Die Schweizer essen so viel Fisch und Meeresfrüchte wie noch nie: Im vergangenen Jahr waren es durchschnittlich rund 9 Kilogramm pro Kopf. Weltweit kletterte der Konsum sogar auf 19 Kilogramm pro Kopf.
Die Hälfte aller weltweit verspeisten Fische stammt aus Zucht in sogenannten Aquakulturen. Dies hält die Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) in ihrem aktuellen Jahresbericht zu Fischerei und Aufzucht fest. In solchen Zuchtbetrieben sah man lange eine Chance für die Erholung der Wildfischbestände. Claude Martin, ehemaliger Generaldirektor von WWF International, sah in der Fischzucht noch vor zehn Jahren «eine sinnvolle und ernst zu nehmende Alternative zur Überfischung der Weltmeere» («Saldo» 1/2003).
Lachs und Forelle am beliebtesten
In den Industrieländern verspeisen die Menschen vor allem Raubfische. Beispiel Schweiz: Der beliebteste Frischfisch ist der Lachs, gefolgt von der Forelle. Dies geht aus dem Marktbericht des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) hervor. Der Haken: Raubfische wie Lachs und Forelle brauchen Fleisch, um zu wachsen. Dieses erhalten sie in Form von Fischmehl und Fischöl. Damit gemästet, erreichen sie rasch das nötige Schlachtgewicht.
Meeresbiologe Rainer Froese vom Geomar-Institut für Ozeanforschung in Kiel (D) sagt dazu: «In den Wasserfarmen produzieren wir nicht Tiere wie Kühe, Schweine und Hühner, sondern eher Wölfe und Adler, die mit Fleisch gefüttert werden müssen.»
Woher stammen Fischmehl und Fischöl für die Fütterung der Zuchtfische? Laut der Fischschutzorganisation Fair-Fish decken Fischmehl und Fischöl aus Verarbeitungsabfällen nur einen kleinen Teil des Bedarfs. Das meiste Fischmehl stamme direkt aus der Fischerei. «Fischzuchten fördern den Raubbau an den Meeren sogar noch», kritisiert Fair-Fish.
«Futterfisch» fehlt der armen Bevölkerung
Froese bestätigt dies: Für ein Kilogramm Fisch aus Aquakulturen müssten drei bis fünf Kilogramm Meeresfische verfüttert werden. Meist sind es Sardinen, Heringe oder andere Kleinfische, die zu Fischmehl und -öl verarbeitet werden. In Peru – dem grössten Produzenten von Fischmehl – fehlen laut einer FAO-Studie diese «Futterfische» der ärmeren Bevölkerung als Nahrung.
Auch anderen Meeresbewohnern gehts zunehmend an den Kragen. Beispiel Krill, eine Kleinkrebsart: Die Bestände nehmen ab, weil sie verstärkt industriell befischt werden. Froese: «Aus den Krebstieren wird Fischmehl gemacht – Futter für Aquakulturen, damit wir Reichen im Westen Lachs essen können.»
Bei Coop und Migros stammen laut eigenen Angaben rund 50 Prozent der Fische im Angebot aus Zuchtfarmen. Bei Aldi und Lidl sind es 40 beziehungsweise 30 Prozent.
Der WWF hat vor fünf Jahren ein Label für umweltgerechtere Aquakulturen lanciert – den Aquaculture Stewardship Council (ASC). Zudem werden Zuchtfische auch unter Bio-Labels vertrieben. Gemäss WWF ist die Zucht von Fischen und Meerstieren für die Welternährung unverzichtbar. Rainer Froese ist da anderer Meinung: Er glaubt nicht, dass Aquakulturen die menschliche Ernährung gewährleisten können. Es sei sinnvoller, die gefährdeten Fischbestände wiederaufzubauen. Das funktioniere nur mit einem vernünftigen Fischereimanagement. Beispiel USA: Dort sei gesetzlich festgeschrieben, dass nicht mehr Fisch gefangen werden darf, als geboren wird.