Fast jedem Kommandanten seinen Pressechef: Kommunikationschefs plus -Stellvertreter gibt es beim Militär etwa für die «Logistikbasis der Armee», die «Führungsunterstützungsbasis», die «Teilstreitkraft Luftwaffe», die «höhere Kaderausbildung» oder das «Ausbildungszentrum für Auslandeinsätze Swissint».
Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) listet auf der Website des Bundes nicht weniger als 35 Telefonnummern für interessierte Journalisten auf.
Die Kommunikationschefin Gaby Zimmer von der Logistikbasis der Armee beispielsweise verkündete diesen Sommer in den Medien, dass Bundesangestellte mit Arbeitsort Bern Dienstautos nicht mehr beim Fahrzeugpark der Armee beziehen, sondern bei Europcar.
So spare der Bund Geld. Wie viel, stand nirgends zu lesen. Hauptsache, eine positive Meldung in eigener Sache ist in den Medien platziert.
Der Bund wies 2009 261 Kommunikations-Vollzeitstellen aus
Häufiger sind Medienbeauftragte einzig dazu da, Informationen zu verhindern. Besonders dann, wenn es um brisante Themen geht, wie etwa die Waffenabgabe an psychisch unstabile Rekruten. Laut einer SDA-Meldung prüfte das VBS in einem Pilotversuch angehende Soldaten psychologisch.
Doch die Ergebnisse der Überprüfung wurden nie kommuniziert. Das VBS gibt auch keine weiteren Einzelheiten dazu bekannt, wie Bühler sagte. Martin Bühler, muss man wissen, ist der wichtigste VBS-Sprecher.
Auch bei den anderen Departementen des Bundes ist ein Heer von Mediensprechern und Kommunikationsbeauftragten beschäftigt. In der Staatsrechnung 2009 weist die Verwaltung 261 Vollzeitstellen für Kommunikationsprofis aus – 24 Stellen mehr als 2007.
Die Gesamtkosten für Öffentlichkeitsarbeit belaufen sich auf 76,4 Millionen Franken. Das gleiche Bild bei Kantonen und Gemeinden: Seit einigen Jahren bauen die Behörden ihre Kommunikationsabteilungen massiv aus – alles bezahlt von den Steuerpflichtigen.
Nur so viel preisgeben, wie die Medien bereits herausgefunden haben
Extrem eifrig sind in dieser Hinsicht Stadt und Kanton Zürich. Laut einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage waren Anfang 2009 beim Kanton 71 Personen im Umfang von 38 Vollzeitstellen mit Kommunikationsaufgaben betraut. Nicht mitgezählt sind dabei Amtschefs und Abteilungsleiter, die den Medien zuweilen selber Auskünfte erteilen.
Dabei bleibt die Informationsleistung dürftig, besonders wenn es heikel wird. Als im Juni bekannt wurde, dass der Anlagechef der Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich wegen Korruption verhaftet wurde, beschränkte sich der Sprecher der Finanzdirektion Roger Keller vornehmlich darauf, das zu bestätigen, was die Medien ohnehin schon herausgefunden hatten.
Angaben zum finanziellen Umfang der Verfehlungen verweigerte er. Und das jahrelange ungestörte Wirken des Chefbeamten entschuldigte Keller damit, dass dieser «die internen Kontrollen systematisch umgangen hat».
Parlamentarier haben in den vergangenen Jahren die hohe Zahl von Mediensprechern der Stadt Zürich immer wieder kritisiert. Die letzte Bestandesaufnahme datiert vom März 2004: Damals waren 44 Mitarbeitende (28 Vollzeitstellen) zuständig für Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Informationsvermittlung.
Für Marketingaktivitäten, die sich oft mit der Informationsvermittlung überschneiden, wurden in der Stadtverwaltung weitere 20 Personen mit 17 Vollzeitstellen eingesetzt. Laut Stadtkanzlei-Sprecherin Annina Dubs ist seither die Zahl der Kommunikationsprofis weiter gestiegen.
