Die SBB malen wieder einmal schwarz: Die Zahl der Passagiere habe stagniert, die Leute hätten weniger Bahnkilometer zurückgelegt, und der Gewinn im Personenverkehr sei um 29,5 Millionen auf rund 65 Millionen Franken gesunken, klagte SBB-Chef Andreas Meyer kürzlich bei der Vorstellung der Geschäftszahlen fürs erste Halbjahr 2012. Deshalb seien weitere Preiserhöhungen unausweichlich.
Das stösst vielen Bahnkunden sauer auf, wie ein Blick in Internetforen zeigt. Ironisch heisst es dort zum Beispiel: «Als die Passagierzahlen stiegen, folgerte Meyer messerscharf, dass die Billettpreise steigen müssen. Jetzt, wo sie sinken, folgert Meyer messerscharf, dass die Billettpreise ebenfalls steigen müssen.»
Tatsächlich blicken die SBB auf ein Jahrzehnt mit stetig wachsenden Passagierzahlen zurück – und die Passagiere auf eines mit immer höheren Tarifen. Und dies, obwohl die Aufschläge der Bundesbahnen vom Preisüberwacher genehmigt werden müssen.
Offiziell ist es zwar jeweils der Verband Öffentlicher Verkehr (VÖV), der Tarifanstiege ankündigt. Doch die SBB als mächtigstes Unternehmen im öffentlichen Verkehr haben darin entscheidendes Gewicht. Preiserhöhungen würden denn auch meist von den SBB beantragt, hielt Preisüberwacher Stefan Meierhans schon im Jahresbericht 2010 fest.
Der K-Tipp hat die vier Preisrunden seit den Tarifaufschlägen vom Dezember 2004 unter die Lupe genommen – und dabei festgestellt: Besonders gross waren die Erfolge des Preisüberwachers in diesen Fällen nicht. Ausser bei der Erhöhung 2007 konnten die SBB im Durchschnitt stets deutlich stärker aufschlagen, als dies die Teuerung gerechtfertigt hätte (siehe Tabelle unten). Die Preisrunden 2011 und 2012 hätten angesichts rückläufiger Teuerung eigentlich gar nicht stattfinden dürfen.
Bei den Einzelbilletten, Tageskarten und Abonnementen ist die Bilanz des Preisüberwachers seit Ende 2004 mager. Die Tageskarten schlugen in dieser Zeit exakt so stark auf wie vom VÖV und von den SBB gefordert (siehe Tabelle oben). Dasselbe gilt für alle Generalabos der 1. Klasse und fürs 1-Jahres-Halbtaxabo. Bei den 2.-Klass-GA und den Halbtax-Abos für zwei bzw. drei Jahre konnte der Preisüberwacher die Aufschläge zwar reduzieren, aber nur bescheiden.
«Nur Tropfen auf heisse Steine»
Kurt Schreiber, Präsident der Interessenvertretung der Kunden des öffentlichen Verkehrs «Pro Bahn», spricht denn auch nüchtern von «Tropfen auf heisse Steine».
Den Bahnen dürften diese «Tropfen» wenig ausgemacht haben. Die Vermutung liegt nahe, dass sie die Konzessionen gegenüber dem Preisüberwacher von Anfang an eingeplant hatten, also quasi mit einer «Preisüberwacher-Marge» in die Verhandlungen gestiegen waren.
Der VÖV verneint das zwar. Und die SBB-Pressestelle sagt dazu bloss: «Unsere Verhandlungsstrategien breiten wir nicht öffentlich aus.» Preisüberwacher Meierhans selber schliesst aber keineswegs aus, dass VÖV und SBB mit dieser Taktik operiert haben: «Ich bin ja nicht naiv.» Allerdings ergänzt er: «Die ursprüngliche Forderung spielt an sich keine Rolle. Die Preisüberwachung prüft nämlich immer aufgrund der tatsächlichen Kosten, nicht aufgrund der vom VÖV als angemessen beantragten Tarife.»
