Das Internet habe ich im Griff. Ich gebe nur das über mich preis, was ich will», sagt die Oberstufenschülerin Milena aus Winterthur. Sie ist sich – wie die meisten Computerbesitzer – nicht bewusst, dass sie an Apple, Microsoft, Google & Co. weit mehr Daten abliefert, als sie aktiv preisgegeben hat.
Die Datenlieferung beginnt mit dem Einloggen ins Internet. Jeder Computer und jedes Smartphone hat eine IP-Adresse. Sie ist vergleichbar mit der Postadresse des Computers. Diese wird von Internetanbietern wie Swisscom, Cablecom oder Sunrise zugeteilt. Bisher haben diese Unternehmen die Adressen für ein Gerät immer wieder neu für einen bestimmten Zeitraum vergeben. Künftig kann jedes Gerät eine gleichbleibende Adresse erhalten (siehe Kasten unten). Am 6. Juni starteten die ersten Unternehmen, darunter Google und Swisscom, mit diesem Verfahren. In den nächsten drei Jahren soll der gesamte Internetverkehr schrittweise aufs neue Format umgestellt werden. Die Folgen kennt Eliane Schmid, Informationsverantwortliche des eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeits-beauftragten: «Eine statische IP-Adresse ermöglicht es, die Bewegungen eines Benutzers minutiös nachzuvollziehen.»
Beispiel: Wer in einem Forum anonym über seine psychischen Probleme berichtet, kann künftig schneller identifiziert werden. Das könnte etwa einen Arbeitgeber interessieren.
Websites mit «Gefällt mir»-Button senden Daten an Facebook
Die Aufzeichnung der Computerdaten ist das eine. Auch wenn Milena durchs TV-Programm zappt, kann der Kabelnetzbetreiber auf ihre Gewohnheiten und Vorlieben schliessen. Denn ihr TV-Gerät ist mit ihm verbunden. Kauft sie in der Migros ein, weiss der Grossverteiler dank der Cumulus-Karte, was Milena gerne isst. Und das Mobilfunkunternehmen weiss, mit wem Milena letzten Monat wie lange telefoniert hat.
Besonders fleissig im Datensammeln ist der Facebook-Konzern. So werden alle Bilder aufbewahrt – selbst jene, die Milena längst gelöscht zu haben glaubt. Gespeichert wird auch ungefragt, wann und wo die Bilder aufgenommen wurden. Das Netzwerk weiss zudem stets, wann und wo Milena surft. Jede Seite, die einen blauen «Gefällt-mir»-Button enthält, sendet von sich aus Daten an Facebook, wenn sie aufgerufen wird.
Nicht nur Facebook weiss mehr über Milena, als ihr lieb ist, auch Google geschäftet ausgezeichnet mit den Daten der Kunden. Google ist nicht nur eine Suchmaschine, sondern besitzt unter anderem auch das Internet-Videoportal Youtube. Es hat mit Gmail ein eigenes Mailprogramm, ein Textverarbeitungsprogramm, einen Kalender, die Kartenplattform Google Maps, eine Bilderbibliothek oder das Smartphone-Betriebssystem Android.
Aus den vielen Daten entsteht ein genaues Persönlichkeitsbild
So erfährt Google via versandte E-Mails, dass Milena mit ihren Eltern in Spanien war und Heimweh nach ihrem Freund hatte. Denn Google scannt die E-Mails, um personalisierte Werbung einblenden zu können, wenn Milena etwas im Internet sucht. Google weiss auch, wenn Milena sich plötzlich für das Thema Schwangerschaft interessiert, weil sie im Netz Informationen dazu gesucht hat. Trägt sie ihre Frauenarzttermine im Google-Kalender ein, bleibt auch das nicht verborgen. Sogar Milenas Mutter schöpft dank Google Verdacht, denn plötzlich erscheinen auf dem Computer zu Hause Anzeigen für Umstandsmode. Grund: Google hat sich gemerkt, welche Websites Milena angewählt hat, und daraus abgeleitet, für welche Waren sie sich interessieren könnte. Google kombiniert die Daten aus den diversen Programmen und kann so ein konkretes Persönlichkeitsbild zeichnen.
Bis Ende 2011 konnte man die Konten der einzelnen Programme separat halten. Heute läuft alles über ein sogenanntes Google-Konto. Nur die Suchmaschine, Youtube oder Google Maps lassen sich teilweise ohne Google-Konto nutzen.
Das Kombinieren der Daten via das Konto hat einen klaren Zweck: Es soll präzise Profile der Nutzer für die Werbekunden erstellen. Facebook und Google sind nur auf den ersten Blick gratis. Tatsächlich zahlen die Nutzer mit ihren persönlichen Daten. Das Geschäft läuft gut: 38 Milliarden Dollar Umsatz machte Google im letzten Jahr, 96 Prozent davon mit Werbung. Facebook nimmt rund 84 Prozent des Umsatzes oder 3,1 Milliarden Dollar dank Werbung ein.
