Worum geht es hier eigentlich?

Abstimmungsfragen, die keiner versteht – in der Schweiz leider ein häufiges Phänomen. Dabei ginge es auch anders. Das beweisen vor allem die Gemeinden.

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K-Tipp 03/2011

06.02.2011

Letzte Aktualisierung:
08.02.2011

Marco Diener

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Was jetzt folgt, liebe Leserin, lieber Leser, ist schwere Kost. Versuchen Sie durchzuhalten. Genau wie die Berner Stimmberechtigten. Denn am Wochenende vom 12./13. Februar müssen sie über folgende Frage abstimmen:

«Wollen Sie den Grossratsbeschluss betreffend Stellungnahme des Kantons Bern zum Rahmenbewilligungsgesuch für den Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg annehmen?»
Verstanden? Aber was will der Grosse Rat überhaupt? Ist er für ein neues AKW? Oder ist er dagegen? Das muss man alles zuerst herausfinden. Dabei könnte die Frage ganz einfach lauten: «Soll sich der Kanton Bern beim Bund für den Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg einsetzen?» Und schon wäre alles völlig klar.

Ein Einzelfall ist der Kanton Bern nicht. Die Baselbieter Stimmberechtigen nehmen am Wochenende zu dieser Frage Stellung:

«Wollen Sie den Landratsbeschluss vom 23. September 2010 betreffend Subvention der Theatergenossenschaft Basel (Theater Basel) für die Spielzeiten 2011/ 2012–2014/2015 annehmen?»
Auch da wissen die Stimmberechtigten nicht: Gab es bisher eine Subvention? Und falls ja: War sie niedriger? Oder höher? Der Kanton hätte besser gefragt: «Wollen Sie die Subvention ans Theater Basel für die nächsten vier Spielzeiten auf 34 Millionen Franken verdoppeln?» Aber wer will dem Stimmvolk schon reinen Wein einschenken.

Auch der Bund tut sich bisweilen schwer (siehe unten). Eine Besserung ist nicht in Sicht. Denn der Bund verweist auf Anfrage des K-Tipp aufs Abstimmungsbüchlein, wo es ausführliche Infos gebe. Gibt es tatsächlich.

Und der seriöse Stimmberechtigte studiert das Büchlein auch. Aber das entbindet die Behörden nicht von der Pflicht, ihre Abstimmungsfragen verständlich zu formulieren.

Einfache Fragen – zum Beispiel im Thurgau

Dass dies möglich ist, beweisen kleinere Kantone und Gemeinden. Zum Beispiel Oberiberg SZ: «Wollen Sie die Hundesteuer (Grundsteuer) auf den 1. Januar 2012 für Nutzhunde auf Fr. 40.– und für andere Hunde auf Fr. 100.– erhöhen?» Oder Illnau-Effretikon ZH: «Wollen Sie einen Objekt-Kredit von Fr. 4 350 000.– für den Neubau einer einfachen Halle über dem Eisfeld 1 bewilligen?»

Oder der Thurgau: «Wollen Sie dem Beschluss des Grossen Rates vom 1. September 2010 über das Kreditbegehren von 7 630 000 Franken für die Aufstockung der Turnhallen des Berufsbildungszentrums Weinfelden zustimmen?»
Übrigens: Sogar beim Bund können die Verantwortlichen klare Fragen stellen. Zum Beispiel: «Wollen Sie die Volksinitiative ‹Gegen den Bau von Minaretten› annehmen?» Und schon war alles klar.

Unklare Abstimmungsfragen

Auf Bundesebene sind Abstimmungsfragen häufig unklar formuliert. Der K-Tipp hat ein paar Beispiele zusammengetragen – und liefert auch noch die Erklärungen dazu:

Abstimmungsfrage: «Wollen Sie den Bundesbeschluss vom 3. Oktober 2008 zur Schaffung einer Spezialfinanzierung für Aufgaben im Luftverkehr annehmen?»
Unklarheit: Wofür ist das Geld? Woher soll es kommen? Und um welchen Betrag geht es?
Erklärung: Es ging darum, dass die Kerosinsteuer nicht mehr der Bundeskasse und dem Strassenverkehr zugute kommen sollte, sondern der Bundeskasse und dem Flugverkehr. Und zwar für die technische Sicherheit, den Schutz vor Terror und den Umweltschutz.

Abstimmungsfrage: «Wollen Sie den Bundesbeschluss vom 13. Juni 2008 über die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 2252/ 2004 über biometrische Pässe und Reisedokumente (Weiterentwicklung des Schengen- Besitzstands) annehmen?»
Unklarheit: Alles ein bisschen lang und kompliziert. Und was für Noten sollen da ausgetauscht werden? Banknoten? Erklärung: Nein, es ging um die Einführung von Pässen, auf denen Foto und Fingerabdrücke elektronisch gespeichert sind.

Abstimmungsfrage: «Wollen Sie die Änderung vom 6. Oktober 2000 des Bundesgesetzes über die Armee und die Militärverwaltung (Bewaffnung) annehmen?»
Unklarheit: Worum geht es hier überhaupt? Erklärung: Um bewaffnete Auslandeinsätze.

Abstimmungsfrage: «Wollen Sie die Änderung vom 19. Dezember 2008 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) (Mindestumwandlungssatz) annehmen?»
Unklarheit: Geht es um Renten? Und falls ja: Sollen Sie erhöht oder gesenkt werden? Erklärung: Bundesrat und Parlament wollten den Umwandlungssatz und damit die Renten senken. Dagegen ergriff der K-Tipp das Referendum – mit Erfolg. Wer fürs Referendum war, musste allerdings Nein stimmen.

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