Zynische Vermieter
Legionellen können die Gesundheit gefährden: In St. Gallen musste ein Rentnerpaar ausziehen, weil die Hausverwaltung trotz Bluttest, Wasserprobe und Arztzeugnis stur blieb.
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K-Tipp 16/2006
04.10.2006
Otto Hostettler - otto.hostettler@ktipp.ch
Für den St. Galler Arzt Felix Weber ist der Fall klar: Vor dem Wohnungswechsel sei Martha Locher (Name geändert) «über Jahre nicht ernsthaft krank» gewesen. Doch seit sie mit ihrem Mann Markus am neuen Ort wohnt, leidet sie an chronisch entzündeten Schleimhäuten sowie «konstant an Folgeschäden in Form von Atemstörungen mit Atemnot». Der Hausarzt kommt zu einem klaren Schluss: «Mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht ein Kausalzusammenhang mit der überhöhten Zahl nachgewiesener Legione...
Für den St. Galler Arzt Felix Weber ist der Fall klar: Vor dem Wohnungswechsel sei Martha Locher (Name geändert) «über Jahre nicht ernsthaft krank» gewesen. Doch seit sie mit ihrem Mann Markus am neuen Ort wohnt, leidet sie an chronisch entzündeten Schleimhäuten sowie «konstant an Folgeschäden in Form von Atemstörungen mit Atemnot». Der Hausarzt kommt zu einem klaren Schluss: «Mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht ein Kausalzusammenhang mit der überhöhten Zahl nachgewiesener Legionellenkeime in der Warmwasserversorgung der Wohnung.»
Wasser war nur 43 bzw. 55,2 Grad warm
Der Hintergrund: Das St. Galler Amt für Lebensmittelkontrolle hat im Duschwasser der Wohnung 2800 Legionellen pro Liter nachgewiesen. Die Anzahl der gefährlichen Bakterien ist mehr als doppelt so hoch wie der vom Bundesamt für Gesundheit tolerierte Höchstwert. Bereits vorher hatte bei Martha Locher eine Blutprobe erhöhte Legionellenwerte gezeigt.
Seit ihrem Einzug ärgerten sich die Rentner über den schlechten Wasserdruck und das fehlende Heisswasser. Mehrmals monierten sie diese Mängel - mündlich und schriftlich. Die Hausverwaltung zeigte sich anfangs kooperativ und spülte das Leitungssystem. Doch Temperatur und Wasserdruck blieben gleich.
Die Mieter bissen mit weiteren Briefen bei der Hausverwaltung auf Granit. Also liessen sie die Wassertemperatur und den Druck auf eigene Kosten messen: In der Küche war das Wasser nur gerade 43 Grad warm, in der Dusche 55,2 Grad. Die Temperaturen lagen damit voll im Risikobereich, in dem sich Legionellen am besten ausbreiten.
«Was hält Sie in dieser Wohnung?»
Nun wurde die Hausverwaltung zynisch: Die Wasserprobe stamme gar nicht aus der Wohnung des Rentnerpaars, behauptete sie. Es gebe auch «keinen Anhaltspunkt», dass Martha Locher an Legionellen aus dem Wasserleitungssystem der fraglichen Liegenschaft erkrankt sei. Schliesslich schrieb die Verwaltung: «Wenn Sie sich ernsthaft gesundheitlich gefährdet fühlen, was hält Sie dann, in dieser Wohnung auszuharren? Das Angebot an Mietwohnungen in St. Gallen ist zurzeit günstig wie seit langem nicht mehr.»
Anders gesagt: Die Hausverwaltung glaubte der erkrankten Frau nicht - trotz Bluttest, Wasserprobe und ärztlichem Zeugnis.
Das Ehepaar Locher hat kapituliert, die Wohnung gekündigt und ist umgezogen. Martha Lochers Beschwerden sind mittlerweile abgeklungen.
Schwere Erkrankungen
Legionellen sind alles andere als harmlos: Beim Menschen kann das Bakterium Legionella pneumophila zwei Krankheitsformen verursachen: die Legionärskrankheit (Legionellose) mit starkem Husten, Brustschmerzen und hohem Fieber sowie das Pontiac-Fieber mit Grippesymptomen.
Gerade bei älteren Menschen und Personen mit einem reduzierten Immunsystem kann die Legionärskrankheit tödlich verlaufen. Im Jahr 2000 wurden in der Schweiz 77 LegionellenFälle gemeldet, 2005 waren es bereits 175, in diesem Jahr ist die Tendenz erneut steigend. Weil sich die Bakterien vor allem in 25 bis 55 Grad warmem Wasser vermehren, sollte der Warmwasser-Boiler auf mindestens 60 Grad eingestellt sein.
Risiko öffentliche Dusche
In 5 von 25 öffentlichen Duschen hat der K-Tipp in einer Stichprobe zu viele Erreger der Legionärskrankheit gefunden (K-Tipp 14/06). In einem Fall wurde der Richtwert sogar um das 30fache überschritten. Der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) tolerierte Höchstwert beträgt 1000 Legionellen pro Liter Wasser.
Alle Verantwortlichen der problematischen Duschen reagierten sofort: Im Isaak-Iselin-Schulhaus in Basel, wo 31 000 Bakterien pro Liter in der Lehrerdusche gefunden wurden, hat man die Wasseranlage stillgelegt und desinfiziert.
Das Wasser in den Duschen der Squash-Hallen des Säntisparks Abtwil SG (18 000 Legionellen) wurde eine Nacht lang auf 70 Grad erhitzt. Auch in der Sportanlage Bodenweid in Bern-Bümpliz (11 000) und in der Uni-Sporthallle Neufeld in Bern (2000) wurden Massnahmen ergriffen.