Schweizer Strom ist sauber, denn er wird hauptsächlich aus Wasser erzeugt: Dieses Bild hält sich hartnäckig in den Köpfen. Und es ist auch nicht völlig falsch, stammen aktuell doch immerhin knapp 54 Prozent der in der Schweiz produzierten Elektrizität aus Wasserkraftwerken.
Doch das Image des sauberen Schweizer Stroms steht in scharfem Kontrast zum Strommix, den die grössten Energiekonzerne Alpiq, Axpo, BKW und Repower produzieren. Das zeigt eine auf 2011 bezogene Studie der Schweizerischen Energiestiftung (SES).
Demnach überstieg der Wasserkraftanteil an der in- und ausländischen Gesamtproduktion im letzten Jahr bei keinem der vier Stromriesen die Marke von 42 Prozent (siehe Grafiken). Bei Alpiq und Axpo lag er mit 26 bzw. 22,17 Prozent gar deutlich tiefer. Dominant war dagegen Strom aus Atomkraft (Axpo: 64,46 Prozent) bzw. aus den fossilen Energieträgern Gas, Kohle und Öl (Alpiq: 44,1 Prozent).
Aber auch bei BKW und Repower stand die Wasserkraft nicht an erster Stelle. Erstere produzierte die meiste Elektrizität in Atomanlagen (47,92 Prozent), Letztere in Gaskraftwerken (45,5 Prozent).
SES: «Axpo erzeugt dreckigsten Strom»
Mit Blick auf Umwelt- und Klimaschutz sind das keine erfreulichen Zahlen. Denn die Stromerzeugung in Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken verursacht riesige Mengen an klimaschädigenden Treibhausgasen. Und AKW bergen nicht nur ein enormes Gefahrenpotenzial, sondern produzieren auch hochproblematischen Atommüll.
Die SES bezeichnet Elektrizität aus AKW und fossilen Kraftwerken denn auch als «dreckigen Strom». Mit dem Instrument der Umweltbelastungspunkte hat sie berechnet, dass von den vier Grosskonzernen die Axpo «den dreckigsten Strom erzeugt», gefolgt von Alpiq, BKW und Repower. Diese Berechnungen beziehen die gesamte Umweltbelastung der Stromproduktion mit ein – von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Entsorgung der Abfälle.
Fazit: Die vielzitierte Energiewende scheint bei Axpo, Alpiq & Co. noch kaum Spuren hinterlassen zu haben. Das zeigt sich auch in den mickrigen Anteilen, die auf die Stromproduktion aus Sonne, Wind und Biomasse entfallen.
Die grossen Vier stellen die Situation anders dar. Alpiq sagt, der CO2-Ausstoss pro Kilowattstunde Alpiq-Strom liege unter dem durchschnittlichen Ausstoss der EU-Stromproduktion. Repower verweist auf eine Untersuchung der Bank Sarasin, wo man «im Nachhaltigkeitsranking ziemlich gut» wegkomme. Zudem verspricht sie wie die BKW, künftig vor allem Wasser- und Windkraft auszubauen. Zahlen zur geplanten Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energien liefert nur die Axpo. Sie kündigt an, bis 2030 über 5 Milliarden kWh aus Wind- und Kleinwasserkraftwerken sowie Biomasse und Geothermie erzeugen zu wollen.
Damit folgt die Axpo in etwa den Plänen des Energiedepartements. Im Entwurf zum neuen Energiegesetz ist laut Medienberichten vorgesehen, dass in der Schweiz bis 2035 mindestens 9,5 Milliarden Kilowattstunden aus neuen erneuerbaren Energien stammen. Das wären 16 Prozent des heutigen Gesamtverbrauchs.
Fachleute kritisieren diese Vorgabe als sehr bescheiden. So stellte der Energieexperte Rudolf Rechsteiner auf Tagesanzeiger.ch fest: «Bis 2035 ist dreimal mehr möglich – ohne dass es irgendwen schmerzt.»
Das Jammern der Strombranche
Solarstrom deckte in der Schweiz 2011 bloss 0,27 Prozent des Gesamtverbrauchs – in Deutschland waren es 4 Prozent. Eine gezielte Förderpolitik liess dort die Solarstromproduktion von 64 Millionen im Jahr 2000 auf 19 Milliarden kWh im letzten Jahr emporschnellen.
Die Schweizer Energiekonzerne freut das gar nicht. Bei gutem Wetter sorgt der deutsche Solarstrom nun für eine Stromschwemme, der Preis an den Börsen bricht dann jeweils ein. Folge: Schweizer Strom, der sich zuvor während der grossen Nachfrage über Mittag vergolden liess, muss billiger verkauft werden. Die Strombarone jammern jetzt über Einnahmenausfälle von 100 Millionen Franken pro Jahr.