Das dicke Geschäft mit der Hoffnung auf Job und Geld
Wer arbeitslos ist oder in Geldnöten steckt, greift nach fast jedem Strohhalm. Das nutzen Schlawiner aus. In Kleininseraten und im Internet versprechen sie grosse Löhne - kassieren aber vor allem selber ab.
Inhalt
Haus & Garten 4/2005
21.09.2005
Markus Kellenberger
Geld verdienen mit einfacher Heimarbeit!» Was Nina Lutz aus dem deutschen Leonberg via Internet Stellen suchenden Schweizerinnen und Schweizern anbietet, klingt gut. Alles, was man bei diesem Job tun müsse: Werbetexte und je 5 Euro an sieben verschiedene Adressen schicken - darunter selbstverständlich Lutz' eigene. Für diesen bescheidenen Einsatz verspricht Lutz einen wahren Geldsegen: «450 000 Euro bereits in den ersten sieben Monaten!»
Wer jetzt anbeisst, fällt auf ein pl...
Geld verdienen mit einfacher Heimarbeit!» Was Nina Lutz aus dem deutschen Leonberg via Internet Stellen suchenden Schweizerinnen und Schweizern anbietet, klingt gut. Alles, was man bei diesem Job tun müsse: Werbetexte und je 5 Euro an sieben verschiedene Adressen schicken - darunter selbstverständlich Lutz' eigene. Für diesen bescheidenen Einsatz verspricht Lutz einen wahren Geldsegen: «450 000 Euro bereits in den ersten sieben Monaten!»
Wer jetzt anbeisst, fällt auf ein plumpes Schneeballsystem herein, bei dem höchstens die Initianten Geld verdienen. Kommt dazu, dass die Teilnahme an Schneeballsystemen und das Anwerben neuer Opfer verboten sind und strafrechtlich verfolgt werden. Es drohen Bussen bis zu 10 000 Franken - auch wenn das die Urheber immer wieder bestreiten.
Roland Ronchi vom Schweizerischen Verband für Heimarbeit (SVH) ärgert sich jedes Mal, wenn ihm solche Jobangebote zu Ohren kommen. «Gerade im Bereich Heimarbeit tummeln sich viele unseriöse Anbieter», klagt er. Interessant sei, dass sich die entsprechenden Angebote in wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten explosionsartig vermehrten.
Das Strickmuster unseriöser Stelleninserate ist immer gleich. Vorzugsweise in Kleininseraten oder auf wortreichen Internetsites werden «ein Superlohn», «flexible Arbeitszeiten» oder «eine schnelle Karriere» versprochen. Diese Stichworte verfehlen ihre Wirkung selten, denn «sie zielen haargenau auf Leute, die kaum mehr Hoffnung auf einen Job haben oder einfach naiv vom grossen Geld träumen», sagt Arbeitsrechtlerin Doris Bianchi vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).
Letzteres, den Traum vom grossen Geld, nutzen vor allem so genannte MLM - Multi-Level-Marketing-Unternehmen - wie Herbalife oder Amway aus, die mittels Kleininseraten in Stellenanzeigern oder auf Internetjobbörsen neue Vertreter suchen.
Finanziell sind die Leute oft ärmer dran als vorher
Gemeinsam ist solchen Anzeigen, dass nie konkret gesagt wird, worum es bei der angebotenen Arbeit geht. Stattdessen werden Platitüden wie «Träume nicht Dein Leben - lebe Deinen Traum» oder «Work smart, not hard» zum Besten gegeben, kombiniert mit dem Versprechen eines schier unbegrenzten Einkommens auf Bonus- oder Provisionsbasis.
«MLM ist nicht per se unseriös», meint dazu Roland Ronchi. «Aber wir raten Stellensuchenden ab, auf solche Angebote einzusteigen. Wer eine Arbeit und Geld braucht, will in der Regel einen richtigen Arbeitsvertrag und einen regelmässigen Lohn.»
Gerade diese Basis-Sicherheiten - zu denen auch Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherungen sowie Alters- und Invalidenrenten gehören - seien bei MLM aber grundsätzlich nicht gegeben, warnt Ronchi. «Dort arbeitet jeder auf eigene Rechnung und trägt somit auch das ganze Geschäftsrisiko alleine.»
Das grosse Geld verdienen in der Regel nur die Initianten. Ronchi wundert es daher nicht, dass immer wieder Leute enttäuscht - und finanziell oft ärmer dran als vorher - aus solchen Systemen aussteigen. Doch der Ausstieg ist oft nicht einfach. Wer nämlich längere Zeit mitmacht, verliert häufig den Kontakt zu Menschen ausserhalb dieses Systems, wie Jean-Daniel Strub von der Evangelischen Informationsstelle Kirche-Sekten-Religionen meint.
«MLM-Geschädigte haben vor Gericht gute Chancen»
Grund: «MLM-Systeme versprechen den finanziellen Erfolg oft unter Einhaltung der von ihnen vermittelten Verhaltensregeln.» Geld verdienen werde «zum Heilsversprechen». In klaren Worten: «Die MLM-Firma erhält ein pseudoreligiöses Gewicht.»
Für Arbeitsrechtler Adrian von Kaenel aus Wetzikon ZH ist das einer der Hauptgründe dafür, dass es im Bereich MLM und in anderen schneeballähnlichen Vertriebs- und Geldsystemen eher selten zu Rechtsfällen komme. «Die Leute sind einem grossen psychologischen Druck ausgesetzt», sagt er. Wer merke, dass er auf unhaltbare Versprechen hereingefallen sei und dabei eventuell noch Geld verloren habe, schäme sich in der Regel für seine Leichtgläubigkeit und wolle das verständlicherweise nicht an die grosse Glocke hängen.
