Wer zahlt, wenns durch das Dach tropft?
Eigentumswohnungen erleben einen Boom.<br />
Viele Käufer sind sich aber nicht bewusst, dass die Kostenbeteiligung bei Sanierungen und Ausbauten immer wieder zu Konflikten führt.
Inhalt
K-Geld 1/2007
07.02.2007
Jürg Zulliger
Wohnen im Stockwerkeigentum ist sehr beliebt - verbindet dies doch die Vorteile einer verdichteten Bauweise mit dem Spielraum und der Sicherheit der eigenen vier Wände. Doch das Zusammenleben unter einem Dach ist auch konfliktträchtig, wie folgende drei häufig auftretenden Fälle zeigen:
Fall 1: Undichtes Flachdach
Ein Stockwerkeigentümer stellt graue Verfärbungen an der Decke fest, teils tropft sogar Wasser auf die Böden. Die Reparatur des Flachdachs ...
Wohnen im Stockwerkeigentum ist sehr beliebt - verbindet dies doch die Vorteile einer verdichteten Bauweise mit dem Spielraum und der Sicherheit der eigenen vier Wände. Doch das Zusammenleben unter einem Dach ist auch konfliktträchtig, wie folgende drei häufig auftretenden Fälle zeigen:
Fall 1: Undichtes Flachdach
Ein Stockwerkeigentümer stellt graue Verfärbungen an der Decke fest, teils tropft sogar Wasser auf die Böden. Die Reparatur des Flachdachs ist überfällig. Das defekte Dach ist aber zugleich Teil der Terrasse des Nachbarn, der die Attika-Wohnung im obersten Stock bewohnt.
Die Sanierung des Flachdachs kostet mehrere 10 000 Franken. Zusätzlich entstehen beträchtliche Umtriebe und weitere Kosten. So müssen die zahlreichen grossen und schweren Eternitkisten mit üppig wuchernder Terrassenbepflanzung eigens mit einem Pneukran entfernt und nach der Sanierung wieder zurück auf die Terrasse befördert werden.
Nun streitet sich die Gemeinschaft, wer wie viel an die Kosten beisteuern muss.
Grundsätzlich gilt: Sanierung und Reparatur gemeinsamer Gebäudeteile im Miteigentum sind Sache der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer. Dazu gehören Bauteile, die für das Gebäude und dessen Festigkeit wesentlich sind - etwa die Fassade oder das Dach.
Das legt auch ein Entscheid des Bundesgerichts nahe, das sich in einem vergleichbaren Fall mit einem Flachdach bei Terrassenhäusern befasst hat. Dominik Romang, Rechtsanwalt und Präsident des Stockwerkeigentümerverbandes, sagt deshalb: «Überträgt man diesen Entscheid auf Stockwerkeigentum, so muss die Gemeinschaft für jene Bauteile aufkommen, die für die Konstruktion des Dachs oder des Gebäudes notwendig sind.»
Im vorliegenden Fall zählen dazu die Betondecke, Wärmedämmung und Wasserisolation sowie zuoberst eine Schutzschicht aus Kies oder Mörtel.
Der Stockwerkeigentümer im oberen Geschoss muss indes für jene Kosten aufkommen, die daraus entstehen, dass er das Flachdach als Terrasse nutzt. Konkret muss er also den Aufwand für das Abräumen der Terrasse übernehmen.
Fall 2: Platz für Abfallcontainer
Eine Stockwerkeigentümergemeinschaft sieht sich mit der Auflage der Gemeinde konfrontiert, einen Abstellplatz für einen Abfallcontainer zu erstellen. Einen finanziellen Beitrag oder eine Entschädigung dafür gibt es nicht.
Schliesslich entscheidet sich die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer, ein paar Quadratmeter Rasen dafür zu opfern. Dieser Teil des Gartens war bis anhin dem Bewohner der Parterrewohnung zur ausschliesslichen Nutzung zugewiesen. Der Stockwerkeigentümer verlangt eine Entschädigung - und hat auch ein Anrecht darauf.
«Genau gleich ist der Sachverhalt, wenn ein Container nicht auf die Wiese, sondern beispielsweise auf den Parkplatz eines Eigentümers zu stehen kommt», sagt Romang. Der betreffende Stockwerkeigentümer, der für das ausschliessliche Benutzungsrecht an diesem Parkplatz 10 000 oder 20 000 Franken bezahlt hat, würde sich dieses Recht kaum entschädigungslos wegnehmen lassen.
