Wer wenig Strom braucht, zahlt mehr
Wenn es ums Stromsparen geht, sind Grundgebühren ein Hindernis. Doch einige Elektrizitätswerke scheren sich einen Deut darum.
Inhalt
K-Tipp 09/2009
03.05.2009
Letzte Aktualisierung:
05.05.2009
Gery Schwager
Erika Müllers Haushalt in Meilen ZH verbraucht wenig Strom. Im letzten Jahr waren es 1276 Kilowattstunden (kWh). Die Energie und Wasser Meilen AG (EWM) verrechnete dafür Fr. 216.20. Das macht 16,9 Rappen pro kWh (siehe Tabelle im pdf-Artikel). Tempi passati. Mit der Gesetzgebung zum liberalisierten Strommarkt hat die EWM ihre Preise «überarbeitet».
Für Private sind die verbrauchsabhängigen Tarife zwar etwas gesunken. Und die Stunden zwischen 20...
Erika Müllers Haushalt in Meilen ZH verbraucht wenig Strom. Im letzten Jahr waren es 1276 Kilowattstunden (kWh). Die Energie und Wasser Meilen AG (EWM) verrechnete dafür Fr. 216.20. Das macht 16,9 Rappen pro kWh (siehe Tabelle im pdf-Artikel). Tempi passati. Mit der Gesetzgebung zum liberalisierten Strommarkt hat die EWM ihre Preise «überarbeitet».
Für Private sind die verbrauchsabhängigen Tarife zwar etwas gesunken. Und die Stunden zwischen 20 und 22 Uhr zählen neu als Niedertarif. Jedoch wurde eine konsumunabhängige Grundgebühr von 10 Franken pro Monat eingeführt. Folge für den Kleinhaushalt: Müller zahlt neu 320 Franken pro Jahr, wenn sie gleich viel Strom im Hoch- und im Niedertarif benötigt wie bisher. Der kWh-Preis erhöht sich für sie auf 25,1 Rappen.
Christoph Eberhard von der EWM stellt die verteuernde Wirkung der neuen Grundgebühr bei moderatem Stromkonsum nicht in Abrede. Er verweist aber aufs Verursacherprinzip: «Die Grundgebühr muss diejenigen Kosten decken, die pro Haushalt entstehen, ohne dass der Kunde überhaupt Strom bezieht.» Gemeint sind damit vorab die Kosten für Lieferung, Unterhalt und Ablesen des Stromzählers sowie für Registerführung, Stichprobenkontrollen und Kundenadministration.
Strafe fürs Stromsparen
Allerdings: Diese Sichtweise stösst schon lange auf Kritik. Ex-Greenpeace-Präsident und Energiefachmann Heini Glauser hat sie bereits vor zwei Jahren im K-Tipp als fragwürdig bezeichnet. Denn die Grundgebühr bestraft Stromsparen mit einem höheren Preis pro kWh. Würde Erika Müller ihren Elektrizitätsverbrauch um 20 Prozent reduzieren, sänke der Rechnungsbetrag nur um knapp 12 Prozent und der kWh-Preis würde von 25,1 auf 27,6 Rappen steigen.
Erhöht sich die Grundgebühr, wird dieser Mechanismus verschärft. Aber das beeindruckt einige Stromversorger wenig. So steigt die Grundgebühr (im Doppeltarif) bei der Groupe E in Freiburg um gut 79 Franken, bei der Elektra Baselland (EBL) um über 63, beim Elektrizitätswerk Jona-Rapperswil um knapp 52 und bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ) um rund 13 Franken pro Jahr. Als Begründung dient ebenfalls das Schlagwort der Kostenwahrheit. EBL und EKZ machen zudem geltend, mit der Erhöhung den gesetzlichen Spielraum nicht voll auszuschöpfen.
In einigen Städten keine Grundgebühr
Das mag sein. Doch es gibt Versorger, die die Grundgebühr per 2009 gesenkt haben, wie das Elektrizitätswerk des Bezirks Schwyz. Und bei den Stadtwerken von Zürich, Basel und Lausanne wurde sie schon früher ganz abgeschafft. Das ist ganz im Sinne der Konsumentenschutzorganisationen in der Deutschschweiz, in der Romandie und im Tessin: Zusammen mit WWF, Greenpeace und Schweizerischer Energie-Stiftung fordern sie von den Stromversorgern, die Grundgebühr zu streichen und danach Tarife einzuführen, die mit wachsendem Verbrauch ansteigen (siehe unten). Damit künftig belohnt wird, wer Strom spart.
Die Faust im Sack hilft nicht weiter
Noch können Private ihren Stromversorger nicht frei wählen. Aber sie können ihn auffordern, auf Grundgebühren zu verzichten und mit einem neuen Tarifmodell Anreize zum Stromsparen zu schaffen. Bei der Stiftung für Konsumentenschutz gibts dazu einen Musterbrief.
Wehren kann man sich auch gegen Tarifaufschläge. Zwar haben in den letzten Wochen mehrere Elektrizitätswerke mit Parolen wie «Strompreise günstiger als geplant» die Kunden glauben machen wollen, bei den Tarifen sei alles wieder im Lot. Tatsache aber ist: Die Strompreise sind vielerorts gestiegen – bloss nicht ganz so massiv wie zunächst befürchtet. Die Korrektur verordnet hat die Eidg. Elektrizitätskommission (Elcom), nachdem wegen der Ankündigungen vom letzten Herbst eine Beschwerdeflut über sie hereingebrochen war.
Nun liegen die neu berechneten Tarife 2009 vor. Wer die Rechnung seines Stromlieferanten noch immer für unangemessen hoch hält, kann sich bei der Elcom beschweren (Rechnungskopien oder andere Dokumente beilegen, aus denen die Tarife 2008 und 2009 hervorgehen): Eidgenössische Elektrizitätskommission, Mühlestrasse 4, 3063 Ittigen. Obs im Einzelfall etwas nützt, ist allerdings offen.
Ein Ende des Preis-Streits ist ohnehin nicht in Sicht: Aus der Strombranche sind beim Bundesverwaltungsgericht bereits mehrere Rekurse gegen den Elcom-Entscheid eingegangen.