Nach den Ferien auf Sizilien landeten Michael Zanoni (Name geändert) und seine Familie auf dem Flughafen Zürich.
Am Zoll wurden sie von zwei Beamten angehalten. Diese nahmen der 15-jährigen Tochter die Handtasche ab. Begründung: Es handle sich um eine Nachahmung der französischen Edelmarke Louis Vuitton.
Zanoni war überrascht: «Wir hatten bisher nie Schwierigkeiten mit dieser Tasche. Wir konnten stets unbehelligt ein- und ausreisen.» Die Tochter hatte sie vor rund zwei Jahren auf Sizilien gekauft.
Die Zöllner setzten Zanoni unter Druck, ein Formular mit dem Titel «Bescheinigung über zurückgelassene Waren im Reiseverkehr zur Vernichtung» zu unterschreiben.
Mit seiner Unterschrift erklärte er seinen Verzicht auf das Eigentum an der Tasche. Zanoni: «Wir wurden dermassen eingeschüchtert, dass ich unterschrieben habe.»
Die Beamten hätten mit einem Verfahren gedroht, das ihn mehrere tausend Franken koste.
Das ist rechtlich unhaltbar. Das Gesetz sieht zwar vor, dass der Zoll Waren bei Verdacht auf Fälschung vorübergehend beschlagnahmen darf. Anschliessend ist der Markeninhaber darüber zu informieren.
Dieser kann eine Besichtigung der Ware verlangen und falls er das Produkt für eine Fälschung hält ein Verfahren gegen den Privatreisenden einleiten. Tut er dies nicht innert zehn Tagen, muss der Zoll die Ware an den Eigentümer retournieren.
Ein Gerichtsverfahren ist für die Markeninhaber mühsam und teuer und daher höchst unwahrscheinlich. Dem K-Tipp liegt bis heute kein einziger Fall vor, in dem gegen eine Privatperson gerichtlich vorgegangen wurde. Auch die Zollbehörde nannte auf Anfrage keinen Fall.
Diese Information kommt für Zanoni zu spät: «Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dieses Formular nicht unterschrieben.»
Mit dem Druck auf Reisende, auf ihr Eigentum zu verzichten, macht sich der Zoll zum verlängerten Arm der Markeninhaber. Zudem entscheiden so faktisch die Zollbeamten die weder Markenspezialisten noch Juristen sind, ob Waren im Sinne des Markenschutzgesetzes zulässig sind oder nicht.
Walter Pavel, Sprecher der Eidgenössischen Zollverwaltung, sieht darin kein Problem: «Wir sind gesetzlich beauftragt, diese Hilfeleistung anzubieten.» Dazu gehöre, die Reisenden über die Konsequenzen zu informieren.
Der Zoll besitze gute Unterlagen, mit denen man Fälschungen erkennen könne. Zum Vorwurf, dass Zanoni unter Druck gesetzt wurde, das Verzichtsformular zu unterschreiben, nahm er nicht Stellung.
Dicke Post vom Anwalt
Wer eine Louis-Vuitton-Handtasche wegen Verdachts auf Fälschung am Zoll abgeben musste und das Verzichtsformular unterschrieben hat, erhält meist einige Wochen später noch Post des Anwalts von Louis Vuitton.
Darin fordert dieser Fr. 200.– für seinen Aufwand und als Schadenersatz wegen «Verwässerung der Marke». Zudem fordert er die Empfänger auf, eine Erklärung zu unterschreiben, wonach sie künftig keine nachgeahmten Produkte mehr einführen.
Für die K-Tipp-Juristen ist klar: Diese Forderung entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Betroffene sollten nichts zahlen und die Verzichtserklärung nicht unterschreiben. Der Anwalt von Louis Vuitton wollte dazu nicht Stellung nehmen.
Probleme am Zoll?
- Der Zoll darf bei Verdacht auf Fälschung eine Ware für maximal zehn Tage beschlagnahmen, falls das Gesuch eines Markeninhabers vorliegt. Das Eigentum an der Ware verbleibt aber beim Einreisenden. Unterschreiben Sie keine Verzichtserklärung!
- Lassen Sie sich eine Quittung geben, aus der Ort und Zeit der Beschlagnahmung sowie der Name des Beamten hervorgehen.
- Der Zoll muss Ihnen die beschlagnahmte Sache kostenlos zurückgeben, falls der Markeninhaber kein Verfahren einleitet.