Der Wasserverbrauch in der Schweiz sinkt. Aktuell beträgt er rund 300 Liter pro Kopf und Tag. Vor zehn Jahren waren es noch 353 Liter – also fast 18 Prozent mehr.
Im gleichen Zeitraum wurden die Gebühren für Trink- und Abwasser vielerorts erhöht. Das zeigen Zahlen zu 100 Deutschschweizer Gemeinden mit mehr als 9000 Einwohnern, die der K-Tipp ausgewertet hat. Die Zahlen stammen aus den Datenbeständen des Preisüberwachers zur Wasserversorgung und zur Abwasserentsorgung in der Schweiz.
Demnach stiegen von 2008 bis 2017 die Gesamtkosten eines durchschnittlichen 3-Personen-Haushalts für Trink- und Abwasser in 60 der 100 Gemeinden – in einigen Fällen um mehr als 50 Prozent. Nur in 36 Gemeinden sanken die Kosten.
Wer Wasser spart, wird bestraft
Die Konsumenten werden fürs Wassersparen bestraft. Viele Gemeinden weisen nämlich darauf hin, dass der sinkende Wasserverbrauch ihre Einnahmen geschmälert habe. Die Fixkosten etwa für Infrastruktur, Personal, Qualitätssicherung und fürs Bereitstellen des Löschwassers seien aber gleich geblieben oder gar angewachsen. Das habe Tarifaufschläge unumgänglich gemacht.
Die Gemeinden haben das Wasser-Monopol
Ungesagt bleibt dabei: Wasserversorgung und Abwasserentsorgung erfolgen im Monopol. Der Druck, Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern, statt Tarife zu erhöhen, ist also nicht allzu gross.
Auch in den zehn Gemeinden, die gemäss Erhebung des K-Tipp die prozentual stärksten Preisaufschläge verzeichneten (siehe Tabelle im PDF), ist man um Begründungen nicht verlegen. Riehen BS etwa weist darauf hin, dass bis Ende 2008 beim Abwasser erst die Kläranlage über eine Gebühr finanziert wurde, das Kanalisationsnetz hingegen über Steuergelder. Mit der Einführung einer umfassenden Abwassergebühr seien den Haushalten dann zwar neue Kosten entstanden. «Zum Ausgleich konnten aber die Steuern entsprechend gesenkt werden.»
In Richterswil ZH war schon vor 2014 bekannt, dass die Trinkwassergebühren den Aufwand nicht mehr abdeckten. «Die Reserven waren zu diesem Zeitpunkt aufgebraucht», sagt Patrick Ender, Abteilungsleiter Werke. «Zudem mussten 2014 unvorhergesehene Leitungsbrüche behoben werden.» Auf Anfang 2016 wurden deshalb die Gebühren erhöht.
Investitionen in Bau, Betrieb, Unterhalt, Verbesserung und Sanierung von Leitungsnetz und Anlagen führen fast alle Gemeinden als Gründe für Tarifaufschläge an. Genannt werden ferner Kosten für Hochwasserschutz, wegfallende Subventionen sowie das Ziel, künftig Gebührensprünge zu verhindern und späteren Generationen weder marode Anlagen noch Schulden zu hinterlassen.
Preisüberwacher rügt Tarifpolitik seit langem
Immerhin: Sind höhere Gebühren für Trink- oder Abwasser geplant, muss der Preisüberwacher informiert und seine Stellungnahme abgewartet werden (siehe Unten). Er hat es allerdings oft schwer, im Einzelfall beurteilen zu können, ob ein Aufschlag angemessen ist oder nicht.
Schon im Jahresbericht 2015 kritisierte Preisüberwacher Stefan Meierhans, die Rechnungen der öffentlichen Dienste besonders bei der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung lieferten «nur selten ein realitätsnahes und transparentes Bild der finanziellen Situation». Dabei sei «eine wahrheitsgetreue Dokumentation des Vermögens und des Aufwands» die Voraussetzung fürs Ermitteln fairer Gebühren.
Weiter bemängelte der Preisüberwacher die oft «zu strenge Anwendung des Vorsichtsprinzips». So könnten «übertriebene Vorfinanzierungen von zukünftigen Investitionen oder zu enge Vorgaben bezüglich ausgeglichener Finanzen» zu überhöhten Gebühren führen. Das Gleiche bewirkten kantonale Bestimmungen, «die extrem kurze Abschreibungszeiten vorgeben».
Übrigens: Rudolf Strahm, Stefan Meierhans’ Vorgänger als Preisüberwacher, hatte die Preispolitik vieler Wasserwerke bereits im Jahr 2008 gerügt. «Häufig werden die Tarife mit einer unrealistischen Abschreibungspraxis der Netze einfach falsch kalkuliert», hielt er in einer Untersuchung fest. Die Kritik an der Gebührenpraxis ist also nicht neu. Aber offenbar noch immer nötig.
Preisüberwacher rief 140 Mal zur Mässigung auf
Bei den Wassertarifen hat auch der Preisüberwacher ein Wörtchen mitzureden. Will eine Gemeinde oder ein Unternehmen die Gebühren für Wasser oder Abwasser erhöhen, müssen sie ihn zuvor anhören. Das ist Vorschrift – wie auch der Gemeinderat von Weisslingen ZH inzwischen weiss. Er hatte Ende Mai vergangenen Jahres einen deutlichen Anstieg der Wasser- und Abwassergebühren beschlossen, ohne den Preisüberwacher vorher zu kontaktieren. Folge: Im August hob der Bezirksrat Pfäffikon ZH die Gebührenerhöhung auf.
Setzt eine politische Behörde die Gebühren fest, verfügt der Preisüberwacher über ein Empfehlungsrecht. Bestimmen Unternehmen die Preise in Eigenregie, verlangt er einvernehmliche Lösungen. Solche Interventionen sind nur nötig in Fällen, in denen sonst missbräuchliche Aufschläge drohen. Und das ist immer wieder der Fall.
Von 2013 bis 2017 beurteilte der Preisüberwacher insgesamt 267 geplante Erhöhungen von Trink- oder Abwassergebühren. Dabei sprach er in 140 Fällen eine Empfehlung aus oder mahnte eine einvernehmliche Lösung an. Eine mässigende Intervention war also in mehr als der Hälfte der beurteilten Fälle nötig.
Auch Private können sich gegen unangemessen scheinende Wassertarife wehren. Dazu gibts auf der Website des Preisüberwachers ein Beschwerdeformular: Preisueberwacher.admin.ch } Dienstleistungen } Preisbeanstandung.