Für Bahnreisende zwischen Basel und Zürich war die zweite Januarwoche besonders mühsam. Am Montag, 7. Januar, erreichten gleich fünf Züge den Hauptbahnhof Zürich mit einer Verspätung von über zehn Minuten. Der Nachmittagszug mit planmässiger Ankunft um 16.26 Uhr war über eine halbe Stunde verspätet. Der Abendzug, der in Zürich um 20.26 Uhr hätte einfahren müssen, verlor gar eine Stunde auf den Fahrplan. Auch am Dienstag und Mittwoch sah es nicht viel besser aus. Und am Donnerstag hatte sogar jeder zweite Zug von Basel nach Zürich HB eine Verspätung von über drei Minuten.
In der Schweiz gilt ein Zug als verspätet, wenn er drei Minuten zu spät ankommt. «Damit haben wir europaweit die strengsten Messkriterien», schreiben die SBB stolz auf ihrer Website. Einmal im Jahr frischt der Staatsbetrieb zwei Statistiken auf:
Die «Kundenpünktlichkeit» soll 2016 bei 88,82 Prozent gelegen haben, 2017 bei 89,03 Prozent. Die Zahlen für 2018 wollen die SBB erst an der Bilanzpressekonferenz im März bekanntgeben. «Kundenpünktlichkeit» heisst: So gross ist der Anteil der Reisenden, die ohne Verspätung am Zielbahnhof eintreffen. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Und: Trotz Prozentangaben mit zwei Stellen hinter dem Komma sind diese Werte bloss Hochrechnungen. Das bestätigen die SBB.
Noch besser ist gemäss den SBB die «Anschlusspünktlichkeit». 2016 haben demnach 96,7 Prozent der Reisenden ihren Anschlusszug erreicht, 2017 sogar 97,2 Prozent. Auch das sind bloss Hochrechnungen.
Andreas Gutweniger ist IT-Fachmann bei der Firma Detecon in Zürich. Er entwickelte im Rahmen einer Weiterbildung die Website
www.puenktlichkeit.ch. Sie deckt die Verspätungen der Bus-, Tram- und Bahnbetriebe auf. Die Daten stammen
von der «Open-Data-Plattform öV Schweiz» des Bundesamts für Verkehr (
Opentransportdata.swiss/de). Dabei handelt es sich um eine gigantische Datensammlung mit Informationen zum öffentlichen Verkehr, darunter auch die tatsächlichen An- und Abfahrtszeiten sämtlicher konzessionierter Transportunternehmen.
Zwischen Olten und Bern war jeder fünfte Zug verspätet
Im Unterschied zu den SBB misst Gutweniger nicht die Kundenpünktlichkeit, sondern die Pünktlichkeit der Züge bei der Ankunft. Analysiert man seine Daten des vergangenen Jahres, sieht es mit der vielgepriesenen Pünktlichkeit der SBB nicht mehr so toll aus:
Auf der wichtigen Intercity-Strecke Olten–Bern kamen 2018 nur knapp 81 Prozent pünktlich an. Das heisst: Jeder fünfte Zug war über drei Minuten verspätet (siehe Tabelle im PDF).
Auf der Paradestrecke Zürich–Bern kamen fast 27 Prozent der Züge mit einer Verspätung von mehr als drei Minuten in Bern an. Über 10 Prozent hatten sogar eine Verspätung von über fünf Minuten.
Am schlechtesten war die Verbindung Brig–Sitten. Nur 17,7 Prozent der Züge kamen pünktlich an. Im Dezember waren sogar alle Züge zwischen Brig und Sitten über drei Minuten verspätet. Die SBB wollen dazu auf Anfrage nicht Stellung nehmen.
Weitere Problemstrecken sind Olten–Basel (fast 28 Prozent mit Verspätung), Chiasso–Lugano (55,6 Prozent mit Verspätung) und Montreux-Lausanne (fast zwei Drittel der Züge mit Verspätung).
Beim Regionalexpress schneiden die SBB besser ab: 92 Prozent aller Züge waren pünktlich unterwegs. Damit liegt der Bundesbetrieb in der Schweiz allerdings nur an fünfter Stelle – hinter den Bahnunternehmen Transports publics fribourgeois, der Schweizerischen Südostbahn, Regionalps und Thurbo. Bei den S-Bahnen liegen die SBB mit einer Pünktlichkeitsrate von 91 Prozent an neunter Stelle von zwölf getesteten Bahnen.
Bemerkenswert: Der Direktor des Bundesamts für Verkehr, Peter Füglistaler, lobt die Website von Andreas Gutweniger. Auf der Internetplattform Linkedin schrieb er laut «Solothurner Zeitung»: «Nur statistisch erhobene Werte, ganz ohne Schönreden der Kommunikationsabteilungen.»
Die Postauto AG sagt, der südliche Kantonsteil des Tessins sei während den Hauptverkehrszeiten «verkehrsmässig sehr stark belastet». Das führe auch im Grossraum Lugano zu Verspätungen.
Unpünktliche Postautos
Auf der Website
Puenktlichkeit.ch sind auch die Verspätungen von einigen Busunternehmen erfasst. Dabei schneidet die Postauto AG schlecht ab. Auf neun der zehn Strecken mit den meisten Verspätungen war im vergangenen Jahr ein Postauto unterwegs. Vor allem in der südlichen Schweiz ist die Situation unbefriedigend. In Bivio (Kurs 523) zum Beispiel waren fünf von sechs Postautos verspätet. Pech hatte auch, wer in Manno in der Nähe von Lugano die Haltestelle Uovo di Manno benutzte. Das Postauto (Kurs 444) kam in 16 von 17 Fällen zu spät an.