Viele Läden verkaufen ölige Produkte wie eingelegte Tomaten oder Pestosauce in Gläsern mit Schraubdeckeln. Der Dichtungsring auf der Deckelinnenseite besteht fast immer aus dem Kunststoff PVC.
Das Problem: Viele chemische Substanzen sind fettlöslich. Die Folge: Je länger der Dichtungsring mit Öl in Kontakt kommt, desto mehr Weichmacher gehen vom PVC in die Lebensmittel über. Durch Weichmacher werden Kunststoffe geschmeidiger, können aber auch gesundheitsgefährdend sein.
2013 ergab eine europaweite Stichprobe unter der Leitung des Zürcher Kantonslabors, dass bei 29 Prozent der entsprechenden Produkte der Grenzwert überschritten wurde. Das Kantonslabor forderte deshalb die Detailhändler zum Handeln auf.
Bereits 2004 zeigte eine Stichprobe des Kantonslabors, dass nur bei 2 von 86 Gläsern der Grenzwert nicht überschritten war. 98 Prozent der getesteten Lebensmittel wiesen eine zu hohe Konzentration an Weichmachern auf.
Trotz langer Gnadenfrist gibts bis heute kaum unbedenkliche Deckel
Doch die Deckelhersteller haben seit 2004 wenig unternommen, um das Problem zu lösen. Von rund zwanzig Deckelherstellern gibt es laut Zürcher Kantonslabor heute lediglich zwei, deren Deckel den Grenzwert auch bei ölhaltigen Glaskonserven verlässlich einhalten.
«Das Problem ist nicht gelöst», kritisiert der Zürcher Kantonschemiker Rolf Etter. Es gebe noch immer kaum Deckel, die bei öligen Lebensmitteln die Grenzwerte einhielten.
Das Beispiel zeigt den grossen Einfluss der Lebensmittelindustrie auf die Behörden: Nach der Stichprobe von 2004 erhielt die Industrie vom Bundesamt für Gesundheit eine Gnadenfrist, um konforme Glasdeckel herzustellen. Weil die Hersteller 2004 nicht per sofort unbedenkliche Deckel produzieren konnten, hob das Bundesamt den Grenzwert für den verhältnismässig wenig bedenklichen Weichmacher Esbo im Herbst 2004 kurzerhand auf. Sonst hätte das Kantonslabor Zürich Lebensmittel im Wert von rund 100 Millionen Franken beschlagnahmen und vernichten müssen. Auch die Europäische Union erhöhte die Grenzwerte für fünf Weichmacher.
Problemlose Deckel waren zwar bereits 2005 erhältlich. Dennoch verlängerten die Schweiz und die EU die industriefreundlichen Weichmacherlimiten bis 2009. «Offensichtlich ist das Lobbying in Brüssel günstiger als die Verbesserung der Dichtungen», kritisiert das Zürcher Kantonslabor.
«Eine noch nie dagewesene Toleranz der Behörden»
Das Bundesamt sagt, die Aufhebung des Grenzwerts für Esbo sei nötig gewesen, «um der Industrie zu ermöglichen, die Deckeldichtungen anzupassen». Das Zürcher Kantonslabor sagt jedoch, die internationalen Deckelhersteller hätten das Problem trotz einer «noch nie dagewesenen Toleranz der Behörden» weitgehend ignoriert. Deshalb fordert das Zürcher Kantonslabor nun, dass «verantwortungsbewusste Läden auf den Verkauf solcher Produkte verzichten oder auf Deckel mit anderen Dichtungen umstellen» sollen.
Doch die Grossverteiler haben bisher nur bei einem kleinen Teil des Sortiments auf PVC-freie Deckel umgestellt: Coop bei einzelnen Fine-Food-Pastasaucen und -Pestos. Bei der Migros sind Dittmann-Produkte unbedenklich. Diese haben innen einen blauen Plastikring aus weichmacherfreiem Provalin.
Lidl sagt, alle Eigenmarken seien PVC-frei verpackt. Aldi hat bisher nach eigenen Angaben bei Sardellenfilets sowie dem Antipasti-Angebot auf weichmacherfreie Deckel umgestellt. Und Denner schreibt, die Zahl öliger Produkte in Gläsern sei reduziert worden.
Das Deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt, bei häufigem Konsum von Fertigprodukten öfter die Marke zu wechseln. So nehme man weniger gesundheitsschädliche Weichmacher auf.