Lachse sind in freier Natur häufig Tausende von Kilometern unterwegs. Sie wandern vom Geburtsort in Flüssen in die Weltmeere und – für die Fortpflanzung – später den gleichen Weg zurück.
«Die langen Wanderungen mit dem Wechsel von Süss- zu Salzwasser sind für Lachse in der Natur normal», sagt der Fischbiologe Yannick Rohrer von der Tierschutzorganisation Fair Fish. «In den engen Netzkäfigen in Zuchtfarmen ist das nicht möglich.»
Trotzdem setzt die Industrie seit Jahren auf die Zucht von Lachs, weil die Nachfrage grösser ist als die verfügbare Menge an Wildlachs. Laut der Aussenhandelsstatistik macht der Lachs in der Schweiz knapp die Hälfte des Fischkonsums aus. 60 Prozent stammen aus Zuchten.
Coop und Migros versprechen zu viel
Zuchtfarmen setzen viele Medikamente ein und verschmutzen die Umwelt. Die Alternative ist Lachs aus zertifizierten Zuchten, die ein Nachhaltigkeitslabel wie etwa ASC oder Bio tragen.
Die Werbung der Grossverteiler zu solchem Fisch klingt vielversprechend: «Zuchtlachs – Fisch gut, alles gut», schreibt Coop in einer Naturaplan-Broschüre. Lachs stamme zu 30 Prozent aus Bio-Produktion. Und die Migros verspricht im Internet: «Fisch und Meeresfrüchte aus verantwortungsvollen Quellen.»
Doch Studien zeigen ein anderes Bild. Die britische Umweltorganisation Wild Fish untersuchte im letzten Jahr Bio- und ASC-zertifizierte Zuchten in Schottland. Unterwasseraufnahmen zeigten: Viele Fische litten an Verstümmelungen, weil sie von Lachsläusen befallen waren.
Gemäss Auswertungen von Protokollen und Berichten überlebte 2022 einer von vier Zuchtlachsen in Schottland das Ende der gut zweijährigen Mastdauer nicht. In einzelnen Bio-Zuchten war die vorzeitige Sterblichkeit mit 40 bis 50 Prozent sogar deutlich höher als in konventionellen Zuchten – und dies, obwohl auch Bio-Zuchten die Lachsläuse mit künstlich hergestellten Umweltgiften wie Deltamethrin bekämpfen. Das ist erlaubt.
Gemäss der Studie setzen Bio-Lachszuchten zudem Putzerfische gegen Lachsläuse ein. Diese befreien die Lachse von den krankmachenden Parasiten, indem sie diese fressen. Das bekommt den Putzerfischen nicht gut: Sie verenden vorzeitig oder sterben spätestens bei der Ernte der Lachse.
Lachsfarmen bedrohen Wildfischbestände
In irischen Lachszuchten sterbe im Durchschnitt jeder vierte Zuchtlachs vorzeitig, hielt die Umweltorganisation Salmon Watch Ireland fest. Hinzu kommt: Auch Bio-Zuchten verursachen Umweltschäden und gefährden Wildfische.
Krankheiten und Parasiten gehen auf die Bestände über und machen sie krank. Laut internationalen Untersuchungen brachen in Küstenregionen mit vielen Lachszuchten die Wildlachsbestände ein. So verzeichneten die Behörden in Irland in den vergangenen 50 Jahren einen Verlust von nicht weniger als 90 Prozent.
Erstmals brach dieses Jahr auch der Wildbestand in der Region Connemara an der irischen Westküste ein. Dort entstanden in jüngster Zeit viele BioZuchten. Bei Coop ist Bio-Lachs aus irischen und schottischen Zuchten erhältlich. Er stammt unter anderem von einem Lieferanten aus Connemara. Auf Anfrage des K-Tipp sagt Coop, man nehme den Bericht zu den schottischen Lachszuchten zur Kenntnis. Die Einhaltung der Labelrichtlinien und das Fischwohl seien wichtig.
Die Migros verkauft vorwiegend Bio-Zuchtlachs aus Norwegen. Laut Berichten des Instituts für Meeresforschung in Bergen verendet in diesem Land jeder fünfte Zuchtlachs vorzeitig. Norwegische Züchter mästen in der gleichen Anlage sowohl Bio-Lachs als auch Fische in konventioneller Produktion, wenn auch in getrennten Käfigen. Das ist gemäss Bio-Richtlinie der EU erlaubt. Zudem beleuchten die Züchter die Lachse künstlich, damit sie in der dunklen Jahreszeit schneller wachsen.
Auf Anfrage des K-Tipp sagt die Migros, die Probleme in der Lachszucht seien bekannt. Deshalb stamme Zuchtlachs ausschliesslich aus zertifizierten Betrieben. Zur Kritik, dass diese kaum besser seien als konventionelle Lachszuchten, nahm der Grossverteiler nicht Stellung.
Die Organisation Bio Suisse sagt gegenüber dem K-Tipp, die Produktion von Bio-Lachs gebe es noch nicht lange. Das sei eine Herausforderung. Im Vergleich zur konventionellen Produktion hätten Bio-Lachse immerhin viel Platz und gutes Futter, das aus Fischabfällen bestehen müsse.
«Nachhaltig ist das nicht»
Der Nachhaltigkeitsfachmann Urs Baumgartner beschäftigt sich oft mit Öko-Labels und Fischfarmen. Er sagt: «Die Produktionsbedingungen bei Bio-Lachs haben wenig mit der Grundidee des biologischen Anbaus zu tun. Nachhaltig ist das nicht.»
«Fische aus lokaler Bio-Zucht wählen»
Fischbiologe Yannick Rohrer über Alternativen zu Zucht- und Wildlachs.
Lachs aus Zuchten ist problematisch. Ist Wildlachs die bessere Wahl?
Nicht unbedingt. Atlantiklachs steht auf der Liste der bedrohten Arten. Im Pazifik gibt es zwar einige gesunde andere Lachsarten, etwa in Alaska und Kanada. Doch Fische aus solchen Beständen im Laden zu finden, ist schwierig. Dafür sind die Deklarationspflichten zu dürftig.
Was sind die Alternativen zu Lachs?
Vertretbar sind Wildfische aus nicht gefährdeten Beständen – etwa die Europäische Sardelle und die Königsmakrele. Umweltfreundlicher sind vorwiegend pflanzenfressende Fische wie Karpfen und Tilapia aus extensiver Teichwirtschaft.
Gibt es lachsähnliche Fische?
Dem Lachs in Geschmack und Fettgehalt ähnlich sind Forellen und Saiblinge. Da greift man am besten zu Fischen aus lokalen Bio-Zuchten.
Das gilt bei ASC- und Bio-Fisch
ASC-zertifizierte Fischzuchten verpflichten sich, transparent zu sein und minimale Umweltstandards zu beachten. So dürfen etwa Antibiotika nur wenn nötig und kontrolliert zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden.
Fischzuchten mit einem Bio-Label müssen strengere Umweltschutzvorschriften einhalten. Fischfutter zum Beispiel muss ohne Antibiotika, Hormone oder andere Wachstumsförderer hergestellt werden.