Wie Sie nach dem Crash zu Cash kommen
Gute Nachricht für Reisende: Wer im Ausland einen Autounfall erleidet, muss sich neuerdings nicht mehr mit der ausländischen Versicherung des Verursachers herum-schlagen. Das gilt aber noch nicht überall.
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K-Tipp 12/2004
16.06.2004
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Fahren Sie in den Sommerferien mit dem Auto nach Italien oder Frankreich? Dann können Sie nur hoffen, dass Ihnen kein Einheimischer eine Beule macht. Denn um Schadenersatz zu erhalten, müssten Sie mit der ausländischen Versicherung des «Täters» über ausländisches Recht diskutieren - in französischer oder italienischer Sprache.
Besser hat es da seit neustem, wer nach Spanien, Irland, Deutschland, Österreich, Skandinavien oder in die Benelux-Länder fährt. Dort und in ein...
Fahren Sie in den Sommerferien mit dem Auto nach Italien oder Frankreich? Dann können Sie nur hoffen, dass Ihnen kein Einheimischer eine Beule macht. Denn um Schadenersatz zu erhalten, müssten Sie mit der ausländischen Versicherung des «Täters» über ausländisches Recht diskutieren - in französischer oder italienischer Sprache.
Besser hat es da seit neustem, wer nach Spanien, Irland, Deutschland, Österreich, Skandinavien oder in die Benelux-Länder fährt. Dort und in einigen Ländern Osteuropas haben Schweizer Automobilisten nämlich einen Vorteil: Sie können zuhause in ihrer Muttersprache Schadenersatz fordern.
Möglich machen es Abkommen, die das Nationale Versicherungsbüro Schweiz mit 17 ausländischen Partnerbüros abgeschlossen hat. Sie sehen vor, dass die Versicherungsgesellschaften dieser Länder in der Schweiz je einen so genannten Schadenregulierungs-Beauftragten ernennen. Umgekehrt machen die Schweizer Versicherungen in den Partnerländern dasselbe.
Versicherungen: Die meisten machen mit
Als Beauftragte - umgangssprachlich «Schadenbotschafter» genannt - kommen Zweigniederlassungen, andere Versicherungen oder Anwälte in Frage.
Der Schwachpunkt: Die Versicherungen sind nicht verpflichtet, den Abkommen beizutreten. Der Leiter des Nationalen Versicherungsbüros Schweiz, Martin Metzler, relativiert aber: «Erfreulicherweise macht in jedem der 17 Partnerländer der weitaus grösste Teil der Autohaftpflicht-Versicherer mit. Und auch in der Schweiz sind praktisch alle Gesellschaften dabei.»
Keine freie Wahl haben die Versicherungen im Verhältnis zwischen der Schweiz und Liechtenstein. Denn das Fürstentum ist bisher das einzige Land, das mit der Schweiz einen Staatsvertrag zum so genannten «Besucherschutz» abgeschlossen hat. Alle Versicherer des einen Landes müssen deshalb im anderen Land Schadenbotschafter bestimmen.
Nicht nur das: Die Schadenbotschafter müssen einem geschädigten Autofahrer innert drei Monaten ein Schadenersatzangebot unterbreiten oder - falls die Haftung strittig oder das Schadenausmass unklar ist - eine begründete Antwort geben.
Italien und Frankreich: Lösung noch offen
Tun sie dies nicht, kann sich der Autofahrer an eine Entschädigungsstelle - in der Schweiz an den Nationalen Garantiefonds - wenden. Diese setzt dem Schadenbotschafter eine zweimonatige Nachfrist, nach deren Ablauf sie den Fall selber regelt.
Liechtenstein in Ehren. Aber was ist mit Frankreich und Italien, des Schweizers liebsten Reiseländern? Von einem Staatsvertrag mit diesen Ländern kann der Chef des Nationalen Versicherungsbüros vorläufig nur träumen: «Wir wären schon zufrieden, wenn wir mit diesen Ländern auf Stufe Versicherungsbüros endlich ein Abkommen über den Austausch von Schadenbotschaftern schliessen könnten.»
Unter den EU-Ländern läufts besser
Fristen für die Schadenerledigung wären darin - wie in den bereits bestehenden 17 Abkommen - nicht vorgesehen.
Dass Schweizer Autofahrer nicht automatisch von allen Vorteilen des Besucherschutzes profitieren, hängt damit zusammen, dass die Schweiz nicht Mitglied der EU oder des EWR ist. Unter diesen Staaten gilt die entsprechende EU-Richtlinie schon seit 2003. Die Schweiz aber muss mit jedem Land einzeln verhandeln.