Von Kaenel bedauert das und beruft sich auf das Bundesgericht. Dieses habe bei verschiedenen Streitfällen die Vertriebsverträge von MLM-Firmen normalen Arbeitsverträgen gleichgestellt, was bedeute: « MLM-Geschädigte haben gute Chancen, zu ihrem Recht und allfällig versprochenem Geld zu kommen.»
Tipps: So erkennen Sie die Fallen in Inseraten
Hinter vielen Kleininseraten, die Fulltime- oder Nebenjobs versprechen, verstecken sich unseriöse Anbieter oder schneeballähnliche Vertriebssysteme. Lassen Sie die Finger davon, wenn:
- das Inserat nicht klipp und klar aussagt, um welche Arbeit es konkret geht;
- es sich um Versandarbeiten von zu Hause aus handelt;
- verlockend von grossen Verdienstmöglichkeiten gesprochen wird;
- nur eine Postfachadresse angegeben ist;
- bloss eine beschränkte telefonische Kontaktmöglichkeit besteht;
- es sich um eine Handy- oder 0900er-Nummer handelt;
- nur ein Telefonbeantworter Ihren Anruf entgegennimmt;
- für weitere Infos, Unterlagen, Waren oder Arbeitsgeräte im Voraus Geld verlangt wird;
- Sie für irgendwelche Tests oder Schulungen zahlen sollen.
Weitere Infos
- Schweizer Zentralstelle für Heimarbeit, Bern
www.heimarbeit. ch;
- Regionale Arbeitsvermittlungszentren (RAV)
www.treffpunkt-arbeit.ch;Evangelische Informationsstelle Kirche-Sekten-Religionen, www.relinfo.ch.
Vorsicht: Hier tummeln sich die grössten Schlawiner
Unseriöse Arbeitsangebote, das heisst solche, bei denen die Gefahr gross ist, Geld zu verlieren statt zu verdienen, finden sich hauptsächlich in drei Bereichen:
1. Heimarbeit
Vorsicht geboten ist vor allem bei Kleininseraten mit Angeboten wie
- «Informationsversand von zu Hause aus»
- «Machen Sie Ihr Hobby zum Nebenverdienst» oder
- «Verdienen Sie täglich bis 400 Franken»
Solche Anzeigen finden sich in Zeitungen und im Internet. Sie stammen häufig von dubiosen Schlawinern, die keine echte Arbeit zu vergeben haben, sondern ihren Opfern das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Das tun sie in der Regel, indem sie Vorauszahlungen für weitere Informationen, Unterlagen, Waren oder Arbeitsgeräte verlangen.
2. Multi-Level-Marketing
In der Freizeit viel Geld verdienen - wer möchte das nicht? Auf diesen verständlichen Wunsch bauen viele Verkäufer von Waren und Dienstleistungen und platzieren entsprechend formulierte Inserate. Häufig stecken hinter solchen Annoncen Vertriebssysteme nach dem Prinzip des Multi-Level-Marketings (MLM), auch Network-Marketing genannt.
Wer auf solche Angebote eingeht, soll nicht nur verkaufen, sondern auch - ähnlich dem Schneeballsystem - weitere Verkäufer anwerben und so nicht nur in der Hierarchie aufsteigen, sondern dank eines Bonussystems noch mehr verdienen. Diese Bonussysteme scheinen oft plausibel, doch in Wirklichkeit geht die Rechnung kaum je auf und die versprochenen Super-Verdienste bleiben ein Wunschtraum.
Grund: MLM-Einsteigerinnen und -Einsteiger klappern meist erst einmal alle Verwandten und Bekannten ab, um weitere Verkäufer zu rekrutieren. Ist dieser Teich leergefischt, wird es meist sehr schwierig, neue Interessenten zu finden, und das System bricht zusammen.
Ein weiteres Problem: Häufig werden mit MLM so genannte Wellness- oder Nahrungsergänzungsprodukte vertrieben, deren angebliche Wunderwirkung kaum je seriös bewiesen ist. Zudem sind die Produkte meist deutlich teurer als vergleichbare in Drogerien, Apotheken und Supermärkten.
3. Info-Abende
In der Regel ist es ein Kollege oder ein Verwandter, der Sie anspricht und behauptet, er kenne da eine Gelegenheit, bei der ohne viel Aufwand viel Geld zu verdienen sei - natürlich narrensicher und völlig legal! An einem «unverbindlichen Info-Abend» seien weitere Details zu erfahren.
Wer hingeht, hat schon den ersten Fehler gemacht, denn hinter solchen Info-Abenden stecken oft geschickt eingefädelte schneeballartige Verkaufs- oder Spielsysteme.
Ein aktuelles Beispiel sind die so genannten Schenkkreise. Wer mitmacht, verliert mit grösster Wahrscheinlichkeit das eingesetzte Geld.
Das ist auch an Info-Abenden der Fall, bei denen angeblich sichere Geldanlage-Instrumente das Thema sind. Wer in der Schweiz Mitspieler für solche pyramiden- ähnliche Gewinnsysteme anwirbt und/oder selber mitmacht, macht sich strafbar.
Das gilt - entgegen allen anders lautenden Behauptungen - auch für Schenkkreise.