Beobachter»-Leser konnten bisher auf der Internetseite der Zeitschrift nach Rechtsanwälten suchen. Dort waren Anwälte aufgelistet, die bereit waren, dem Verlag 550 Franken für einen Eintrag zu bezahlen.
Diese Einnahmen genügen dem Verlag nicht mehr: Seit September werden Anwaltsuchende vom «Beobachter» nun auf die Website Digitalcounsels.com weitergeleitet. Das ist eine Plattform, die Anwälte vermittelt. Der Verlag Ringier Axel Springer Schweiz AG, der den «Beobachter» herausgibt, besitzt die Aktienmehrheit des Unternehmens.
Ein Teil des Honorars landet beim Verlag
Wer via «Beobachter» einen Anwalt sucht, kann auf der Homepage sein Problem in ein Formular eintippen. Er erhält dann bis zu drei Antworten von Anwälten. Diese unterbreiten eine Offerte für die Übernahme des Mandats – entweder eine Pauschale oder ein bestimmtes Honorar pro Stunde. Der Kunde kann die Angebote annehmen oder ablehnen.
Für Klienten scheint die Anwaltssuche kostenlos. Der Haken: Die Anwälte zahlen dem Verlag hohe Gebühren, um die Plattform nutzen zu können. Jeder Anwalt, der dort mitmacht, zahlt eine Jahresgebühr von 480 Franken – und bis zu 14 Prozent des Anwaltshonorars. Ein Beispiel: Von einer Anwaltsrechnung in der Höhe von 5000 Franken behält der Verlag 700 Franken. Der Anwalt erhält nur 4300 Franken. Zahlt der Klient per Kreditkarte, kommen zudem Kreditkartengebühren von rund 3 Prozent hinzu. Am Ende landet somit ein Teil des Honorars beim Verlag.
Wer kommt letztlich für diese Zusatzkosten auf? Vermutlich die Klienten, nicht die Anwälte. Rechtsanwalt Peter Zahradnik aus Affoltern am Albis ZH zum Beispiel kritisiert das neue Geschäftsmodell des «Beobachters» und erwägt, «wegen den hohen Gebühren ein höheres Honorar zu verlangen». Ein anderer Rechtsanwalt aus dem gleichen Kanton schreibt dem K-Tipp: Der kluge Anwalt schreibe einfach mehr Stunden auf, als er effektiv für den Fall arbeite. Nur so komme er trotz der hohen Gebühren auf sein normales Honorar. Das wiederum würde den Verlag wohl nicht stören: Denn je höher der Umsatz der vermittelten Anwälte, desto höher seine Einnahmen aus diesem Geschäftszweig.
Gute Anwälte haben genug Klienten
Wichtig zu wissen: In der Schweiz zahlen Anwälte in der Regel kein Geld für die Vermittlung von Mandaten. Gute Anwälte sind mehr als ausgelastet, weil sie von Klienten per Mund-zu-Mund-Werbung weiterempfohlen werden. Anwälte, die für eine Vermittlung zahlen, sind zu wenig ausgelastet.
Wer über die Plattform von Ringier Axel Springer einen Anwalt sucht, muss zudem wissen: Das Anwaltsgeheimnis bleibt auf der Strecke. Die Klienten müssen ihren Rechtsanwalt gegenüber dem Plattform- Unternehmen vom Anwaltsgeheimnis entbinden. Das Unternehmen stellt auch Rechnung und macht das Inkasso. Der Anwalt darf nicht selber Rechnungen verschicken.
«Ein Verstoss gegen Anwaltsregeln»
René Rall, Geschäftsleiter des Schweizerischen Anwaltsverbands SAV, kritisiert das Geschäftsmodell des «Beobachters»: «Die Berufsregeln verbieten es Anwälten, Vermittlungsgebühren zu zahlen.» Anwälte dürften zwar für die Nutzung einer Internetplattform zahlen. Heikel werde es aber, wenn das Honorar davon abhänge, ob ein Mandat abgeschlossen wird. Besonders heikel sei es, wenn die Höhe der Gebühr von der Höhe des Anwaltshonorars abhänge. Rall: «Ein Anwalt, der diese Gebühr bezahlt, verstösst gegen Berufs- und Standesrecht.» Zudem sei es problematisch, dass der Rechtsanwalt an die Plattform gebunden sei und sie nicht umgehen dürfe. «Die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts darf nicht gefährdet sein.»
Dominic Rogger, Chef von Digitalcounsels, widerspricht. Das Geschäftsmodell verstosse laut einem Gutachten des Luzerner Rechtsprofessors Walter Fellmann nicht gegen die Anwaltsregeln. Er ergänzt: Die Anwälte würden durch die Plattform viel Aufwand sparen – «etwa die Zeit, um neue Klienten zu gewinnen». Roland Wahrenberger, Verlagsleiter des «Beobachters», erklärt, die Anwaltsvermittlung bleibe für die Klienten kostenlos.
Der «Beobachter» ist mit Digitalcounsels.com nicht allein. Auch die Internetseite Swissanwalt.ch vermittelt Anwälte. Auch hier zahlen die Anwälte eine Gebühr. Auf der Internetseite Advonaut.ch des Schweizerischen Anwaltsverbands können Ratsuchende Fragen stellen. Rechtsanwälte, die an Mandaten interessiert sind, können dann für eine Gebühr von 42 Franken antworten.
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So finden Sie den richtigen Anwalt
Suchen Sie keinen Anwalt übers Internet oder Branchenverzeichnisse. Fragen Sie Freunde und Bekannte, ob sie mit einem Anwalt gute Erfahrungen gemacht haben. Oder wenden Sie sich an spezialisierte Verbände wie etwa den Mieter- oder Hauseigentümerverband sowie Gewerkschaften.
Fragen Sie bei einer Kanzlei nach, die Ihnen empfohlen wurde. Falls der gewünschte Anwalt keine Zeit hat, kann er eventuell einen Kollegen empfehlen.
Prüfen Sie, auf welches Rechtsgebiet der Anwalt spezialisiert ist. Vorsicht: Die Bezeichnung «bevorzugtes Tätigkeitsgebiet» sagt nicht, wie qualifiziert der Anwalt wirklich ist.
Meist empfiehlt sich ein Anwalt aus der Region, in der ein möglicher Prozess stattfindet. Ein lokaler Anwalt kennt die örtlichen Gerichte am besten.
Auf den Internetseiten der Obergerichte sind die zugelassenen Anwälte aufgelistet. Nur sie dürfen Klienten vor Straf- und Zivilgerichten vertreten.