Etliche Camions, gefüllt mit Schweizer Mist, Gärgülle und Gülle passieren jedes Jahr die Grenze. 2017 transportierten sie insgesamt über 11 000 Tonnen. Über 80 Prozent der Lieferungen kamen aus Ostschweizer Kantonen. Das ergab eine saldo-Recherche bei Kantonen und beim Bund. Die Lieferungen gingen überwiegend ins grenznahe Baden-Württemberg, kleinere Mengen ins bayrische Allgäu, nach Thüringen oder Vorarlberg.
Exportmeister sind die Ostschweizer Geflügelzüchter. Sie hielten laut Bundesamt für Statistik im Jahr 2016 rund 2,5 Millionen Tiere in ihren Ställen – gut 40 Prozent mehr als vor elf Jahren. Viele der Betriebe haben jedoch keine eigenen Böden, die sie mit ihrem Mist düngen könnten. Auch sonst fehlt in der Region die Nachfrage nach den Tierexkrementen. Also landet der Mist ennet der Grenze.
Auch in der Schweiz blüht der Gülle-Tourismus. Die Bauern karren pro Jahr 2,3 Millionen Tonnen Mist und Gülle durch die Schweiz. Das entspricht 77 000 grossen Camions. Hintergrund: Insgesamt fallen jedes Jahr 23 Millionen Tonnen Gülle und Mist in der Schweiz an. Etwa 90 Prozent davon verteilen die Landwirte auf eigenen Feldern. Doch für 10 Prozent haben sie keine Verwendung. Diesen Überschuss liefern sie an Ackerbauern in anderen Kantonen.
Auch riesige Lieferungen innerhalb der Schweiz
So gelangten 2015 über 50 000 Tonnen Mist und Gülle aus dem tierreichen Kanton Luzern in den Aargau, wo der Ackerbau dominiert. Das zeigen Zahlen des Bundsamtes für Landwirtschaft. Denn am Jahresende muss jeder Schweizer Landwirt den Behörden eine ausgeglichene Bilanz der Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor vorlegen, die er seinen Äckern zu- und abgeführt hat. Der Bund will so verhindern, dass die Bauern ihre Ackerböden überdüngen.
Umweltexperte Beat Achermann kritisiert die weiten Fahrwege: «Viele Bauern könnten überschüssige Gülle und Mist auch in der Schweiz loswerden.» Für Marcel Liner vom Umweltverband Pro Natura verdeutlichen die Exporte, dass viele Kantone Ställe für mehr Tiere bewilligen, als die Standorte und Ressourcen erlaubten. Mäster und Züchter würden dann grosse Mengen an Tierfutter importieren und Gülle und Mist exportierten. Zum Beispiel stammten laut dem Verband der Futtermittelfabrikanten 81 Prozent des 2016 in der Geflügelzucht benötigten Futterweizens aus dem Ausland. Andreas Bosshard von der Bauernvereinigung Vision Landwirtschaft fordert, für viele Standorte «massiv überhöhte Bestände bei Geflügel, Rindern und Schweinen zu reduzieren». Nur so liessen sich die gesetzlichen Umweltziele erreichen.
Lastwagen legen mehr als 1000 Kilometer zurück
Die Exporteure wehren sich gegen die Kritik. Hermann Hofer von der Heho Transport- und Handelsanstalt AG im liechtensteinischen Vaduz ist einer der grössten Mist-Exporteure. Seine Camions holen bei Schweizer Bauern nach Firmenangaben im Durchschnitt bis 7000 Tonnen Hofdünger pro Jahr ab. Im vergangenen Jahr waren es 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein Teil davon geht ins deutsche Thüringen – auf der Autobahn hin und zurück mehr als 1000 km. Die Ackerbaubetriebe in Thüringen würden den Mist nutzen und so Kunstdünger sparen, sagt Hofer. Auf der Rückfahrt nähmen seine Camions Stroh in die Schweiz mit. Schweizer Bauern kämen so günstig zu Raufutter. Markus Zürcher von der Geflügelverlad AG in Schönholzerswilen TG erklärt, die Mengen seien klein und würden in deutschen Biogasanlagen verwendet.