Fall 3: Swimming-pool im Garten
In einem anderen Fall entzündet sich der Streit um den Bau eines Swimming-pools, den sich ein Teil der Bewohner wünscht. Ein einzelner Stockwerkeigentümer widersetzt sich dieser Idee heftig. Er will unter keinen Umständen zur Übernahme der Kosten verpflichtet werden.
Bei jeder baulichen Massnahme einer Stockwerkeigentümergemeinschaft muss man unterscheiden zwischen notwendigem, nützlichem und luxuriösem Projekt:
- Als notwendig ist die Sanierung eines lecken Dachs oder einer einsturzgefährdeten Stützmauer zu betrachten. Die Mehrheit der Stockwerkeigentümer kann solche Massnahmen beschliessen.
- Als nützlich gelten Sanierungen, die den Wert oder die Gebrauchsfähigkeit des Hauses erhöhen, etwa der Einbau einer besseren Wärmedämmung an der Fassade oder die Installation einer modernen Heizung. Zur Umsetzung braucht es das qualifizierte Mehr, das heisst, die Mehrheit nach Stimmen und Wertquoten.
- Drittens gibt es Bauarbeiten, die der Bequemlichkeit und Verschönerung dienen. Diese Massnahmen bedürfen der Zustimmung aller Stockwerkeigentümer.
Die Mehrheit kann einen solchen Beschluss aber auch gegen den Willen eines einzelnen Eigentümers durchsetzen. Nämlich dann, wenn dadurch sein Nutzungsrecht an der Wohnung nicht dauernd beeinträchtigt wird, wenn er für eine vorübergehende Beeinträchtigung entschädigt wird und die anderen dessen Kostenanteil übernehmen.
In Bezug auf den vorliegenden Fall ist der Sachverhalt damit offensichtlich: Ein Swimmingpool ist als luxuriöse Massnahme einzustufen. Somit ist es zwar einer Mehrheit unbenommen, eine solche Anlage durchzusetzen - wenn ein Einzelner dagegen ist, kann er aber nicht zur Übernahme von Kosten herangezogen werden.
Reparaturen, Unterhalt: So gibts keinen Krach unter Eigentümern
- Fenster
Sind die Fenster zwingend gemeinschaftlich oder können sie dem Sonderrecht der einzelnen Stockwerkeigentümer zugeschlagen werden? Dies ist eine der umstrittensten Fragen.
Das Gesetz sagt, dass alle Bauteile, die für den Bau wesentlich sind und das äussere Erscheinungsbild prägen, zwingend gemeinschaftlich sind. Viele Rechtsgelehrte stellen sich daher auf den Standpunkt, dass Fenster nicht sonderrechtsfähig sind - selbst wenn sie laut Reglement zum Sonderrecht gehören.
Einige Juristen vertreten aber auch die Auffassung, dass aus praktischen Gründen normale Fenster und Balkontüren zu Sonderrecht ausgeschieden werden können - nicht aber Fensterfronten, die den Charakter einer Abschlussmauer haben.
In der Praxis führt dies zu spitzfindigen Diskussionen, ganz abgesehen von den ästhetischen Problemen, wenn die Eigentümer ihre Fenster in eigener Regie sanieren und ersetzen.
Empfehlung
Fensterunterhalt und -ersatz sollten im Reglement geregelt sein. Sinnvoll ist eine Vereinbarung, wonach die Gemeinschaft über die Fenster beschliesst, aber die einzelnen Eigentümer die Kosten zu tragen haben - entweder gemäss Wertquote oder nach einem separat vereinbarten Kostenschlüssel.
- Verwaltungsfonds oder Betriebskostenkonto
Damit der laufende Unterhalt und Betrieb sichergestellt sind, sollte der Verwaltungsfonds angemessen geäufnet werden. Daraus werden Reparaturen, Versicherungsprämien usw. ohne Verzug finanziert.
Empfehlung
Gemäss Faustregel sind 1 bis 1,5 Prozent des Gebäudeversicherungswerts zu budgetieren. Im Einzelfall ist es jedoch Sache der Verwaltung, ein Budget festzusetzen und die Höhe der Einlagen zu regeln.
- Erneuerungsfonds
Er ist die wichtigste Massnahme, um der Altersentwertung einer Liegenschaft vorzubeugen und Erneuerungen zu finanzieren. «Man kann gar nicht früh genug anfangen, Reserven anzulegen», sagt Rechtsanwalt Dominik Romang.
Empfehlung
Die jährlichen Einlagen sollten mindestens 0,5 Prozent des Gebäudeversicherungswerts betragen. Das Ziel: Nach 15 bis 20 Jahren sollten im Fonds mindestens 5 Prozent des Gebäudeversicherungswerts liegen.