Volkswagen und andere Autohersteller wie Opel, Renault, Mercedes oder BMW haben bei den Abgaswerten für ihre Dieselautos getrickst. Sie gaben viel zu tiefe Werte an. Das deckten Medien und Umweltschützer im Herbst 2015 auf. Seither hat sich wenig geändert. Im Gegenteil. Kurt Egli vom Verkehrsclub der Schweiz (VCS) kritisiert, die Importeure würden dieses Jahr über 100 000 neue Autos mit solchen Dieselmotoren verkaufen.
Laut den Herstellern entsprechen die neuen Dieselautos den Euro-6-Normen. Das heisst, sie stossen nicht mehr als 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus. Bloss müssen sie das weiterhin nur im Labor beweisen. Im realen Fahrbetrieb produzieren sie mehr Abgase. Bei zwei Dritteln der Wagen liegen die Werte über 240 Milligramm. Das zeigt der Report «Dieselgate» der europäischen Umweltorganisation Transport & Environment. Die Autoren analysierten Dutzende Abgastests britischer, französischer und deutscher Organisationen. Strassentests bestätigen die Ergebnisse.
Am schlimmsten: Fiat, Renault, Opel, Hyundai und Mercedes
Abgase von Dieselmotoren sind ein Problem, weil sie viele Stickoxide (NOX) enthalten. Hohe Konzentrationen erhöhen das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Schlaganfälle. Laut der Europäischen Umweltagentur starben an den Folgen der Stickoxid-Belastung in der Schweiz im Jahr 2012 fast 1000 Menschen vorzeitig.
Laut dem Dieselgate-Report sondern die Euro-6-Modelle von VW, BMW und Mazda vergleichsweise wenige Schadstoffe ab. Besonders viele schmutzige Modelle verkaufen Fiat, Renault, Opel, Hyundai und Mercedes. Beispiel: Beim Fiat 500X 2.0 Multijet schaltet laut Report nach 22 Minuten Betrieb die Abgasreinigung ab. Grund: Der Standardtest im Labor dauert exakt 20 Minuten. Andere Hersteller haben die Betriebssoftware so eingestellt, dass die Abgasreinigung bei einem warmen Motor, ab 145 km/h oder bei 850 Metern über Meer ausfällt. In vielen Modellen von Renault, Hyundai oder BMW springt sie erst ab 17 oder 19 Grad Aussentemperatur an. Denn die Tests werden bei Temperaturen von rund 25 Grad durchgeführt (saldo 20/2016). Folge: Im Labor schneiden die Autos gut ab. Im Strassentest fallen sie durch.
Den Herstellern geht es ums Geld: Sie sparen Materialkosten, wenn sie ihre Fahrzeuge nicht mit einer Abgasreinigung für den Dauerbetrieb ausrüsten. Technisch wäre das kein Problem, wie neue Tests der Deutschen Umwelthilfe zeigen: Der NOX-Ausstoss des Mercedes E 200 d und des Audi A5 2.0 TDI ist mit rund 40 Milligramm pro Kilometer klar unter dem Limit.
saldo wollte von 14 Importeuren wissen, wie es um die neuen Euro-6-Modelle steht. Fiat, Nissan, Hyundai und Renault antworteten nicht. Volvo, Mazda, Mercedes, Kia, und Ford gaben an, keine Abschaltsoftware zu benutzen. Opel sagt, seit August könne man mit neuer Technik die Emissionen verringern. Mercedes und die VW-Importeurin Amag räumen ein, dass es im «realen Fahrbetrieb» zu Abweichungen von Laborergebnissen kommen kann. Ihre Autos müssten laut Gesetz die Grenzwerte erst ab September 2019 in Strassentests einhalten. Bis dahin reiche es aus, wenn sie die Normen im Labor erfüllen.
VCS-Experte Egli hält das für eine Ausrede: «Die Hersteller müssen laut einer in der Schweiz und der EU gültigen Verordnung schon heute sicherstellen, dass die Abgasemissionen «während der gesamten Lebensdauer» eines Fahrzeugs «bei normalen Nutzungsbedingungen wirkungsvoll begrenzt werden.» Das tun sie nicht. Er rät Autokäufern, auf effiziente Benzin-, Erdgas- oder E-Autos umzusteigen.
Besonders üble Diesel-Dreckschleudern
Der Renault Mégane Grandtour 1.5 dCi stösst im realen Fahrbetrieb 16 Mal mehr NOX aus, als die Euro-6-Norm zulässt. Der Opel Astra ST und der Ford S-MAX 2.0 TDCi zwischen sechs und zehn Mal mehr aus. Das zeigen Tests der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt in Dübendorf ZH.
Der Fiat 500X 2.0 Cross 4x4 überschreitet den Grenzwert um das 16-Fache, der Renault Captur 1,5 dCi 110 um das 15-Fache. Der Ford Mondeo 2.0 Duratorq TDCi stösst fünf Mal mehr NOX aus, der Nissan Quashquai 1.6 dCi, der Renault
Scenic 1.6 dCi und der Ford Kuga 2.0 TDCi 2X4 rund sieben Mal mehr. Das fand der Verein Deutsche Umwelthilfe kürzlich in Strassentests heraus.
Amag speist Kunden mit einem 100-Franken-Gutschein ab
Autoimporteure versuchen, den Dieselskandal auszusitzen. So auch die Amag, die Fahrzeuge von VW, Seat, Porsche oder Audi in der Schweiz verkauft. Besitzer von Dieselfahrzeugen dieser Marken bekamen in den letzten Monaten Post von der Amag. Sie bietet an, in der Garage gratis die Software ihres Autos zu entfernen, die «im Prüfstandbetrieb die Stickoxid-Werte optimierte». Die Amag führte das «Update» laut eigenen Angaben bis April 2017 bei 110 000 der 175 000 betroffenen Fahrzeuge durch. Amag sagt, das Update reduziere die Emissionen auf der Strasse.
Diesel-Besitzer erhalten in Amag-Garagen nach dem Service einen 100-Franken-Gutschein, gültig ab einem Einkauf von 300 Franken. Ein Audi-Fahrer erhielt als Dreingabe ein kleines Sackmesser. Zum Vergleich: In den USA muss Volkswagen VW-Diesel-Besitzer mit bis zu 7000 Dollar entschädigen.