Wenigstens verschweigt Google die Datensammlerei nicht. In den Vertragsbedingungen erklärt der Konzern, «dass nicht nur Daten gespeichert werden, die der Nutzer aktiv mitteilt, sondern auch Informationen, die Google aufgrund der Benutzung der Dienste erhält». Ausdrücklich heisst es: «Wir erfassen möglicherweise gerätespezifische Informa-
tionen. Google verknüpft Ihre Gerätekennungen oder Telefonnummer gegebenenfalls mit Ihrem Konto.» Google gibt auch zu, dass «personenbezogene Daten aus einem Dienst mit Informationen und personenbezogenen Daten aus anderen Google-Diensten verknüpft» werden.
Facebook lässt sich überhaupt nicht in die Karten schauen
Selbst der Verkauf der Daten an Dritte wird offengelegt: «Wir geben möglicherweise zusammengefasste, nicht personenbezogene Daten an die Öffentlichkeit und unsere Partner – wie beispielsweise Verlage, Werbeunternehmen oder verbundene Webseiten – weiter.» Nur: Wer liest die neun Seiten lange Erklärung durch? Immerhin: Google verspricht, das Sammeln von Daten auf Wunsch zu deaktivieren (siehe Kasten rechts).
Facebook hingegen verschweigt, an wen es Daten weitergibt, und stellt sich in den Geschäftsbedingungen einen Blankocheck aus, um die Daten für jeden Zweck nutzen zu können. Immerhin: Es verwendet «die Interaktionen der Nutzer» nur für Werbung, wenn man dies nicht explizit verbietet. Ob sich Facebook daran hält – niemand ausser dem Unternehmen selbst weiss es.
So können Sie die Adresse verschlüsseln
Auf Apple-Computern sorgt das Gratisprogramm IPv 6 Anonymizer dafür, dass ein Teil der IP-Adresse verschlüsselt wird. Sie ist unter www.heise.de/download/ipv6-anonymizer-1179954. html zu finden. Windows-Computer mit Betriebssystemen Windows XP, Vista und Windows 7 verschlüsseln die Adresse schon ab Werk.
Bei mobilen Apple-Geräten wie iPhone und iPad sind Verschlüsselungen bei allen Betriebssystem-Versionen ab 4.3 automatisch eingeschaltet. Welche Version auf Ihrem Handy oder iPad aktiv ist, finden Sie unter: Einstellungen › Allgemein › Info › Version.
Bei mobilen Geräten mit Android-Betriebssystem wie HTC, Samsung und Google-Handys sind die Verschlüsselungen nur bei den neusten Versionen aktiviert (Betriebssystem Ice Cream Sandwich).
So können Sie Ihre persönlichen Daten teilweise schützen
Browser-Einstellungen
Fast alle Browser bieten die Möglichkeit, den «privaten Modus» anzuklicken. Wählt man diesen, werden auf dem Computer weder der Suchverlauf noch Cookies gespeichert. Google kann also nicht darauf zugreifen. Auch andere Nutzer sehen nicht, wo man gesurft ist. Cookies sind kleine Dateien, die bei einem Website-Besuch auf dem Computer hinterlegt werden. Sie registrieren etwa, welche Daten man auf einem Formular eingibt. Surft man im privaten Modus, muss man solche Voreinstellungen jedes Mal neu vornehmen.
Cookies kann man löschen. Beim Browser Firefox geht dies unter Einstellungen/Sicherheit, bei Safari unter Einstellungen/Datenschutz. Beim Internet Explorer sind sie unter Internetoptionen/Datenschutz zu finden, bei Chrome unter chrome:// chrome/settings/content.
Verschiedene Browser-Erweiterungen sollen helfen, dass Drittanbieter nicht alle Spuren nachvollziehen können. Die Erweiterung Ghostery zeigt beim Surfen stets an, ob eine Internetseite private Daten an Dritte übermittelt. Der Benutzer kann die kleinen Spione blockieren und bleibt so unerkannt. Die Erweiterung lässt sich unter www.ghostery.com/download herunterladen.
Google-Einstellungen
Will man nicht, dass Google die eigenen Interessen zu Werbezwecken sammelt – so zumindest das Versprechen – kann man unter https://www.google.com/settings/ads/onweb den Punkt «Anzeigen im Web» deaktivieren. Google verspricht damit, keine demografischen und Interessenskategorien mehr mit dem Browser zu verknüpfen.
Zudem kann man unter https://www.google.com/history verlangen, dass Google keinen Suchverlauf mehr speichert («Webprotokoll pausieren»).