Kommunikationskosten: Einige Kantone haben die Übersicht verloren
Zurzeit beschäftigt allein das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement der Stadt Zürich zwölf Informationsverantwortliche mit insgesamt 10,5 Stellen. Sie äussern sich zur Zahl der Hundekoteimer in der Stadt, zur Verbreiterung einer Unterführung und zu falsch gebündeltem Altpapier.
Chefsprecher Pio Marzolini macht sogar den Abbruch einer kleinen Mauer beim Sechseläutenplatz zum Medienereignis. Im «Tages-Anzeiger» liess er sich diesen Frühling wie folgt zitieren: «Am Mittwochabend hat das ‹Müürli› aufgehört zu existieren.»
In einigen Kantonen haben die Behörden längst keine Übersicht mehr, wie viele Informationsverantwortliche sie überhaupt beschäftigen. Beim Kanton Bern heisst es: «Bis jetzt hatten wir nicht das Bedürfnis, ein Inventar zu machen.» Der Kanton Basel-Stadt gibt auf seiner Website zwar 22 Medienkontakte an.
Gemäss Vizestaatsschreiber Marco Greiner sind das allerdings nur die wichtigsten. Wie viele Personen der Halbkanton effektiv im Kommunikationsbereich beschäftigt, kann er nicht sagen. Und auch die Kosten sind nie eruiert worden, obwohl sich das Parlament dafür schon interessiert hat.
Dass es bei der öffentlichen Hand mit weniger Köpfen geht, zeigt der Kanton Thurgau: Mit acht Stellen bestreitet er die ganze Kommunikation – inklusive einen 24-Stunden-Pikettdienst der Polizei. Das sind 2,5 Stellen weniger als die Stadt Zürich allein für das Tiefbauamt aufwendet.
Häufig verhindern Medienverantwortliche, dass Journalisten direkt mit den zuständigen Mitarbeitern oder Chefs der Verwaltung reden können. Auskunft erteilen ausschliesslich Kommunikationsprofis, nachdem sie sich bei den zuständigen Stellen erkundigt haben.
Das erschwert für Journalisten die Informationsbeschaffung und führt zu schöngefärbten Aussagen. Denn der Auftrag an die Kommunikationsabteilung ist klar: Die Behörde soll immer im bestmöglichen Licht dastehen.
Der Informationswert ist bei vielen Aussagen gleich null
Immer mehr Journalisten geben sich mit den dünnen Aussagen der Medienstellen zufrieden und scheuen den Aufwand, zusätzliche Informationen zu recherchieren. Für die Behörden ist damit das Ziel erreicht.
Die Leser aber erhalten kurze Häppchen-Zitate vorgesetzt – meist ohne Informationswert, von Hintergrundwissen ganz zu schweigen. Verlautbarungsjournalismus und Hofberichterstattung durchziehen die Zeitungsspalten.
Bei den elektronischen Medien fehlten differenzierte Aussagen ohnehin schon immer. Diese Tendenz fördern die neuen Internet-Nachrichtenportale wie zum Beispiel «Tages-Anzeiger/Newsnetz», die Informationen möglichst schnell vermitteln müssen – die Folge ist Oberflächlichkeit.
Der Soziologe Kurt Imhof von der Universität Zürich bestätigt, dass der direkte Einfluss von Behörden auf redaktionelle Inhalte massiv zunimmt. «
Es findet eine strukturelle Verlagerung der Informationsressourcen statt, und zwar vom professionellen Journalismus hin zu Behörden und Unternehmen.» Mittlerweile würden die Kommunikationsprofis von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft die Zahl aktiver Journalisten bei Weitem übersteigen.
Noch etwas hat Imhof herausgefunden: Die Berichte über die Landesregierung sind seit 1980 stark angestiegen, seit 1990 geht dafür die Berichterstattung über das Parlament stark zurück. Kein Wunder – welcher Parlamentarier kann sich schon eigene Mediensprecher leisten!
Die Auswirkungen auf den demokratischen Prozess sind fatal: Gesetzgeber sind National- und Ständerat. Und die Medienkonsumenten hätten wohl alles Interesse daran, zu erfahren, mit welchen neuen Gesetzen sie bald zu rechnen haben.