Der K-Tipp lässt in seinen Lebensmitteltests regelmässig nach über 500 verschiedenen Pestiziden suchen. Einige der Chemikalien vernichten Unkraut und Pilze, andere töten Insekten.
Das Problem: Einmal auf den Feldern verspritzt, verschwinden die Chemikalien nicht einfach wieder, sondern werden durch den Wind weitergetragen, bleiben jahrelang in den Böden und gelangen sogar ins Grundwasser.
Wer sich und die Umwelt schonen will, sollte zu Bio-Produkten greifen. Sie sind selten belastet. Das zeigt eine Auswertung von 20 Lebensmitteltests der letzten drei Jahre von K-Tipp, «Saldo» und «Gesundheitstipp». Insgesamt wurden 328 Lebensmittelproben analysiert. 247 Produkte stammten aus konventioneller Landwirtschaft. Drei Viertel da- von waren mit Pestiziden belastet.
Die 81 Bio-Proben schnitten viel besser ab. In nur 10 der 67 aus dem Ausland stammenden Produkte fand das Labor Pestizidrückstande. Betroffen waren vor allem Bio-Zitrusfrüchte aus Spanien und Bio-Quinoa aus Bolivien. Von den 14 Schweizer Bio-Produkten waren 3 belastet: ein Tiefkühl-Spinat, Pommes-Chips und Mehl.
Als belastet wurden Produkte eingestuft, die mehr als 10 Mikrogramm Pestizide pro Kilo enthielten. Diese Menge entspricht dem Schweizer Interventionswert für Bio-Produkte. Das heisst: Liegt ein Pestizidrückstand darüber, muss der Produzent nachweisen, woher die Rückstände stammen. Sonst können die Produkte nicht mehr als bio verkauft werden.
Zu den am häufigsten nachgewiesenen Substanzen in Gemüse und Früchten gehörten Fungizide – also Mittel gegen Pilzbefall. In Kartoffelprodukten war es der mittlerweile verbotene Keimhemmer Chlorpropham. In Ingwer, Mehl und Quinoa waren Insektizide auffällig oft vertreten. Die nachgewiesenen Mengen lagen alle unter den geltenden Grenzwerten für einzelne Pestizide. Das bedeutet aber nicht, dass die gemessenen Rückstände harmlos sind. Denn: 75 konventionell hergestellte Produkte enthielten mehr als drei Pestizide.
Mehrfachrückstände sind heikel, weil sich Pestizide gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken können. Die Hinweise verdichten sich, dass eine langfristige Belastung aus mehreren kleinen Rückständen sogar gefährlicher ist, als es einzelne hohe Werte sind.
In einer grossen Studie von 2021 zeigte ein Team um den Forscher Harry Siviter von der US-Universität Texas, dass Pestizidgemische deutlich schädlicher auf Bienen wirken als einzelne Stressfaktoren. Ob es solche verstärkenden Wirkungen auch bei Menschen gibt, ist bis heute nicht ausreichend erforscht.
Als gesichert gilt: Einige Pestizide können auch in kleinen Mengen den Hormonhaushalt stören. Insektizide wie Cypermethrin erhöhen laut dem EU-Forschungsprojekt Contamed bei männlichen Föten das Risiko von Fehlbildungen. Die Forscher hielten 2012 fest, die gesetzlichen Massnahmen würden nicht ausreichen, um Menschen vor der Kombination verschiedener hormonaktiver Chemikalien zu schützen.
Die Produzenten kennen das Problem der Pestizid-cocktails, gehen es aber halbherzig an. Laut den Vorgaben von Swiss Gap, einem Branchenverein der Schweizer Gemüse- und Früchteproduzenten, sind Mehrfachrückstände von bis zu fünf Pestiziden in konventionellen Produkten noch «in Ordnung».
Die Bio-Branche ist im Umgang mit Pestiziden klar strenger. Mehr als zwei Rückstände können laut Bio Suisse auf eine Sorgfaltspflichtverletzung oder einen Verstoss gegen die Bio-Richtlinien hinweisen.
Wein, Schwarztee und Pesto stark belastet
Die grössten Pestizidcocktails in der K-Tipp-Auswertung fanden sich in Wein, Pesto und Schwarztee. In den Pestos von Italiamo und Rummo waren es je 6 Rückstände. Im Rotwein «Gemswändler Pinot Noir Fläsch» fand das Lebensmittellabor sieben Pestizide und im «Black Tea Finest Ceylon» von Tea Time zehn verschiedene Rückstände.
Pestizide: Schleichende Vergiftung der Umwelt
Die K-Tipp-Auswertung zeigt, dass im Gemüse- und Früchteanbau oft Pestizide eingesetzt werden, die der Umwelt langfristig schaden. Die meisten der gemessenen Stoffe sind gemäss der europäischen Chemikaliendatenbank Echa für Wasserlebewesen wie Fische und kleine Krebse giftig. Besonders kritisch: Viele Pestizide bauen sich nur langsam ab. Das führt dazu, dass sich die Substanzen in der Natur verbreiten und selbst geschützte Gebiete erreichen («saldo» 10/2021): Sie werden mit dem Wind kilometerweit getragen. Viele dieser Stoffe gelangen auch direkt in die Gewässer.
Fachleute des Wasserforschungsinstituts Eawag und des Ökotoxzentrums prangern die Pestizid-Cocktails in Gewässern seit Jahren an. Seit 2012 wurden in vielen Wasserproben der Eawag Mehrfachrückstände nachgewiesen. Gefährdet sind auch Insekten und Vögel: Eine 2017 publizierte Studie des deutschen Entomologischen Vereins Krefeld und der holländischen Radboudt-Universität Nijmegen zeigt, dass die Menge an Insekten in den Jahren 1989 bis 2017 um 76 Prozent zurückging. Der Weltbiodiversitätsrat Ipbes warnt in seinem neusten Bericht vor dem Artenterben: Fehlten Fische oder Insekten, drohten noch mehr Hungersnöte und Armut. Laut Ipbes sind in den kommenden Jahrzehnten bis zu einer Million Arten vom Aussterben bedroht.