Das Bild ist alltäglich: Kunden stehen im Laden vor einem Regal und überlegen, welches Produkt sie kaufen sollen: Welches ist das beste? Kaum jemand verfügt über genügend Informationen, um die Qualität beurteilen zu können. Viele wählen dann das teurere Produkt – in der Annahme, dass der höhere Preis bessere Qualität bedeute.
Auch der Winterthurer Lukas John Leuenberger ging oft so vor – und machte schlechte Erfahrungen: Besonders teure Markenkleider und -schuhe waren wiederholt von mässiger Qualität.
Der Student der Betriebswirtschaft an der Universität Zürich kam auf die Idee, den Zusammenhang zwischen Preis und Qualität genauer zu untersuchen. Der 23-Jährige wertete 192 Produktetests von saldo und «K-Tipp» aus den Jahren 2008 bis 2011 aus. Die beiden Redaktionen testen Konsumgüter aus fast allen Lebensbereichen und Preiskategorien hinsichtlich ihrer objektiv nachprüfbaren Qualität.
Es gibt viele teure und qualitativ minderwertige Produkte
Die Resultate der ausführlichen Studie sind eindeutig: Die Konsumenten liegen falsch, wenn sie die Qualität eines Produkts vom Preis her ableiten. Die ausgewerteten Testprodukte weisen nur einen schwachen Zusammenhang zwischen Preis und Qualität auf. Das heisst: Es gibt viele Produkte, die qualitativ minderwertig und zugleich teuer sind.
Unterschiedliche Preise innerhalb ein und derselben Warengruppe lassen sich nur in 3 von 100 Produkten auf Qualitätsunterschiede zurückführen. In 97 von 100 Fällen haben sie andere Ursachen (siehe Kasten: «So setzen Händler Preise fest»).
Leuenberger unterteilte die getesteten Produkte in sieben verschiedene Warengruppen. Dabei zeigt sich, dass es je nach Warengruppe beachtliche Unterschiede gibt: Den geringsten Zusammenhang zwischen Qualität und Preis stellte er bei den Kategorien «Kosmetik» und «Essen/Trinken» fest. Im Gegenteil: Die Qualität billiger Produkte ist sogar im Durchschnitt eher besser als bei hochpreisiger Ware.
Anders verhält es sich bei den Warengruppen «Computer/Telefon/sonstige technische Geräte» sowie «Freizeit/Familie/Reisen». Hier zeigt die Auswertung der Tests, dass es sich lohnen kann, auf ein teureres Produkt zu setzen. Dazwischen liegen die Warengruppen «Haushaltgeräte», «Textilien» und «Haushalt».
Ausländische Studien kommen zu ähnlichen Schlüssen
Leuenberger verglich seine Resultate auch mit Studien aus anderen Ländern wie Deutschland, Österreich, Kanada oder den USA und stellte viele Übereinstimmungen fest. Sogar die in der Schweiz festgestellten Unterschiede zwischen den einzelnen Warengruppen sind im Ausland ähnlich ausgeprägt.
Der internationale Vergleich verdeutlicht somit, dass zwischen Preis und Qualität von Waren tatsächlich nur ein schwacher Zusammenhang besteht. Das war schon vor mehreren Jahrzehnten so, wie frühere deutsche Analysen zeigten. Trotz Globalisierung, verschärftem Wettbewerb und der Aufklärungsarbeit der Konsumentenschutzorganisation Stiftung Warentest resultierten ähnliche Werte.
Markenprodukte sind nicht besser als Eigenmarken
In seiner Studie untersuchte Lukas Leuenberger auch, wie gut Markenartikel bei den Warentests von saldo und «K-Tipp» punkto Qualität abschlossen. Er verglich das Ergebnis mit den Resultaten von Eigenmarken (Migros, Coop), NiedrigpreisEigenmarken (M-Budget, Prix Garantie, Denner, Aldi, Lidl) und Ökomarken (zum Beispiel Bio Suisse, Max Havelaar, Demeter). Hier die wichtigsten Ergebnisse:
1. Unter den qualitativ schlechten Produkten finden sich auffällig viele teure Produkte.
2. Entscheidet sich der Konsument im Laden für ein günstiges Produkt, ist sein Risiko besonders gering, qualitativ minderwertige Ware einzukaufen.
3. Die Unterschiede zwischen der Qualität von Niedrigpreis-Eigenmarken (zum Beispiel Prix Garantie, M-Budget), den übrigen Eigenmarken sowie Markenartikeln sind klein.
4. Die Ökomarken fallen qualitativ gegenüber den anderen Marken ab. 33 Prozent aller Ökomarken-Produkte wurden mit einer Note zwischen 1 und 4 bewertet. Bei den Eigenmarken und Markenartikeln wurden hingegen nur zwischen 11 und gut 20 Prozent so tief eingestuft.
5. Die Preisunterschiede in den Schweizer Läden sind riesig: Ökomarken sind bis zu fünfmal teurer als Niedrigpreismarken und etwa dreimal teurer als die restlichen Eigenmarken.
6. Markenartikel sind am zweitteuersten. Gegenüber Billig-Eigenmarken kosten sie dreimal, gegenüber den restlichen Eigenmarken zweimal mehr.
7. Trotz des höheren Preisniveaus ist die Qualität der Markenprodukte nicht besser als die der Eigenmarken. Im Gegenteil: Die Eigenmarken sind qualitativ geringfügig besser als die Markenprodukte.
8. Die Niedrigpreis-Eigenmarken sind nur halb so teuer wie die restlichen Eigenmarken. Die Qualität ist aber auch leicht schlechter.
