Rund 1,5 Millionen Schweine leben in der Schweiz. Die Schweizer Tierschutzverordnung meint es nicht gut mit ihnen. Auslauf ist nicht vorgeschrieben. Etwa die Hälfte der Tiere kommt laut dem aktuellen Agrarbericht des Bundesamts für Landwirtschaft nie ins Freie.
Ein Mastschwein von 100 Kilogramm hat gemäss Tierschutzverordnung in einem konventionellen Betrieb 0,9 Quadratmeter Platz. In älteren Ställen sind gar nur 0,65 Quadratmeter vorgeschrieben. Für Muttersauen, die in Gruppen von über 20 Tieren gehalten werden, genügt pro Sau 1 Quadratmeter Liegefläche.
Einstreu ist in Schweinemästereien nicht vorgeschrieben. Die Schweine dürfen lebenslang auf Beton gehalten werden. Die Böden sind mit Spalten versehen, damit die Tiere nicht in ihren Exkrementen liegen. Der Mist fällt in Güllenkanäle. Ammoniakgas steigt empor. Es kann die Atemwege und die Lunge der Schweine schädigen. Der harte Untergrund kann zu schmerzhaften Klauen- und Gelenkverletzungen führen. Ab September 2018 darf nur noch ein Drittel der Fläche aus Vollspalten bestehen. Einstreu bleibt aber weiterhin freiwillig.
Rund 500 000 Ferkel sterben jedes Jahr
Hochgezüchtete Sauen werfen immer mehr Ferkel. Das «steigert den Gewinn», sagt Suisag, das Dienstleistungszentrum der Schweineproduktion. Zoologin Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz spricht von «enormem Tierleid»: «Die Mutter-sauen sind überfordert. Sie haben zu wenige Zitzen für die vielen Ferkel und magern ab.»
Würfe von bis zu 20 Ferkeln führen oft zu Totgeburten. Die Jungtiere erhalten zu wenig Milch oder werden von der Mutter erdrückt. Laut Xaver Sidler, Leiter der Abteilung für Schweinemedizin am Tierspital Zürich, sterben durchschnittlich 14 Prozent der Ferkel bis zum Absetzen. Das sind rund 500 000 Ferkel pro Jahr. Der Schweineproduzentenverband Suisseporcs bestätigt diese saldo-Schätzung.
Männliche Ferkel werden in den ersten zwei Lebenswochen kastriert, damit ihr Fleisch später nicht nach Eber riecht. Eine Studie des Tierspitals Zürich von 2013 zeigt: Die Schmerzausschaltung bei der Kastration ist oft ungenügend. Die Ferkel zeigen «heftige Abwehrreaktionen» (saldo 2/2016).
Kannibalismus in den Schweineställen
Immer wieder verletzen Schweine sich gegenseitig an Schwänzen und Ohren. Das Schweizer Agrarunternehmen UFA sagt, Kannibalismus sei ein «wiederkehrendes Problem». Gründe sind Gesundheits-, Ernährungs- und Lüftungsmängel sowie fehlende Beschäftigung der Tiere. Suisseporcs-Chef Meinrad Pfister erklärt hingegen, Kannibalismus sei bei «gutem Betriebsmanagement» selten.
Laut Tanja Kutzer, Agronomin und Geschäftsleiterin von KAG-Freiland, bewegen sich die Haltungsbedingungen für konventionelle Schweine in der Schweiz am «absoluten Limit zur Tierquälerei».
Suisseporcs, wehrt sich dagegen. Meinrad Pfister sagt, dass zwei Drittel der 1,5 Millionen Schweine nach «BTS»-Vorgaben leben würden. BTS steht für «besonders tierfreundliche Stallhaltung». Das bedeutet: BTS-Ställe gehen über die Minimalvorschriften der Tierschutzverordnung hinaus. Die Liegebereiche der Tiere haben zum Beispiel keine Spalten und müssen eingestreut sein.
Mehr Platz müssen die Schweine aber laut Bundesamt für Landwirtschaft auch in BTS-Ställen nicht haben. An die frische Luft kommen die Tiere zudem nur, wenn sie auch im «Raus»-Programm sind. Dieses gewährt ihnen permanent Zugang ins Freie. Dies trifft laut Pfister auf die Hälfte der 1,5 Millionen Schweizer Schweine zu. Für BTS und «Raus» erhalten die Bauern Direktzahlungen vom Bund. Kontrollstellen prüfen die Betriebe nach jeweils spätestens vier Jahren. Gemäss Pfister sind BTS und «Raus» für Labels wie Terrasuisse und Naturafarm von Migros und Coop Voraussetzung.
Veterinäre fordern «Antibiotikasteuer»
Schweizer Schweine erhalten jährlich mehrere Tonnen Antibiotika. Wie viel genau, weiss niemand. Die Zahlen werden nicht erfasst. Xaver Sidler, Leiter der Abteilung für Schweinemedizin am Tierspital Zürich, sagt: «Der Antibiotikaeinsatz in den Betrieben liesse sich um gut die Hälfte reduzieren.»
Ein übermässiger Antibiotikaeinsatz in Ställen ist für Konsumenten gefährlich. Erhalten die Tiere zu viele Antibiotika, wirken die Medikamente nicht mehr gegen Bakterien. Resistente Krankheitserreger können durch Lebensmittel auf Menschen übertragen werden.
Die Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit warnt: «Die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen stellt zurzeit die grösste biologische Bedrohung für die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung dar.»
Mit Antibiotika werden «oft Management- und Haltungsmängel überdeckt», kritisiert die Schweizerische Vereinigung für Schweinemedizin. Grund: Antibiotika seien billiger als die Behebung von Mängeln. Die Vereinigung fordert eine «Antibiotikasteuer», um den Verbrauch besser lenken zu können. Antibiotika sollen teurer werden, vorbeugende Medikamente wie Impfstoffe billiger.