist individuell. Sie lässt sich mit dem Rechner der Caritas- Schuldenberatung einschätzen (Caritas-schuldenberatung.ch/Service/Tests/Berechnen Sie Ihr betreibungsrechtliches Existenzminimum).
Budgetberatung
Schuldner können sich an eine spezialisierte Beratungsstelle wenden. Die Adressliste findet man im Internet unter Schulden.ch/Adressen Beratungsstellen deutsche Schweiz. Hier können Schuldner auch einen allfälligen vom Gläubiger vorgelegten Zahlungsvorschlag prüfen lassen.
Gegenvorschlag
Hat jemand wieder ein pfändbares Einkommen oder Vermögen, kann er dem Gläubiger einen Gegenvorschlag für eine teilweise Rückzahlung machen. Ein Teilerlass liegt oft drin, wenn der Schuldner sofort eine bestimmte Summe organisieren kann – zum Beispiel durch ein Darlehen vom Arbeitgeber oder durch einen Erbvorbezug. Wichtig: Eine Saldo-Klausel vereinbaren, wonach der Gläubiger nach der Zahlung keine Ansprüche mehr hat und den Verlustschein quittiert herausgeben muss.
Schuldensanierung
Wer mehrere Gläubiger hat, kann von einer Budgetberatungsstelle eine Entschuldung prüfen lassen. Das ist eine einvernehmliche Lösung mit allen Gläubigern zur Tilgung aller offenen Forderungen. Sie ist möglich, wenn der Schuldner ein regelmässiges Einkommen hat und alle Gläubiger überzeugen kann, dass er die Schulden innert z. B. dreier Jahre abzahlen kann. Auch hier liegt oft ein Teilerlass drin.
Zuschläge ablehnen
Inkassobüros verlangen oft unzulässige Zuschläge auf Forderungen aus Verlustscheinen. Das müssen Schuldner nicht bezahlen. Geschuldet ist einzig der auf dem Schuldschein verurkundete Betrag.
Wichtig für Gläubiger
Die Verjährung lässt sich mit einer erneuten Betreibung oder Klage verhindern. Die Frist läuft dann wieder 20 Jahre. Deshalb muss sich Karl Merk (Name geändert) aus Neuenkirch LU auch keine Sorgen machen: Sein Ex-Schwiegersohn hatte ein Darlehen von 65 000 Franken, als er 1996 Privatkonkurs machte. Der Verlustschein wäre Ende Jahr abgelaufen, hätte Merk den Mann 2014 nicht erneut betrieben. Nun verjährt die Forderung erst 2034.
Verjährung: Schuldner müssen selber aktiv werden
Achtung: Auch verjährte Forderungen können betrieben oder eingeklagt werden. Denn Betreibungsämter und Gerichte berücksichtigen die Verjährung nicht von sich aus. Es ist Sache der Schuldner, sich im Verfahren auf die Verjährung zu berufen.
Manche Gläubiger fordern ihre Schuldner auf, auf die sogenannte Einrede der Verjährung zu verzichten – im Gegenzug werde man keine erneute Betreibung einleiten. Eine solche Erklärung über einen Verjährungseinredeverzicht löst keine erneute Verjährungsfrist von 20 Jahren aus.
Ohne eine andere Abmachung gilt der Verzicht zehn Jahre lang, sagt Schuldenberater Sébastien Mercier.
Übrigens: Geerbte Verlustscheine verjähren ein Jahr nach Eröffnung des Erbgangs.
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Buchtipp
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