Auffallend bleibt, wie gelassen die Bahnen auf die Kürzung ihrer Begehren zu reagieren pflegten. So bezeichnete VÖV-Direktor Ueli Stückelberger die jüngste Vereinbarung mit Meierhans als «gangbaren Weg». Und Stückelbergers Vorgänger Peter Vollmer meinte nach der Verhandlungsrunde 2010 auf eine Journalistenfrage sinngemäss, man sei vor dem Preisüberwacher nicht eingeknickt: «Materiell gesehen hat er ja relativ wenig bewirkt.»
Undurchsichtige Distanzzuschläge
Die Billettpreise der Bahnen richten sich prinzipiell nach der Streckenlänge. Auf einigen Strecken verlangen die Bahnen je-doch Distanzzuschläge. Sie dienten ursprünglich dazu, höhere Tarife auf Strecken mit vielen teuren Kunstbauten wie Brücken und Tunnels zu begründen (siehe K-Tipp 11/11).
Doch die Kriterien, nach denen die Bahnen Zuschläge erhoben, wurden zunehmend undurchsichtig. Als die SBB 2007 wieder auf mehreren gut ausgelasteten Strecken die Zuschläge erhöhen wollten, zog daher der damalige Preisüberwacher Rudolf Strahm die Notbremse. Er forderte, die Zuschläge seien entweder abzuschaffen oder durch ein System mit klaren Kriterien zu ersetzen.
Doch erst als Strahms Nachfolger Stefan Meierhans erneut Druck machte, kam Bewegung in die Sache. 2011 legte der VÖV einen Bericht über die Distanzzuschläge vor und räumte ein, es bestehe «kein Handlungsbedarf, am geltenden Tarifgefüge Anpassungen vorzunehmen».
Dieses Jahr kamen Meierhans und VÖV überein, die Distanzzuschläge mindestens bis Ende 2016 nicht zu erhöhen.
Gegendarstellung
Der K-Tipp hat in seiner Ausgabe vom 5. September 2012 und auf der Website mehrfach behauptet und grafisch dargestellt, Swisscom mache bei den Privatkunden auf einen Franken Einnahmen vor Abschreibungen 60 Rappen Gewinn.
Diese Aussage «60 % Gewinn» ist falsch. Swisscom hat im ersten Halbjahr 2012 einen Gewinn von 16 % erzielt. Der korrekte Wert enthält die Kosten des Netzbetriebs und der eingesetzten Informationstechnik (Netz und IT). Ohne diese Aufwendungen und Investitionen könnten die Kunden weder telefonieren noch das Internet oder das TV-Angebot nutzen. Selbst wenn man die Investitionen in die Netze und weitere Kosten weglässt, betrug der EBITDA (d.h. das Betriebsergebnis vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern) im schweizerischen Telekom-Geschäft nicht 60 %, sondern rund 45 %.
In den Geschäftsberichten von Swisscom steht deutlich, dass der vom K-Tipp zitierte Wert von 60% lediglich einen Deckungsbeitrag im Privatkundengeschäft darstellt, den man als «Bruttomarge vor Netzkosten und Investitionen» bezeichnen könnte. Es ist aber keineswegs der Gewinn, welchen Swisscom mit ihren Privatkundinnen und -kunden erzielt. Swisscom AG
Unterschriftenbogen: Bestellen oder herunterladen
Mit der Volksinitiative «Pro Service public» wollen der K-Tipp und «Saldo» dafür sorgen, dass Bundesbetriebe wie SBB, Post und Swisscom den Bürgern einen guten und bezahlbaren Service bieten.
Unterschriftenbogen können Sie bestellen bei K-Tipp, «Pro Service public», Postfach 431, 8024 Zürich, über Tel. 044 266 17 17 oder unter www.proservicepublic.ch herunterladen. Wichtig: Auf einem Bogen dürfen sich nur Stimmberechtigte derselben politischen Gemeinde eintragen. Senden Sie bitte auch nicht voll ausgefüllte Listen ein!