Mitte Juni liess der K-Tipp ausländische Weissweine der Sorte Sauvignon blanc degustieren (K-Tipp 12/2016). Resultat: Vier Weine aus Neuseeland und Chile schmeckten der Jury am besten. Leser kritisierten daraufhin, dass der K-Tipp überhaupt Weine aus Übersee degustieren lässt. In den langen Transportwegen sahen sie «ökologischen Humbug».
Klar reist ein Wein aus Neuseeland viel weiter als etwa ein deutscher Wein, bis er beim Schweizer Konsumenten ankommt. Aber ist der deutsche Wein deshalb umweltschonender? Und wie sieht die Ökobilanz des Schweizer Weins aus? Eine Masterarbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz hat diese Fragen untersucht. Sie verglich die Ökobilanzen verschiedener Weingüter in der Schweiz, in Deutschland, Neuseeland und im Libanon. Neben dem Transport wurden auch die Auswirkungen der Produktion auf Luft, Boden und Wasser sowie der Ressourcenverbrauch bewertet.
Mehr Pestizide am Bielersee
Befund: Der Anteil des Transports an der Ökobilanz sei «wesentlich geringer als angenommen». Ausschlaggebend seien vielmehr die Anbaubedingungen – etwa das vorherrschende Klima. So müssen in einem trockenen Sommer im libanesischen Bekaa-Tal keine Pestizide eingesetzt werden. Im regenarmen Marlborough in Neuseeland trocknen Winde die Reben zusätzlich ab. «Das feuchtere Klima am Bielersee hingegen erfordert eine intensive Pflege der Reben», heisst es in der Arbeit. Das bedeutet einen höheren Einsatz von Pestiziden.
Zu einem ähnlichen Resultat kommt Niels Jungbluth, Geschäftsführer der Firma ESU-Services GmbH in Zürich. Diese erstellt Ökobilanzen im Auftrag von Unternehmen, Behörden und Umweltorganisationen. «Ein regionaler Wein ist nicht generell besser als ein Wein aus Übersee – aber auch nicht unbedingt schlechter», sagt Jungbluth. «Unsere Untersuchungen zeigen, dass beim Wein Unterschiede in den Anbaubedingungen und der Bewirtschaftung – etwa der Einsatz von Maschinen und Pestiziden – in der Regel relevanter sind als die Belastungen durch Transporte.»
In Europa oft per Bahn und Lastwagen
Irrelevant ist der Transport trotzdem nicht – wobei laut Jungbluth feststeht: Für die Umwelt sind Schiffe viel besser als Flugzeuge, die massiv mehr Energie verbrauchen. Auch Lastwagen belasteten die Umwelt stark. Transporte mit der Bahn würden deutlich besser abschneiden.
Die grössten Weinimporteure in der Schweiz sind Coop und Denner. Coop schreibt auf Anfrage, dass alle Weine aus Übersee mit dem Frachtschiff nach Rotterdam gebracht und von dort per Schiff oder Bahn in die Schweiz transportiert würden. In die regionalen Verteilzentren gelange der Wein mehrheitlich per Bahn, die Feinverteilung erfolge mit dem Lastwagen.
Anders sieht es bei europäischen Weinen aus. «Italienische und Tessiner Weine transportieren wir mit der Bahn. Weine aus anderen europäischen Ländern wie Spanien, Frankreich oder Deutschland werden per Camion transportiert», schreibt Coop.
Ähnlich ist die Situation bei Denner. Mediensprecher Thomas Kaderli: «Weine aus Übersee werden mit dem Schiff transportiert, alle übrigen per Bahn oder Lastwagen.»