Kleiner Trost für Automobilisten: Die im Staatsvertrag mit Liechtenstein enthaltenen Schadenerledigungsfristen gelten auch bei Unfällen in der Schweiz. Wer also hier einen Unfall erleidet, hat Anspruch darauf, von der gegnerischen Haftpflichtversicherung innert drei Monaten zumindest einen begründeten Bescheid zu erhalten. Sonst kann er sich an den Garantiefonds wenden.
Internet-Adressen:
- www.nbingf.ch (Rubrik «Besucherschutz update»): Liste der Länder, mit denen ein Abkommen auf Stufe Nationale Versicherungsbüros besteht
- bpv.admin.ch/de/aktuell/ liste.htm#top: Liste der Länder, mit denen ein Staatsvertrag besteht
Neues Angebot für Allianz-Kunden
Die Allianz offeriert ihren Versicherten einen so genannten «Auslandschadenschutz».
Für eine Zusatzprämie von 68 Franken pro Jahr regelt die Versicherung einen Schadenfall mit dem Auto im Ausland, wie wenn der ausländische Unfallbeteiligte bei ihr versichert wäre. Für Töfffahrer beträgt die Prämie 34 Franken im Jahr. Der Geschädigte muss sich dann nicht an den Schadenbotschafter der ausländischen Haftpflichtversicherung wenden (siehe Artikel), sondern kann die eigene Versicherung bemühen. Diese fordert das Geld dann von der Versicherung des Unfallverursachers zurück.
Nach Meinung des K-Tipp eignet sich das Angebot vor allem für Allianz-Kunden, die oft in Ländern unterwegs sind, deren Nationales Versicherungsbüro mit dem Schweizer Büro kein Abkommen hat. Oder für Leute, die das Risiko ausschliessen wollen, in einem Land, mit dem ein Abkommen besteht, von jemandem gerammt zu werden, dessen Versicherung dem Abkommen nicht beigetreten ist.
Auslandfahrten: Denken Sie an Grün und an Blau
Wer mit dem eigenen Auto ins Ausland fährt, sollte ein paar Tipps beachten - und im Fall eines Falles richtig reagieren.
- Nehmen Sie die Grüne Karte als Bestätigung Ihrer Haftpflichtversicherung mit. Sie ist zwar nur noch für Fahrten in Länder, die nicht Mitglieder der EU sind, obligatorisch, aber überall nützlich. Darauf finden Sie alle Angaben, die bei einem Unfall im Ausland wichtig sind.
- Fahren Sie grundsätzlich nie ohne ein blaues Europäisches Unfallprotokoll. Sie erhalten es gratis bei Ihrer Versicherung.
- Inhaber eines Schutzbriefes sollten daran denken, die Notrufnummer ihres Automobilclubs (ACS, TCS, VCS) mitzunehmen.
- Falls Sie weiter weg fahren als in den Mittelmeerraum, erkundigen Sie sich zur Sicherheit bei Ihrer Versicherung nach dem Versicherungsschutz.
Nach einem Unfall:
- Füllen Sie ein Europäisches Unfallprotokoll aus, auch wenn der andere Unfallbeteiligte verspricht, er zahle alles. Achten Sie darauf, das andere Kontrollschild im Protokoll richtig zu notieren.
- Unterschreiben Sie auf keinen Fall weitere Papiere, die als Schuldanerkennung gelten könnten.
- Überprüfen Sie die Personalien des andern Unfallbeteiligten aufgrund zuverlässiger Dokumente.
- Rufen Sie die Polizei, wenn der andere Autolenker den Zusammenstoss verschuldet hat, das Protokoll nicht unterschreiben will oder wenn es Verletzte gegeben hat.
- Notieren Sie die Namen und Adressen allfälliger Zeugen.
- Falls Sie einen Schutzbrief haben, kontaktieren Sie den entsprechenden Automobilclub. Je nach Schutzbrief sind verschiedene Leistungen gedeckt (Notfalltransport, Pannenhilfe, Mehrkosten während der Reparatur des Fahrzeugs, Heimschaffung des Fahrzeugs etc.).
- Benachrichtigen Sie Ihre Autoversicherung. Die Telefonnummer finden Sie im Feld Nummer 8 der Grünen Karte.
- Denken Sie daran, eine allfällige Verkehrsrechtsschutz-Versicherung zu informieren.
- Erkundigen Sie sich beim Nationalen Versicherungsbüro Schweiz, wie Sie Ihre Schadenersatzansprüche geltend machen können (Telefon 0800 831 831, aus dem Ausland ++41 1 628 89 30).
- Die Auskunftsstelle des Versicherungsbüros kann anhand des Kontrollschilds und der Automarke auch abklären, bei welcher Gesellschaft der andere Fahrzeuglenker versichert ist und wer allenfalls als Schadenbotschafter dieser Gesellschaft in der Schweiz amtet.