Willkür bei den Honoraren
Viele Spitäler verlangen ungeniert hohe Ausländertarife. Doch Patienten müssen horrende Honorare nicht einfach bezahlen.
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K-Tipp 20/2006
29.11.2006
Vera Sohmer - vera.sohmer@ktipp.ch
Mehr als 10 000 Franken sollte Familie Jabri aus Dubai hinblättern - dafür, dass die 5-jährige Tochter Sophia eine Nacht zur Beobachtung im Zürcher Kinderspital lag (K-Tipp 17/2006). Unverständlich ist diese horrende Rechnung nicht nur für Jabris. Die verrechneten Tarife sind auch für den Verband Zürcher Krankenhäuser (VZK) «nicht nachvollziehbar». Seinen Angaben nach wäre es fair gewesen, das Kinderspital hätte sich als Mitglied des VZK an dessen Grundsätze gehalten. Die Rechnung ...
Mehr als 10 000 Franken sollte Familie Jabri aus Dubai hinblättern - dafür, dass die 5-jährige Tochter Sophia eine Nacht zur Beobachtung im Zürcher Kinderspital lag (K-Tipp 17/2006). Unverständlich ist diese horrende Rechnung nicht nur für Jabris. Die verrechneten Tarife sind auch für den Verband Zürcher Krankenhäuser (VZK) «nicht nachvollziehbar». Seinen Angaben nach wäre es fair gewesen, das Kinderspital hätte sich als Mitglied des VZK an dessen Grundsätze gehalten. Die Rechnung wäre dann auf rund 7700 Franken gekommen. Jabris hätten damit gleich viel bezahlt wie Patienten aus dem EU-Raum.
Der VZK räumt aber ein, dass er dem Kinderspital nichts vorschreiben kann. Was das Spital von Selbstzahler-Patienten aus Ländern ausserhalb des EU- und Efta-Raums verlangt, liegt allein in seinem Ermessen. «Spitäler verlangen von diesen Patienten, was sie wollen», bringt es die Schweizerische Patientenorganisation auf den Punkt.
«Kostendeckender Zuschlag»?
Derart deutliche Aussagen scheut das Kinderspital. Direktor Louis Landolt schreibt dem K-Tipp nur: «Bei Patienten mit Wohnort ausserhalb von EU und Efta erheben wir einen kostendeckenden Zuschlag.»
Landolt stützt sich bei diesen Ausländertarifen nach eigenen Angaben auf die Taxordnung des Kantons Zürichs. Aber: «Dieser Verweis ist unzutreffend», sagt die Zürcher Gesundheitsdirektion. Diese Taxordnung gelte nur für kantonale Spitäler. Alle anderen, also auch das Kinderspital, legten «in eigener Verantwortung ihre Tarifgrundsätze und konkreten Preise ausserhalb der Versicherungspflicht fest». Die Gesundheitsdirektion ist nach eigenen Aussagen nicht befugt, «in diesem privatwirtschaftlichen Bereich die Spitäler zu kontrollieren oder ihnen Vorschriften zu machen». Man vertraue darauf, «dass sich ein Spital mit seiner Kundschaft ausserhalb der Grundversicherung einigen kann». Die Kontrollfunktion liege dadurch ausschliesslich beim Patienten.
Wucher gibts auch in der Medizin
Das heisst: Es herrscht freier Wettbewerb. Das Spital hätte sich mit Jabris per Vertrag über die anwendbaren Ansätze einigen müssen. Eine solche Vereinbarung existiert aber nicht. Einseitige Preisdiktate ersetzen keinen gültigen Vertrag. Und irgendwo liegt rechtlich die Grenze zum strafbaren Wucher - auch bei medizinischen Dienstleistungen.
Das Zürcher Kinderspital hat aufgrund der K-Tipp-Recherchen die Rechnung an Familie Jabri inzwischen nach unten korrigiert. Sie beläuft sich jetzt auf rund 7400 Franken - immerhin 2600 Franken weniger.
Rechnungen gut überprüfen!
Wer in der Schweiz lebt, ist obligatorisch für Spitaldienstleistungen versichert. Für Besucher aus dem Ausland kann ein stationärer Aufenthalt sehr teuer werden. Beachten Sie deshalb:
- Für im Ausland wohnhafte Patienten gelten höhere Tarife als für Schweizer. Ein Beispiel: Wäre einem Schweizer Kind aus dem Kanton Zürich der im Artikel beschriebene Unfall passiert, hätte die Spitalrechnung 2347 Franken betragen. Für ein Kind aus dem EU-Raum wären 7693 Franken verrechnet worden.
- Für Ausländer aus Nicht-EU- und -Efta-Ländern gelten keine bestimmten Tarife. Patient und Krankenhaus müssen sich vertraglich einigen.
- In Notfällen ist ein Spital zur Hilfe verpflichtet. Dies berechtigt aber nicht zu einer Rechnung in beliebiger Höhe. Ist nichts anderes abgemacht, hat eine Klinik den Anspruch auf ein «übliches Honorar». Über die Höhe des üblichen Honorars geben Patientenorganisationen Auskunft.