Die Mutter von Vera Meister (Name geändert) lebt in der Agglomeration Bern. Für den Fall, dass sie urteilsunfähig werden sollte, ernannte sie ihre Tochter in einem Vorsorgeauftrag zu ihrer Vertreterin in persönlichen und finanziellen Angelegenheiten.
Mit 76 Jahren konnte die Mutter nicht mehr für sich sorgen, weil sie an Alzheimer erkrankte. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) ernannte Vera Meister, gestützt auf den Vorsorgeauftrag ihrer Mutter, zur Vorsorgebeauftragten.
Nach einem Jahr trat ihre Mutter in ein Altersheim ein. Deshalb wollte Vera Meister das elterliche Haus verkaufen. Doch das dauerte länger als geplant. Später verschlechterte sich ihre Beziehung zur Mutter. Schliesslich kündigte die Tochter den Vorsorgeauftrag. An ihre Stelle trat eine von der Kesb ernannte professionelle Beiständin.
Rund ein halbes Jahr später erhielt Vera Meister Post. Die Beiständin warf ihr vor, sie habe es versäumt, rechtzeitig Ergänzungsleistungen für ihre Mutter zu beantragen. Deren Vermögen sei dadurch um 31 100 Franken geschrumpft. Die Beiständin forderte sie auf, dafür aufzukommen und den Schadenfall bei ihrer Versicherung anzumelden. Vera Meisters Privathaftpflichtversicherung ist die Mobiliar. Diese lehnte eine Leistung ab: Fälle ohne Personen-, Sach- oder Tierschaden seien nicht versichert.
Gegenüber der Beiständin machte Meister geltend, sie habe keine Ergänzungsleistungen beantragt, weil ihre Mutter das Haus besass. Sie habe mit einem baldigen Verkaufserlös gerechnet und nicht damit, dass Ergänzungsleistungen nötig werden könnten. Ob die Beiständin die Schadenersatzforderung vor Gericht einklagt, ist offen.
Beauftragte müssen sorgfältig handeln
Laut Gesetz müssen Beauftragte bei einem Vorsorgeauftrag sorgfältig handeln. Sonst werden sie schadenersatzpflichtig. Stephanie Hrubesch, Professorin an der Uni Bern, sagt: «Wer vom Durchschnittsverhalten in einer bestimmten Situation abweicht, handelt unsorgfältig.» Anwälte oder Treuhänder müssten strengere Sorgfaltsmassstäbe einhalten als eine «ungeschulte» Tochter. Christoph Häfeli, Jurist und Experte für das Erwachsenenschutzrecht, sagt dazu: «Von der Vorsorgebeauftragten hätte wohl mindestens erwartet werden können, dass sie den Wert der Liegenschaft und den möglichen Verkaufserlös abklärt.» Sei die Vermögensgrenze für einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen klar überschritten gewesen, könne man der Tochter kaum einen Vorwurf machen.
Hrubesch empfiehlt Beauftragten eine Haftpflichtversicherung. Doch ist das Risiko, das bei der Annahme eines Vorsorgeauftrags übernommen wird, überhaupt versicherbar? Sind reine Vermögensschäden, die von einem Vorsorgebeauftragten verursacht wurden, von der Privathaftpflicht gedeckt? Die acht vom K-Tipp befragten grossen Versicherungen verneinten dies. Axa-Sprecherin Anna Ehrensperger ergänzte jedoch, Vorsorgebeauftrage könnten sich je nach Versicherungssumme für ein paar Hundert Franken pro Jahr speziell versichern. Auch bei der Zurich und bei der Allianz hiess es, man könne wie ein Anwalt oder ein Treuhänder eine Berufshaftpflichtversicherung abschliessen. Die Vaudoise erklärte, bei Bedarf eine Speziallösung zu suchen.
Ehepartner brauchen keinen Vorsorgeauftrag
Verheiratete oder eingetragene Partner können sich laut Gesetz in finanziellen Angelegenheiten vertreten. Eine Ehefrau kann also das Vermögen ihres urteilsunfähigen Gatten verwalten sowie Verträge abschliessen – und umgekehrt. Nur bei ausserordentlichen Geschäften wie einem Hauskauf braucht es die Zustimmung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb), falls der Partner nicht urteilsfähig ist. Bei Ledigen oder Verwitweten ernennt die Kesb einen Beistand, wenn sie urteilsunfähig werden. Mit einem Vorsorgeauftrag kann man selbst eine Person wählen, die bei Urteilsunfähigkeit die Vertretung übernimmt.
Das Vorsorgepaket des K-Tipp
Der K-Tipp hat ein Vorsorgepaket zusammengestellt, mit dem man alles Notwendige regeln kann für den Fall, dass man einmal urteilsunfähig ist und nicht mehr selbst entscheiden kann. Zu bestellen per Telefon 044 253 90 70, Fax 044 253 90 71 oder auf www.ktipp.ch.