Wer die Google-Dienste nicht mehr nutzen will, kann unter https://www.google.com/settings/account sein Konto schliessen und alle Infos löschen. Eine Gewähr für das Löschen der Daten gibt es jedoch nicht.
Facebook-Einstellungen
Jeder Facebook-Nutzer sollte seine Privatsphäreneinstellungen manuell festlegen. So sind viele Informationen wenigstens für Dritte nicht mehr sichtbar, wohl aber für Facebook. Möglich ist dies beim Punkt Privatsphäreneinstellungen, zu finden ganz rechts in der Kopfleiste. Dort wählt man statt «Öffentlich» entweder «Freunde» oder noch besser «benutzerdefiniert» und legt fest, wem grundsätzlich Einträge und Bilder angezeigt werden dürfen (zum Beispiel nur der Familie). Die Einstellungen können bei Bedarf für einzelne Einträge verändert werden.
Wichtig sind die Einstellungen unter «Chronik und Markierungen». Wer nicht will, dass Dritte ungewolltes Material mit dem eigenen Namen verknüpfen können, klickt danach bei «Beiträge, in denen Freunde dich markieren, prüfen bevor sie in deiner Chronik erscheinen» auf «Ein». Ebenso bei «Markierungen, die Freunde zu deinen Beiträgen hinzufügen, prüfen».
Auch die Einstellungen unter «Werbeanzeigen, Anwendungen und Webseiten» sollte man anpassen. Zuerst gilt es zu prüfen, welche Anwendungen aktiv sind und welche Daten diese verwenden. Unerwünschte Anwendungen lassen sich löschen.
Um zu verhindern, dass Dritte eigene Daten weitergeben, muss man zudem die Einstellungen ändern. Das geht beim Punkt «Wie Nutzer deine Informationen an Anwendungen weitergeben, die sie nutzen». Hier sind alle Häkchen zu entfernen.
Auch die öffentliche Suche sollte man deaktivieren. Will man verhindern, dass Facebook die eigenen Bilder, Beiträge und Interaktionen für Werbung verwendet, muss man dies unter «Werbeanzeigen» einstellen. Auf die Frage, wer solche Anzeigen sehen soll, muss man bei beiden Punkten «Niemand» anwählen.
Privatsphäreneinstellungen sollte man regelmässig überprüfen. Denn bei Neuerungen setzt Facebook zum Teil bereits vorgenommene Einstellungen wieder zurück.
Cloud
Mit Cloud ist Speicherplatz im Internet gemeint, auf den man seine Texte, Bilder oder Filme ablegen kann. So lässt sich von jedem Computer mit Internetanschluss auf die Daten zugreifen. Doch Anbieter von solchem Speicherplatz wie Livedrive oder Dropbox haben Zugang zu den Dokumenten. Sie betonen zwar, dass die Dokumente verschlüsselt sind. Doch können sie eine solche Verschlüsselung aufheben, sie haben sie ja entwickelt. saldo rät: Keine heiklen Daten in einer Cloud abspeichern.
So sehen Sie, was Google über Sie gespeichert hat
Längst nicht alle Daten lassen sich abfragen. Was Google wirklich weiss, ist geheim. So erfährt der Nutzer nicht, welche Daten zu IP-Adresse, Browsertyp oder Cookies Google gespeichert hat. Auch Daten, die Google über seine Werbesysteme generiert, bleiben verborgen. Google sagt dazu lediglich, der Benutzer finde unter www.google.ch/gutzuwissen alle relevanten Informationen.
Nur wer über ein Google-Konto verfügt, kann abfragen, was Google über ihn gespeichert hat. Ein solches Konto ist nötig, um die verschiedenen Google-Dienste wie Gmail oder die Bilderverwaltung Picasa nutzen zu können. Wie viele Schweizer über ein solches Konto verfügen, will Google nicht sagen.
Im sogenannten Dashboard (https://www.google.com/dashboard) kann jeder sehen, welche Angaben bei Google hinterlegt sind. Die Daten lassen sich teilweise bearbeiten, aber nicht in jedem Fall löschen. So ist es unmöglich, einzelne Daten, etwa nur das Picasa-Konto oder das Blogger-Profil, zu entfernen. Löschen lässt sich nur das Gesamtpaket.
Unter https://www.google.com/history findet sich eine Liste der eigenen Suchvorgänge, die Google gespeichert hat.
Interessant ist ein Blick in den Anzeigenvorgaben-Manager unter https://www.google.com/settings/ads/preferences. Hier sieht man unter dem Punkt «Meine Kategorien und demografischen Merkmale», was Google über den einzelnen Kunden zu wissen glaubt. Dort kann etwa stehen, dass man sich für Katzen interessiert oder dass man häufig nach dem Stichwort «Aids» gesucht hat.