Bernhard Binz erschrak, als er seine Wasserrechnung fürs Jahr 2020 genauer anschaute: Seine Wohngemeinde Reinach BL hatte die Gebühren auf einen Schlag um 54 Prozent erhöht. Neu kosten ihn 1000 Liter nicht mehr Fr. 1.10, sondern Fr. 1.70. Folge: Die Jahresrechnung des 61-Jährigen stieg um rund 100 Franken.
Mit seinem Ärger ist Bernhard Binz nicht allein: Auf der Website der Gemeinde steht, die Gebührenerhöhung habe «zu diversen Reaktionen aus der Bevölkerung» geführt.
Grosse Unterschiede bei den Gebühren
Die Wassergebühren sind im Portemonnaie spürbar – und sie sind sehr unterschiedlich. Gemäss dem letzten Gebührenvergleich des Preisüberwachers bilden Stans und St. Gallen zwei Extreme: In Stans kosten 1000 Liter Wasser 51 Rappen, in St. Gallen Fr. 2.77.
Im Haushalt verbraucht eine Person durchschnittlich rund 140 Liter Wasser pro Tag. Bei drei Personen sind das pro Jahr 154 000 Liter. In Stans zahlt man dafür 79, in St. Gallen 427 Franken. Dazu kommen Gebühren für Abwasser und Wasserzähler.
Bernhard Binz beanstandete seine Wasserrechnung. Anfang März antwortete ihm die Gemeinde Reinach, mit den Einnahmen aus den Gebühren den Personal- und Verwaltungsaufwand nicht mehr finanzieren zu können. Als weiteren Grund für die Preiserhöhung nannte die Gemeinde «die Stagnation des Wasserverbrauchs». Das heisst: Der Preis pro Liter steigt, weil die Leute nicht mehr Wasser brauchen – Wassersparen wird also bestraft. Dieses Prinzip kennen auch Stromkonsumenten: Elektrizitätsversorger begründen Preisaufschläge ebenfalls oft mit dem sinkenden Stromkonsum («Saldo» 14/2015). Und sie arbeiten mit Gebührenmodellen, die bei sinkendem Verbrauch den Preis pro Kilowattstunde steigen lassen (K-Tipp 18/2018).
Die Gemeinde Reinach verfügt in ihrem Versorgungsgebiet laut Preisüberwacher Stefan Meierhans über ein Monopol in der Wasserversorgung. Das bedeutet, dass die Gemeinde den Preisüberwacher vor der Festlegung neuer Gebühren anhören muss. Er hat aber nur ein Empfehlungsrecht. Doch im Fall Reinach konnte Meierhans die Preiserhöhung weder prüfen noch Empfehlungen abgeben. Der Grund: Reinach informierte ihn vor der Preiserhöhung gar nicht. Damit konfrontiert, schreibt die Gemeinde: «Bedauerlicherweise ist die Anhörung des Preisüberwachers untergegangen.»
Preisüberwacher intervenierte oft
Gemäss Meierhans verdreifachte sich die Zahl der Fälle von eingereichten Erhöhungen der Trink- und Abwassergebühren zwischen 2015 und 2020. Im Jahr 2015 sprach Meierhans bei total 63 Fällen 30 Empfehlungen aus, 2020 bei 166 Fällen 102 Empfehlungen. Eine mässigende Intervention war also in mehr als der Hälfte der beurteilten Fälle nötig. Gesamthaft musste der Preisüberwacher in diesem Zeitraum 633 Preiserhöhungen beurteilen.
Bernhard Binz hat seine Wasserrechnung in der Zwischenzeit bezahlt. Er wollte keinen weiteren Ärger und «biss in den sauren Apfel», wie er sagt.
So können Sie sich gegen höhere Gebühren wehren
Private können sich gegen unangemessene Wassertarife wehren. Ein Beschwerdeformular des Preisüberwachers findet man auf www.preisueberwacher.admin.ch -> Dienstleistungen -> Preisbeanstandung. Wird der Preisüberwacher vor Festlegung höherer Gebühren nicht angehört, liegt ein formaler Fehler vor. Diese Verletzung des Preisüberwachungsgesetzes hatte für diverse Gemeinden Folgen: Laut Preisüberwacher wurden die Tarife für die Trinkwasser- sowie die Abwasser- und Abfallentsorgung der Gemeinden Weisslingen ZH, Freienstein-Teufen ZH, Concise VD, Givisiez FR und Torricella-Taverne TI nach Rekursen für ungültig erklärt.