Vorbild ohne Strahlkraft
Kein Strom aus Atom: Was wie ein Anti-Kernkraft-Slogan klingt, ist in Herrliberg am Zürichsee Realität. Aber sonst nirgends.
Inhalt
K-Tipp 14/2008
01.09.2008
Letzte Aktualisierung:
02.09.2008
Alt-Bundesrat Christoph Blocher ein Grüner? Punkto Strom durchaus – wenn auch nicht ganz freiwillig.
Seit rund elf Monaten nämlich versorgt Blochers Wohngemeinde Herrliberg ihre Einwohnerinnen und Einwohner ausschliesslich mit Elektrizität aus erneuerbaren Energien. Verkauft wird nur noch Strom, der über das Gütezeichen «Naturmade» des Vereins für umweltgerechte Elektrizität (VUE) verfügt (siehe auch unten).
Alt-Bundesrat Christoph Blocher ein Grüner? Punkto Strom durchaus – wenn auch nicht ganz freiwillig.
Seit rund elf Monaten nämlich versorgt Blochers Wohngemeinde Herrliberg ihre Einwohnerinnen und Einwohner ausschliesslich mit Elektrizität aus erneuerbaren Energien. Verkauft wird nur noch Strom, der über das Gütezeichen «Naturmade» des Vereins für umweltgerechte Elektrizität (VUE) verfügt (siehe auch unten).
Der Löwenanteil dieses Stroms stammt aus Wasserkraftwerken. Ein kleiner Teil muss aufgrund des spezifischen Naturmade-Födermodells zwingend in Wind-, Biomasse- und Solarkraftwerken produziert werden, die nicht älter als 13-jährig sein dürfen. Atomstrom hingegen, der einst rund 85 Prozent des Herrliberger Bedarfs deckte, hat im Strommix der Zürichseegemeinde keinen Platz mehr.
Pro Haushalt und Jahr maximal 80 Fr. teurer
Und die Herrliberger Bevölkerung wird für die Abkehr von der Kernenergie nicht einmal besonders stark zur Kasse gebeten. Der Preis pro Kilowattstunde (kWh) stieg im Hochtarif um 2 auf 17 Rappen und im Niedertarif um 1 auf 8,5 Rappen.
Für einen Durchschnittshaushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 4000 kWh bedeutet das Mehrkosten zwischen 40 und 80 Franken pro Jahr.
Spezielle Vorkehrungen habe man keine treffen müssen, um den Wechsel zu den erneuerbaren Energien kostengünstig zu vollziehen, sagt Thomas Buchmüller,Leiter Tiefbau und Werkein Herrliberg. Auchschliesse die Rechnung des Elektrizitätswerks heute nicht schlechter ab. Buchmüller ist daher überzeugt,dass andere Gemeinden dem Herrliberger Beispiel ohne Weiteres folgen könnten.
Genug Naturemade-Strom für 200 Orte
Das sieht auch Maren Kornmann vom VUE so – zumal das Angebot an Naturmade-zertifiziertem Strom die Nachfrage übersteigt. Aktuell beträgt die Jahresproduktion rund 7800 Gigawattstunden (GWh). Aus- geliefert als Naturmade-Strom werden aber bloss knapp 2400 GWh. Die Differenz von 5300 GWh wird laut Kornmann «sonstwie, etwa als ‹Strom aus Wasserkraft›, verkauft» – zum Teil ins Ausland.
Grob gerechnet würde das zur Versorgung von rund 200 «Herrlibergs» reichen. Der jährliche Strombedarf der Seegemeinde beträgt etwa 25 GWh. Doch bis jetzt hat die Gemeinde Herrliberg noch keine Nachahmer gefunden.
Stromqualität: Haushalte können wählen
Um Strom aus erneuerbaren Energien zu fördern, muss man nicht in Herrliberg ZH wohnen. In der Schweiz bieten die Elektrizitätsversorger zahlreicher Gemeinden ihren Kunden die Möglichkeit, auf Atomstrom und Strom, dessen Herkunft nicht klar ausgewiesen ist, zu verzichten.
Die Industriellen Werke Basel etwa verkaufen neben dem Standardstrom bâlectris auch mehrere Naturemade-zertifizierte Strom- produkte. Das günstigste mit Namen bâlectris eco ist 2,5 Rappen pro kWh teurer als bâlectris und stammt hauptsächlich aus Wasser- sowie zu einem kleinen Teil aus Sonnen- und Windkraftwerken.
Auch das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich führt diverse Naturemade-Stromprodukte. Das Pendant zum Basler bâlectris eco heisst hier ewz.naturepower. Es wird standardmässig geliefert, während das Atomstrom enthaltende, um 0,5 Rappen pro kWh günstigere Produkt ewz.mixpower nur auf Wunsch erhältlich ist.
Welche Elektrizitätswerke zertifizierten Strom aus erneuerbaren Energien anbieten, lässt sich beim Verein für umweltgerechte Elektrizität feststellen (Tel. 044 213 10 21, www.naturemade.org). Dort gibts auch eine Liste jener Anbieter, bei denen man Naturemade-Strom per Zertifikat beziehen kann. Dieses bescheinigt, dass der Anbieter die gewünschte Strommenge produziert und ins Netz einspeist.
Gery Schwager