9. Produkte von M-Budget, Prix Garantie und die Eigenmarken von Denner, Aldi und Lidl sind fast gleich teuer.
10. Die Qualitätsspanne zwischen M-Budget, Prix Garantie und den Eigenmarken von Denner, Aldi und Lidl ist gering. Die Eigenmarken der deutschen Discounter Aldi und Lidl sind von überdurchschnittlich hoher Qualität.
Lukas Leuenberger hat dank seiner Arbeit an der Universität Zürich dazugelernt. Beim Einkaufen orientiert er sich kaum mehr am Preis, sondern informiert sich zuvor via Produktetests.
So setzen händler preise fest
Der Geschäftsführer einer Kleinbrauerei im Raum Zürich sitzt in der Preisfalle. Er könnte, wie er sagt, angesichts der Produktionskosten sein Bier erheblich verbilligen – und würde immer noch Gewinn machen. Doch das bringt ihm nichts: «Wirte und Konsumenten hielten unser Bier dann für qualitativ minderwertig.»
Sie sitzen damit nach der Einschätzung von Wirtschaftswissenschaftlern einem Vorurteil auf. Werner Pebels, Professor für Betriebswirtschaftslehre, erklärt in seinem 2006 erschienen Standardwerk «Pricing leicht gemacht»: Für die Preisbildung sind die Kosten «irrelevant». Basis für die Höhe des Preises sei vielmehr der von den Käufern «empfundene Wert einer Leistung». Dieser Wert hängt laut Pebels nicht von messbaren Qualitätskriterien ab, sondern allein von der subjektiven Beurteilung des Preis-Leistungs-Verhältnisses einer Ware durch den Konsumenten. Laut Pebels sind diese teils irrationalen Motive den Käufern selten bewusst.
Die Händler orientieren sich laut Pebels beim Festlegen eines Preises auch am Preisniveau der Konkurrenz. Denn dieses zeigt, wie viel die Konsumenten zu zahlen bereit sind. Unternehmen sollten dabei laut Pebels stets die «Preisobergrenze» ausloten, um ja keine Gewinne zu verschenken.
Kaufentscheid: Subjektive Kriterien überlagern Kaufentscheid
Eine Ware hat nicht nur objektive Qualitätsmerkmale. Konsumenten entscheiden beim Kauf auch aufgrund von subjektiven, nicht messbaren Faktoren. Darunter fallen etwa Design, Geschmack, Ökologie und Image eines Produktes.
Bei Lebensmitteln kann der subjektive Geschmack oder das Aussehen ausschlaggebend sein für den Kauf – und nicht die objektiv nachweisbare Qualität der Inhaltsstoffe. Bei Kleidern wird der Kaufentscheid oft vom Prestige geleitet, das eine bestimmte Marke dem Träger verleiht. Qualitätskriterien des Stoffes sind dann sekundär.
Preis-Qualitäts-Verhältnis
Wie gross ist der Zusammenhang zwischen Preis und Qualität bei einzelnen Warengruppen? Das Resultat der Studie von Lukas Leuenberger, Universität Zürich:
Kein Zusammenhang
Sehr kleiner Zusammenhang
- Haushaltgeräte
- Haushaltn
- Textilien
Kleiner Zusammenhang
- Computer/Telefone/sonstige technische Geräte
- Freizeit/Familie/Reisen
Interview: «Preis hat mit Produktionskosten kaum etwas zu tun»
saldo: Eine neue Studie zeigt: Der Preis eines Produkts hat meist nichts mit der Qualität zu tun. Erstaunt Sie das?
Anastasia Li-Treyer: Nein, denn Qualität ist die Summe vieler Eigenschaften und der Konsument ist durchaus fähig, die Qualität selber einzuschätzen. Der Preis ist dabei eine Komponente, die weitgehend der Markt mitbestimmt. Miese Qualität zu hohem Preis kann sich kaum lange in den Regalen halten.
Das ist fraglich. Oft verfügt der Konsument nicht über genügend Informationen und kauft deshalb ein teureres Produkt, das er für hochwertiger hält.
Das ist die Ausnahme. Die Produktangaben sind in der Regel ausreichend, um sich zu informieren. Kaufentscheide sind etwas sehr Komplexes und sehr individuell.
Wichtig ist, dass eine Auswahl vorhanden ist.
Wenn also zwischen dem Preis und der Qualität eines Produkts kein Zusammenhang besteht, was bestimmt dann den Verkaufspreis?
Der Preis ist beeinflusst von Angebot, Nachfrage und Wettbewerb. Ein Händler versucht, eine möglichst grosse Menge zu einem möglichst hohen Preis zu verkaufen. Um das zu erreichen, muss er sich an den optimalen Preis herantasten. Der Preis im Laden ist nicht fix und hat mit den Produktionskosten kaum etwas zu tun.
Laut Studie sind preisgünstige Eigenmarken qualitativ mindestens gleich gut wie Markenartikel. Weshalb sollen Konsumenten noch zum Markenprodukt greifen?
Markenunternehmer sind die Treiber der Innovation und Eigenmarken haben nur eine Chance, wenn sie sich am Sortiment eines Markenprodukts anhängen. So hat Nestlé den Kapselkaffee eingeführt, nun versuchen Händler das zu kopieren. Markenhersteller investieren in die Forschung und den Aufbau einer Marke.
Das ist kein Argument, um ein teureres Markenprodukt zu kaufen.
Markenprodukte sind nicht immer teurer. Die Eigenmarken im Premium-segment der Grossverteiler kosten mehr als die entsprechenden Markenprodukte. Auch im Vergleich zu normalen Eigenmarken lassen sich günstigere Markenprodukte finden. Kürzlich habe ich bei einer Suppe der Migros-Eigenmarke gesehen, dass sie preislich nur 10 Rappen günstiger ist als das offensichtliche Vorbild von Knorr.