Beispiel Wohnmobil «C-Line I 4.9» des deutschen Herstellers Carthago: Die sogenannte «Masse in fahrbereitem Zustand» liegt bei 3215 Kilogramm, das zulässige Gesamtgewicht bei 3500 Kilo. Das heisst: Die maximale Zuladung beträgt gerade mal 285 Kilo. Eingerechnet sind in der «Masse in fahrbereitem Zustand» nach EU-Vorschriften ein 75 Kilo schwerer Fahrer, ein zu 90 Prozent gefüllter Treibstofftank, ein voller Frischwassertank sowie eine volle Gasflasche.
Doch hier beginnen bereits die Tricksereien. Carthago fährt bei der Fahrzeugabnahme nicht mit 170 Litern Frischwasser auf die Waage, sondern nur mit 20 Litern. Und der Hersteller schreibt bei den technischen Daten auch gleich noch: «Abweichungen bei den Gewichts- angaben im Rahmen von 5 Prozent sind möglich und zulässig.»
Mit anderen Worten: Das Wohnmobil kann statt 3215 auch 3376 Kilo wiegen. Und wenn der Besitzer den Frischwassertank ganz füllt, dann ist das zulässige Gesamtgewicht bereits überschritten. Ohne Mitfahrer. Ohne Gepäck. Ohne Geschirr. Und ohne Velos.
Carthago ist kein Einzelfall: Andere Hersteller wie Bürstner, La Strada, Hymer und Rapido haben ebenfalls Reisemobile im Sortiment, deren Nutzlast bei nur rund 300 Kilo liegt – ohne Sonderausstattung: Ein Automatikgetriebe wiegt knapp 20 Kilo, eine Anhängerkupplung um die 50 Kilo, eine Klimaanlage 30 Kilo, ein Veloträger bis zu 25 Kilo, ein Reserverad 20 bis 30 Kilo, eine Sonnenstore gegen 50 Kilo.
In Italien und Spanien kanns teuer werden
Viele Wohnmobilbesitzer sind sich des Problems offenbar kaum bewusst. Letzten Sommer führte zum Beispiel die deutsche Polizei bei Dresden eine Kontrolle durch: Die Hälfte der Reisemobile war zu schwer.
Zahlen aus der Schweiz gibt es nicht. Doch auch hier kontrolliert die Polizei. Einerseits mit Stichproben, andererseits auffällige Wohnmobile. So stoppte die Urner Kantonspolizei kürzlich ein Gefährt mit rund 500 Kilo Übergewicht. Die Polizei verzeigte den Fahrer.
Teuer kann es in Italien und Spanien werden. Die Bussen belaufen sich bei massivem Übergewicht auf mehrere Tausend Franken.
Nur Hymer will für mehr Nutzlast sorgen
Beim Bundesamt für Strassen beobachtet man den Trend zu immer schwereren Reisemobilen und damit immer geringerer Nutzlast mit Sorge. Doch wenn ein Wohnmobil in der EU zugelassen ist, muss es die Schweiz aufgrund der bilateralen Verträge ebenfalls zulassen.
Die Reisemobil-Hersteller nehmen das Problem nicht sehr ernst. Hersteller La Strada findet, «die 320 Kilo Zuladung sind für zwei Personen ausreichend». Doch das Fahrzeug bietet vier Sitzplätze beziehungsweise drei Schlafplätze.
Carthago und Bürstner antworteten dem K-Tipp nicht. Hymer beschloss, ab Herbst ein neues Chassis zu verwenden. Damit solle die Nutzlast um ein paar Hundert Kilo steigen.
So lässt sich Übergewicht verhindern
- Miete, Kauf einer Occasion oder eines Lagerfahrzeugs: Lassen Sie das Reisemobil wägen, und errechnen Sie die Differenz zum zulässigen Gesamtgewicht. So kommen Sie auf die Nutzlast.
- Beim Wägen: Achten Sie darauf, dass Treibstoff- sowie Frischwassertank gefüllt sind und dass mindestens eine Gasflasche an Bord ist.
- Versuchen Sie abzuschätzen, ob die Nutzlast ausreicht. Denken Sie an das Gewicht der Passagiere und deren Gepäck. Allenfalls auch an Grill, Schlauchboot, Velos etc.
- Kauf auf Bestellung: Seien Sie bei der Wahl der Sonderausstattung zurückhaltend.
- Wägen Sie ab, ob Sie das Gewicht eines Reserverads in Kauf nehmen wollen oder ob ein Pannenset reicht.
- Halten Sie im Kaufvertrag fest, wie schwer das Fahrzeug sein darf – und zwar mit gefüllten Tanks.
- Bestehen Sie vor dem Bezahlen darauf, dass das Wohnmobil gewogen wird.
- Füllen Sie den Frischwassertank vor der Fahrt nur zum Teil, falls die Nutzlast knapp ist.
- Lassen Sie vor der Fahrt das Abwasser ab.
- Nehmen Sie nur wenig Lebensmittel in Dosen mit.
- Lassen Sie Geschirr und Pfannen, die Sie nicht unbedingt benötigen, zu Hause.